Mehr als 10 000 Menschen demonstrieren vor dem Rathaus friedlich gegen Neonazis. Schwere Krawalle in Wandsbek

Hamburg. Es war ein klares Bekenntnis gegen Rechtsextremismus: Mit einem Meer bunter Karten als Symbol für Vielfalt und Toleranz haben mehr als 10 000 Hamburger am Wochenende auf dem Rathausmarkt ein friedliches Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit und rechtsradikales Gedankengut gesetzt.

Die Kundgebung unter dem Motto "Hamburg bekennt Farbe" richtete sich gegen den Aufmarsch von 700 Neonazis, die am Sonnabend durch Wandsbek zogen. Bei den dortigen Gegendemonstrationen kam es zu schweren Krawallen, 38 Polizisten wurden verletzt.

"Wir stehen zusammen gegen Rechtsradikale, neue Braune und neue Nazis", rief Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) den Menschen auf dem Rathausmarkt zu. Demonstrationen gegen rechts seien unverzichtbar für die Demokratie und den Rechtsstaat. Die weltoffene Stadt Hamburg werde das "offene Tor zur Welt" bleiben. Spontan ergriff auch Dieter Graumann das Wort. Er hoffe, dass das Engagement der Hamburger Bürger gegen Neonazis und Rechtsextremismus auch auf andere Städte abfärbe, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. "Der Faschismus gehört auf den Müllhaufen der Geschichte."

Hamburgs Bischöfin Kirsten Fehrs sagte: "Wer gegen die Menschenwürde handelt, handelt gottlos." Rechtsextremes Gedankengut sei mit "keiner unserer Religionen vereinbar". Als Christin wolle sie es auf den Punkt bringen: "Unser Kreuz hat keine Haken."

Am Rande des Neonazi-Aufmarsches in Wandsbek war es fast zeitgleich zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen. 4400 Polizeibeamte waren dort im Einsatz, um die Rechtsextremisten vor den rund 3500 Gegendemonstranten abzuschirmen. Mehrere Hundert Gewalttäter griffen die Polizisten mit Steinen oder Böllern an, errichteten Barrikaden aus Mülltonnen und zündeten diese an. Auch ein Polizeifahrzeug und mehrere Autos brannten. Die Beamten wehrten sich mit Wasserwerfern und Pfefferspray. Laut Polizeibericht kamen 63 mutmaßliche Randalierer in Gewahrsam, 17 wurden festgenommen.

In der Nacht zu Sonntag rückte die Polizei zudem zweimal ins Schanzenviertel aus, weil rund 70 Randalierer die Feuerwehr daran hinderten, brennende Barrikaden zu löschen. Bereits in der Nacht zu Sonnabend hatten Brandstifter elf Polizeifahrzeuge aus Nordrhein-Westfalen vor dem Steigenberger Hotel Treudelberg angezündet. Dort hatten die für den Hamburg-Einsatz angereisten Beamten geschlafen. Die Täter entkamen unerkannt.

Der Hamburger Innensenator Michael Neumann (SPD) verurteilte die Ausschreitungen. "Die gewalttätigen Übergriffe sind im demokratischen Rechtsstaat durch nichts zu rechtfertigen. Mich macht es wütend und traurig, dass Gewalttäter Polizisten angreifen, die sich für unsere Demokratie, unseren Rechtsstaat und unsere friedliche Gesellschaft einsetzen, uns schützen", sagte er.

Neumann und Bürgermeister Olaf Scholz bekräftigten am Sonntag nochmals ihre Absicht, die Prüfung eines NPD-Verbotsverfahrens weiter voranzutreiben. "Wir müssen die Gründe für ein Verbot sauber zusammentragen und nicht Ausreden suchen, weshalb das alles schwierig ist. Das sind nur Ausflüchte, weil man kein Verbot will", sagte der Innensenator. Er erwarte von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) ein ehrliches Bemühen, das Verfahren zu einem Erfolg zu machen. "Hamburg jedenfalls steht zum Verbot der NPD und trägt nach Kräften dazu bei."