Die TUHH will mit dem Hersteller SIM-Drive zusammenarbeiten, um grüne Technologien zu fördern. Senator Horch vereinbart Memorandum.

Tokio/Kawasaki. Die Garage liegt in einem Hinterhof. Ringsherum stehen Wohnhäuser mit bis zu 30 Stockwerken. Auf den Balkonen hängt Wäsche zum Trocknen. Direkt vor einem Zaun fährt ein alter Güterzug vorbei. In der Garage stehen Teile von Autokarosserien, Kabeltrommeln liegen herum, und eine Fräsmaschine wartet auf den nächsten Benutzer.

Vor der Garage hat Eric Wu, der einen blauen Overall angezogen hat, am Steuer eines weißen Autos Platz genommen. Neben ihm sitzt Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos). "Das sieht ganz schön futuristisch aus", sagt Horch und schnallt sich an. Der Wagen mit dem langen Heck und einem Kofferraum mit Glasdach erinnert ein wenig an den legendären Citroën DS. Wu drückt auf einer geraden Strecke kräftig aufs Gaspedal und Horch wird in den Sitz gedrückt. Der Prototyp SIM-LEI beschleunigt in gerade einmal 4,8 Sekunden von 0 auf 100, fährt eine Spitzengeschwindigkeit von 150 Kilometern in der Stunde und hat eine Reichweite von 300 Kilometern - und das mit einer einzigen Stromladung. Werte, von denen bereits zugelassene Elektroautos in Europa weit entfernt sind.

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Japan ist Vorreiter in der Elektromobilität. Rund eine Million E-Fahrzeuge (inklusive Hybridtechnik) wurden 2011 weltweit hergestellt. 750.000 davon stammten aus dem asiatischen Land. Und 40 Prozent der Gesamtproduktion gingen an japanische Käufer. Wer in Tokio durch die Straßen geht, nimmt diese Elektroautoverrücktheit sofort wahr. In dem Moloch mit rund 13 Millionen Einwohnern ist die Luft überraschend sauber. Weniger Abgase schonen die Bronchien.

Für saubere Autos steht seit nahezu 30 Jahren Professor Hiroshi Shimizu. Er ist der Cheftüftler von SIM-Drive, dem Hersteller des sportlichen Flitzers, in dem gestern Vormittag Frank Horch Platz genommen hat.

Shimizu hat schon viele Elektroautos in Kawasaki nahe Tokio mitentwickelt. Ein Prototyp fährt sogar bis zu 350 Kilometer in der Stunde, hat Flügeltüren und beschleunigt von 0 auf 100 in vier Sekunden. "Wie ein Ferrari", sagt Shimizu und lächelt. In zwei bis drei Jahren will der Professor ein Fahrzeug wie den SIM-LEI serienmäßig auf die Straße bringen.

Der Preis soll bei 25.000 bis 30.000 Euro liegen. Es wäre ein sportliches Familienauto mit viel Raum für Gepäck und einem Monitor in der Front des Beifahrersitzes, der den Rückspiegel ersetzt. Durchaus eine Konkurrenz für den klassischen Mittelklassewagen mit Verbrennungsmotor. Selbst bauen wird Shimizus Team den Wagen dann allerdings nicht. Er bietet nur sein Know-how an, würde einem Hersteller bei der Entwicklung helfen. Interessenten dürfte es genügend geben, denn schon jetzt sind an SIM-Drive mehr als 30 Unternehmen beteiligt, darunter viele japanische Konzerne wie Toyota, aber auch der deutsche Zulieferer Bosch und der französische Autohersteller Peugeot-Citroën.

Als Professor Shimizu die Technik seiner Flitzer erklärt, hört die von Senator Horch angeführte Hamburger Wirtschaftsdelegation ganz genau zu. An jedem Reifen sitzt ein zwei Kilogramm leichter Elektromotor, im Fahrzeugboden sind die Batterien versteckt, die innerhalb von drei Stunden komplett aufgeladen werden können. Garabed Antranikian, der Präsident der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH), fängt sofort Feuer für den Kollegen aus Japan und dessen Ideen. "Da werde ich den Kontakt zu meinen Studenten herstellen", sagt er.

Denn auch im Hamburger Süden tüfteln gerade rund 50 angehende Ingenieure an einem sportlichen Elektroauto, das noch in diesem Sommer fertig sein soll. Professor Michael Fröba von der Uni Hamburg, der ebenfalls Mitglied der Delegation aus der Hansestadt ist, zeigt sich auch angetan von SIM-LEI. Allerdings sieht er noch ganz andere Potenziale für Elektroautos mit einem neuen Typ von sogenannten Lithium-Luft-Batterien. "In acht bis zehn Jahren könnten dann womöglich Reichweiten mit einer vollen Ladung von bis zu 1.000 Kilometern möglich sein", sagt er. Erst vor einer Woche waren Vertreter von Toyota in Harburg, wollen mit der Universität genau bei dieser Technik eng zusammenarbeiten. Hamburg und Japan - da scheint sich etwas zu bewegen in Wirtschaft und Wissenschaft.

Wie interessiert die Japaner an der Hansestadt und den erneuerbaren Energien made in Germany sind, zeigt sich wenige Stunden später bei einem Symposium der Hamburger Delegation im Tokioter Hotel New Otani. Der Konferenzsaal ist bis zum letzten Platz gefüllt. Etwa 120 Gäste sind gekommen, diskutieren über Chancen und Kosten von Wind-, Wasserkraft und Sonnenenergie. Die Japaner wollen nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima Ernst machen mit dem Atomausstieg. Und in den Gästen aus Hamburg sehen sie einen Verbündeten. Schließlich haben sie alle davon gehört, dass Deutschland 2022 keine Kernkraftwerke mehr am Netz haben will.

Bei der Konferenz geht es vor allem um die Windenergie auf hoher See. Siemens-Nord-Chef Michael Westhagemann referiert über den Windstandort Norddeutschland, die ausgelegten Flyer für die geplante Windmesse 2014 in der Hansestadt sind innerhalb weniger Minuten vergriffen. Und schließlich kündigt TUHH-Präsident Antranikian eine Initiative zwischen Hamburg und Japan zur Förderung grüner Technologien an. Man will gemeinsame Projekte angehen, sich gegenseitig zu weiteren Konferenzen einladen und eine Internetplattform schaffen, auf der über Vorhaben berichtet und wichtige Informationen ausgetauscht werden können. Nach der Konferenz vereinbarten Senator Horch und der japanische Generalkonsul in Hamburg, Setsuo Kosaka, der ebenfalls mit nach Tokio geflogen ist, das Memorandum zu unterzeichnen. Ein kleiner Schritt und nicht ganz so spektakulär wie die rasante Fahrt im Flitzer von Professor Shimizu. Aber ein Anfang.