Mit Röttgens Entlassung bereitet die Kanzlerin ihren Personenwahlkampf 2013 vor

Mit der Entlassungsurkunde für Umweltminister Norbert Röttgen ist eine neue Ära in der Kanzlerschaft von Angela Merkel eingeleitet - wohl die letzte. Neue Koalitionen, Richtungswechsel, Krisen, Aufschwünge, Rücktritte, Entlassung - was auch immer an Höhe- und Tiefpunkten im Laufe einer Regierungszeit geschehen kann, hat Frau Merkel erlebt, durchgemacht, geschäftsmäßig abgehakt. Nichts wird mehr neu sein für Deutschlands erste Frau in diesem Amt, die seit 2005 einen tief greifenden Wandel im Land geprägt hat - und aushalten musste. Außer, wenn sie dereinst selbst beim Bundespräsidenten die letzte Urkunde bekommt. Im siebten Regierungsjahr ist die Kanzlerinnendämmerung mit Händen greifbar.

Zwei Bundespräsidenten ihrer Wahl gingen ihr verloren, etliche Ministerpräsidenten der Union verzichteten auf ihre Ämter. Die CDU ist im Blick von außen ein undefinierbarer Kanzlerwahlverein geworden. Und doch war der Rauswurf Röttgens alternativlos. Diese - Merkels - Diktion ist erschreckend und kalt. Aber es geht nicht nur um den Umgang miteinander, sondern um Inhalte.

Was soll eine Chefin mit einem Mitarbeiter anfangen, der eine neue Aufgabe so herzlos angeht? Dem sie alle Unterstützung gewährt, die er bekommen kann? Das lässt sich in Wahlkampfauftritten und "Winke, winke"-Bildern belegen. Was Röttgen in Nordrhein-Westfalen abgeliefert hat, war blamabel. Die anschwellende Legendenbildung um Röttgens Abberufung tut ihr Übriges. Hat Merkel ihm nun klar signalisiert, er möge auch als Umweltminister seinen Hut nehmen? Oder hat sie erst dem Druck nachgegeben, der sich an die Niederlage der CDU in NRW anschloss? Auf dem Rücken von Geschichtenerzählern kann man nicht stabil regieren.

Das hat Merkel mit der Entlassung klar signalisiert: Ich kann auch anders. Dennoch war es eine abgewogene Entscheidung. Röttgen hat die Wahl verloren, nicht Merkel. Er spielte mit seinen persönlichen Karriereoptionen, lustwandelte im Image des Merkel-Nachfolgers zwischen Berlin und Düsseldorf. Die Koketterie, die eigenen Befindlichkeiten und Ideen über die Aufgaben einer brüchigen Bundesregierung zu stellen, musste im Desaster enden.

Für die Lösung nur dieser einen Personalie erhält Merkel: erstens Anerkennung und Furcht von ihren Gefolgsleuten; zweitens Beifall aus CSU und FDP; drittens einen Neustart in der schleppenden Energiewende. Mit diesem Kalkül und gemessen an organisatorischen Zielen werden auch in der Wirtschaft und im Sport professionell Personalentscheidungen gefällt. Merkel ist gleichzeitig Kapitänin und die Maschinistin der Macht. Die Meuterei der eigenen Leute fällt aus. Die einst denkbaren Aufrührer wie Friedrich Merz, Roland Koch, Günther Oettinger, Christian Wulff oder Norbert Röttgen haben sich für den einstweiligen Ruhestand innerhalb der Grenzen von Merkels Reich qualifiziert.

Man mag fassungslos schauen auf den warmherzigen Bundespräsidenten Joachim Gauck neben dieser unterkühlten Kanzlerin. Erstaunlicherweise kommen beide aus einem ostdeutschen Pfarrhaus. Von Gauck werden wir repräsentiert, von Merkel regiert. In der Aufgabenbeschreibung erübrigen sich eigentlich Fragen nach dem Stil.

Merkels Endspiel um die Macht hat jetzt begonnen. Aus ihrer bisweilen "schwammig" genannten Politikmoderation schöpft sie Kraft für einen reinen Personenwahlkampf 2013. Sie hat bewiesen, dass sie einen Mitarbeiter "wegbeißen" kann. Die Zweischneidigkeit dieser Aktion ist ihr bewusst. Norbert Röttgen hat vor längerer Zeit ein Buch geschrieben, das ihm und Angela Merkel Drohung und Aufmunterung zugleich ist. Es heißt "Deutschlands beste Jahre kommen noch".