Unternehmen in der Hansestadt müssen wegen der Krise Auftragseinbrüche hinnehmen. Experten rechnen nicht mit einer schnellen Erholung.

Hamburg. Den Hamburger Windkraftspezialisten PowerWind hat es bereits vor rund einem Monat erwischt. Am 24. April musste das Unternehmen beim Amtsgericht einen Insolvenzantrag stellen. Grund ist die Schuldenkrise. Denn PowerWind ist vor allem in Südosteuropa tätig und dort gibt es derzeit kaum noch Investoren, die ihr Geld in neue Windanlagen stecken. Die Region, vor allem die Iberische Halbinsel und auch Italien, steckt in einer tiefen Krise. Jahrelanges Missmanagement der Politik rächt sich jetzt. "Es wird Jahre dauern, ehe sich die Länder erholen", sagt Michael Bräuninger, Forschungsdirektor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI).

Der Niedergang in den südlichen Euro-Ländern hat nun auch Hamburgs Wirtschaft erreicht. Denn in einem Land wie Spanien mit einer Arbeitslosenquote von fast 25 Prozent kaufen die Menschen nur noch das Nötigste. "Spanien, Portugal und Italien rechnen dieses Jahr mit einem Minuswachstum", sagt Jörg Hinze, Konjunkturexperte des HWWI. Das trifft auch den Hamburger Außenhandel. Der klagt vor allem über die schlechter werdende Zahlungsmoral der Kunden aus Südeuropa. "Dies kann langfristig gesehen zu einem ernsthaften Problem werden", sagt der Präsident des AGA Unternehmensverbands, Hans Fabian Kruse.

Der Konsumgüterhersteller Beiersdorf strich bereits Ende des Jahres weltweit 1000 Jobs, davon 230 in Hamburg. Die Töchter des Nivea-Herstellers in Portugal, Spanien und Italien mussten ihre bislang getrennten Vertriebsaktivitäten zusammenlegen. Denn auf Pflegeprodukte verzichten die Menschen eher als auf Nahrungsmittel.

Auch bei der Hamburger Modeschmuckkette Bijou Brigitte sank allein in Spanien im vergangenen Jahr das Ergebnis nach Steuern von 6,8 auf 3,7 Millionen Euro. Insgesamt ging der Gewinn weltweit um 8,5 Millionen Euro zurück. Spanien ist folglich die Problemregion Nummer eins. "Gründe für den Einbruch sind die hohe Arbeitslosigkeit vor allem bei Jugendlichen und die sinkende Zahl von Touristen aus Großbritannien, die zuvor in unseren Läden eingekauft haben", sagt Firmensprecherin Annegret Wittmaack.

Mit 250 Filialen ist Spanien nach Deutschland immerhin der zweitgrößte Markt für Bijou Brigitte hinter Deutschland. Auch in Portugal und Italien entwickele sich das Geschäft nicht besser. "In Italien wirkt sich die im September erhöhte Umsatzsteuer und der Sparkurs der Regierung aus", sagt Wittmaack. In allen drei Ländern ging der Umsatz im ersten Quartal weiter zurück. "Wir hoffen nun darauf", so die Sprecherin, "dass sich die Konjunktur in Südeuropa vielleicht zur Jahresmitte erholt. Die Chancen dafür halten wir aber eher für gering."

Die Gründe für die Misere sind in jedem Land unterschiedlich. "Spanien befindet sich in einer tiefen Strukturkrise. Das Land hat zu lange auf die Bauwirtschaft gesetzt. Der Bausektor lässt sich nicht so leicht durch eine Industrie ersetzen", sagt HWWI-Experte Hinze. Auch Portugal hat in diesem Bereich Probleme. Zudem habe das Land seine Wettbewerbsfähigkeit vernachlässigt. "Vor rund 20 Jahren hatte man versucht, eine Industrie aufzubauen und ausländische Investoren zu locken", so Hinze. Die Firmen hatten aber kein Interesse, weil die Löhne in dem Land in die Höhe schossen. "Italien muss seinen verkrusteten Arbeitsmarkt reformieren. Derzeit stellt die Wirtschaft kaum Mitarbeiter ein, weil es schwierig ist, ihnen wieder zu kündigen."

Neben den Konsumgüterherstellern macht die schwache Konjunktur auch Hamburger Maschinenbauern zu schaffen. So sank der Auftragseingang aus Südeuropa beim Klimaanlagenhersteller Stulz in den ersten vier Monaten des Jahres um 30 Prozent. "In Griechenland und Portugal sind es sogar 90 Prozent, obwohl wir mit der weltweiten Auftragslage insgesamt zufrieden sind", sagt Prokurist Kurt Plötner. Der Gabelstaplerbauer Jungheinrich rechnet zwar ebenfalls für 2012 wieder mit einem guten Ergebnis. "Spanien und Italien melden aber schwächere Auftragseingänge", so Sprecher Markus Piazza.

Konkurrent Still aus Billbrook treffen vor allem die ökonomischen Probleme in Italien hart. So steht das Land zusammen mit Spanien für knapp 20 Prozent des Gesamtumsatzes des Maschinenbauers, der 2011 bei 1,7 Milliarden Euro lag. "In den ersten vier Monaten des Jahres wurden in Italien insgesamt 20 Prozent weniger Geräte als im Vorjahr bestellt", sagt Thomas Fischer, Geschäftsführer für Vertrieb und Marketing. Ähnlich schwach entwickelt sich das Geschäft in Spanien.

Umstrukturiert hatte Still bereits 2009. So wurden der Vertrieb der Marken Still und OM 2010 zusammengelegt. Das italienische Werk in Bari steht nun vor der Schließung. Der Standort Hamburg wird davon sogar profitieren: Denn so werden im Laufe des Jahres 2012 mehr als 120 Arbeitsplätze aus Italien in die Hansestadt verlagert. Derweil hofft PowerWind nun darauf, die Insolvenz noch abwenden zu können. "Wir führen aussichtsreiche Gespräche mit Investoren und haben neue Kunden", so Sprecher Christoph Brösamle. Die kommen aus Großbritannien und den USA, nicht mehr aus Südeuropa.