Dank eines neuen Gesetzes ist die Anerkennung von Abschlüssen nun leichter. Hamburgs Handwerkskammer meldet erste Erfolge.

Hamburg. Die vergangenen 20 Jahre waren nicht leicht für Georg Zerr. Als Wachmann und mit anderen Gelegenheitsjobs musste sich der Mann aus Kasachstan durchschlagen. "Ich habe jede Arbeit angenommen, um meine Familie zu ernähren", sagt der 48-Jährige. Dabei hat er eigentlich Metallbau an der Landwirtschaftlichen Hochschule in seiner Heimat studiert. "Doch meine Ausbildung wurde hier in Deutschland nicht anerkannt."

Nun ist Georg Zerr einer der ersten Hamburger, der von einem Erlass mit dem monströsen Namen Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz profitiert. Seit Anfang April genießen Menschen, die im Ausland eine Ausbildung gemacht oder studiert haben, ein Recht darauf, dass die Anerkennung ihres Abschlusses geprüft wird. Unabhängig von ihrer Nationalität oder ihrem Aufenthaltsstatus. Auf diese Weise will die Bundesregierung den Fachkräftemangel in Deutschland bekämpfen. Rund 300 000 Menschen können von dem neuen Gesetz schätzungsweise profitieren, 6000 davon in Hamburg.

+++ Fachkräfte in Hamburg stark gesucht +++

Georg Zerr hatte bereits Mitte vergangenen Jahres versucht, sich sein Studium in Kasachstan anerkennen zu lassen. Doch weil er seine Ausbildung nicht komplett abgeschlossen hatte und einige Papiere fehlten, handelte er sich zunächst eine Absage von der Hamburger Handwerkskammer ein. Erst das neue Gesetz brachte den Durchbruch. "Es tut gut, das eigene Licht nicht mehr unter den Scheffel stellen zu müssen", so Zerr. "Das gibt mir Selbstvertrauen."

Vor allem bringt Zerr die Einstufung als Metallbauer rund 200 Euro netto mehr im Monat. Denn in seinem aktuellen Job als Hausmeister im Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie wird er nun in eine höhere Tarifgruppe eingeordnet. Zudem hat Zerr gute Aussichten, noch weiter in der Behörde aufzusteigen. "Er ist ein Allroundtalent und kann einfach alles reparieren", sagt Zerrs Vorgesetzter Wilfried Weber, der seinen Mitarbeiter im Kampf um die notwendigen Papiere tatkräftig unterstützte.

+++ Das Anerkennungsgesetz +++

Insgesamt hat die Hamburger Handwerkskammer bislang 110 Anfragen von Arbeitnehmern mit ausländischen Abschlüssen erhalten. Neun von ihnen haben konkrete Anträge gestellt, fünf haben einen positiven Bescheid bekommen. "Damit sind wir die erste Kammer in ganz Deutschland, die das neue Gesetz umgesetzt hat", sagt Sprecherin Ute Kretschmann. "Wir hoffen, auf diese Weise einen Beitrag zur Integration leisten und auch die Betriebe bei der Suche nach Fachkräften unterstützen zu können."

Auch für Lyam Brandt aus Spanien kam die Gesetzesänderung gerade zum rechten Zeitpunkt. Wegen der trüben Zukunftsaussichten im Baugewerbe und der hohen Arbeitslosenquote in dem südeuropäischen Land machte sich der 19-Jährige aus dem Ort Infiesto in Asturien vor einigen Monaten nach Deutschland auf. "Ich wollte nicht so enden wie meine Freunde, die mittlerweile alle keinen Job mehr haben", sagt der gelernte Elektrotechniker.

Die Anerkennung seines spanischen Abschlusses hatte Brandt innerhalb weniger Wochen in der Tasche und einen Arbeitsplatz hat er auch schon gefunden. Ein Elektrobetrieb aus dem schleswig-holsteinischen Ellerau bei Quickborn stellte ihn als Gesellen ein. "Er ist ein pfiffiger und offener Typ, der gut in unser Team passt", sagt Brandts Chef Jens Bollmann.

Allerdings hatte es der 19-Jährige bei seinem Start in Deutschland auch vergleichsweise leicht. Zum einen liegt sein Abschluss als Elektrotechniker nur kurze Zeit zurück, sodass alle notwendigen Unterlagen für den Anerkennungsantrag problemlos zu bekommen waren. Zum anderen hat Brandt nur mit geringen Sprachproblemen zu kämpfen, da er als Sohn deutscher Eltern in Spanien aufwuchs.

Wesentlich mehr Probleme hat hingegen Sinan Bektas, der seinen türkischen Meistertitel als Friseur anerkennen lassen möchte (das Abendblatt berichtete). Nach einem Gespräch hat ihm die Handwerkskammer vor drei Wochen zwar einen Erfolg seines Verfahrens in Aussicht gestellt, doch es fehlen noch Dokumente. Welche Haarschnitte hat Bektas gelernt, wie viel Erfahrung hat er im Rasieren des Bartes? All das wollen die Sachbearbeiter wissen.

In seiner Not hat Bektas nun seinen Bruder in Izmir mit der Beschaffung der notwendigen Unterlagen beauftragt. Der hilft ihm, Steuererklärungen, Zertifikate und Leistungsnachweise der türkischen Behörden und einiger Friseurbetriebe zu organisieren. Auch Bescheinigungen der Universität von Izmir will der Bruder besorgen, an der Bektas vier Semester lang Betriebswirtschaftslehre studierte. Für den türkischen Friseur ist ein Eintrag als Meister besonders wichtig, da er derzeit noch für 1600 Euro im Monat einen deutschen Meister beschäftigen muss, damit sein Salon nicht geschlossen wird.

Immerhin hat Bektas nun eine Chance auf die schnelle Anerkennung seines Berufs. Andere Arbeitnehmer wie Lehrer, Sozialarbeiter oder Ingenieure profitieren noch gar nicht von der neuen Regelung. Für diese Berufe fehlt dem Bund nämlich die Gesetzgebungskompetenz, die Länder müssen jeweils eigene Regelungen dazu verabschieden.

Hamburgs Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) hat zwar bereits eine entsprechende Gesetzesinitiative auf den Weg gebracht, doch sie wird voraussichtlich erst Mitte Juni von der Bürgerschaft verabschiedet.