Jürgen Weber soll neuer Vorsitzender des Aufsichtsrats werden. Vorstandsvorsitzender Michael Behrendt bleibt ein Jahr länger.

Hamburg. Viel Zeit hatte Jürgen Weber nicht, um sich auf seine neue Aufgabe vorzubereiten. Gerade einmal eine Woche ist es her, dass Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) den Ex-Chef der Lufthansa fragte, ob er Aufsichtsratsvorsitzender der Traditionsreederei Hapag-Lloyd werden wolle. "Ich war schon etwas überrascht, habe dann aber aus voller Überzeugung und als Hamburger Bürger zugesagt", berichtet der 70-Jährige, während er im prunkvollen Phönixsaal des Hamburger Rathauses sitzt. "Hapag-Lloyd ist ein tolles Unternehmen, das ich weiter voranbringen möchte."

Voraussichtlich im Juni wird Jürgen Weber das Amt des Chefkontrolleurs von TUI-Chef Michael Frenzel übernehmen. "Herr Weber ist ein profilierter Manager mit vielfältigen Erfahrungen in der Leitung börsennotierter Unternehmen", begründete Bürgermeister Scholz die Entscheidung für den ehemaligen Lufthansa-Chef. Die Stadt hat das Vorschlagsrecht für den höchsten Posten im Aufsichtsrat, da sie durch die Aufstockung ihrer Anteile auf 37 Prozent demnächst zum größten Aktionär von Hapag-Lloyd aufsteigt. Nach einer heftigen Debatte hatte die Hamburgische Bürgerschaft Ende März den Weg für den 420 Millionen Euro teuren Zukauf frei gemacht.

Zusammen mit der Entscheidung für Weber verständigte sich die Stadt auch mit Hapag-Chef Michael Behrendt darauf, seinen eigentlich Mitte 2013 auslaufenden Vertrag noch einmal um ein Jahr zu verlängern. Nach einer angemessenen Ruhephase soll Behrendt dann Mitte 2015 selbst in den Aufsichtsrat wechseln und den Posten von Weber übernehmen. All diese Vorschläge seien ausdrücklich mit dem zweitgrößtenHapag-Aktionär Klaus-Michael Kühne abgestimmt, so der Bürgermeister. Es gehe vor allem darum, die Kontinuität in der Reederei zu gewährleisten: "Hapag-Lloyd soll sich in einem ruhigen Fahrwasser bewegen."

Mit Jürgen Weber als Chefkontrolleur hat sich die Stadt für einen erfahrenen Unternehmenslenker entschieden, der für die erfolgreiche Sanierung und Neuausrichtung der Lufthansa verantwortlich war. Der in Hummelsbüttel lebende studierte Ingenieur manövrierte die Airline in seinen zwölf Jahren als Vorstandschef bis 2003 sicher durch die Krise, in die die Branche nach den Anschlägen des 11. September 2001 gestürzt war. Mitte der 90er-Jahre legteer den Grundstein für das Luftfahrt-Bündnis Star Alliance.

+++ Bürgerschaft gibt 420 Millionen Euro für Hapag-Lloyd frei +++

Ein Schifffahrtsexperte ist Weber zwar nicht. Immerhin kennt er aberHapag-Lloyd, da er von 1992 bis 1998 schon im Aufsichtsrat der Reederei saß. Zudem gibt es aus seiner Sicht zahlreiche Parallelen zwischen Lufthansa und Hapag, die sich beide auf den internationalen Transportmärkten bewegen. "90 Prozent der Probleme in den Branchen sind identisch", so Weber.

Wie alle großen Containerreedereien leidet auch Hapag-Lloyd derzeit unter hohen und weiter steigenden Brennstoffkosten. Ein ruinöser Preiskampf bei den Frachtraten hatte der Branche zudem stark zugesetzt; eine Besserung zeichnet sich nur langsam ab. Im vergangenen Jahr konnten die Hamburger zwar noch einen operativen Gewinn von rund 80 Millionen Euro einfahren, das Nettoergebnis lag aber bei minus 29 Millionen Euro.

Wie die Reederei strategisch auf die Herausforderungen reagieren könnte, ließ Weber gestern offen. "Ich möchte dafür sorgen, dass Hapag-Lloyd als hier beheimatete Reederei der Hansestadt Gewinn und unserem Land vielfältigen Nutzen bringt", sagte er lediglich. Besonderen Wert lege er darauf, dass die Reederei am Standort Hamburg bleibe. Einen Börsengang will der neue Aufsichtsratschef nicht um jeden Preis vorantreiben. "Es geht darum, das zu tun, was für das Unternehmen und die Anteilseigner am besten ist."

Wie viel der neue Chefkontrolleur verdienen wird, wollte gestern weder Weber noch Bürgermeister Scholz verraten. "Ich übernehme diese Aufgabe nicht aus finanziellen Gründen oder um mein Ego zu steigern", betonte Weber, der derzeit noch mehrere andere Aufsichtsratsmandate innehat.

Hapag-Lloyd-Vorstandschef Behrendt freut sich nach eigenen Worten auf die Zusammenarbeit mit Weber, den er bereits seit Langem kennt. Er selbst würde seine Amtszeit als Vorstandschef gern mit einem Börsengang krönen, wofür er aufgrund der Vertragsverlängerung nun ein Jahr länger Zeit hat. Die Möglichkeit, von 2015 an den Aufsichtsratsvorsitz zu übernehmen, bezeichnete er als große Ehre.