Wenn meine Zwillinge Lisa und Kaya bei ihren Großeltern sind, dann genießen sie die Freiheit. Beim “Ausgang“ ist fast alles erlaubt.

Hamburg. An die erste Übernachtung unserer 18 Monate alten Zwillinge bei Oma erinnern wir uns heute noch mit Freudentränen in den Augenwinkeln. Die Mädels wollten nicht schlafen - war ja auch viel zu spannend bei Oma in den Reisebetten. Und anstatt die immer mal wieder wimmernden Babys in ihren Betten liegen zu lassen, wie wir es daheim gemacht hätten, nahm Oma die Kleinen in ihren Schlafsäcken aus den Betten - um 0.30 Uhr. Was dann geschah, mochte Oma beim morgendlichen Abholen nicht verraten. Ihre Augen deuteten einen akuten Schlafmangel an, Auflösung brachte erst Opa: "Sie hat Lisa und Kaja erst etwas vorgelesen, dann bis um zwei Uhr mit ihnen im Wohnzimmer auf dem Boden gespielt. Und schließlich hat sie sich mit ihnen auf eine Decke im Wohnzimmer auf dem Boden gelegt und hat ein paar Stunden geschlafen. Bis kurz vor sechs." Das Grinsen in Großvaters Gesicht ist nicht zu übersehen.

Solche Aben(d)teuer gehören dazu, wenn die Großeltern als Aufpasser einspringen, was grundsätzlich (fast) nur Vorteile hat: eine tolle Enkel-Großeltern-Beziehung genauso wie wertvolle Verbündete für die Eltern in Notsituationen, bei beruflichen Verpflichtungen oder wenn sie einfach mal ohne Kinder ausgehen wollen. Fragen nach einem geeigneten Babysitter, dessen Vorzügen und Nachteilen, eventuell kurzfristigen Absagen bis hin zum Verdienst stellen sich bei Oma und Opa nicht. Omas sind genügsam. Ihnen reicht ein ehrliches Dankeschön - und noch mehr gefallen ihnen natürlich lachende Kinderaugen.

+++ Teil 1 der Serie: Ein gutes Bauchgefühl - jetzt wird alles anders +++

+++ Teil 2 der Serie: Manchmal kommt es anders - Born in the UKE +++

+++ Teil 3 der Serie: Das erste Babyjahr - Mamas neue Lehrstelle +++

+++ Teil 4 der Serie: Wenn Schlaf unter Müttern zum Neidfaktor wird +++

+++ Teil 5 der Serie: Die richtige Ernährung - Es gibt Milch, Baby +++

+++ Teil 6 der Serie: Waldkindergarten: Nass, kalt, aber glücklich +++

+++ Teil 7 der Serie: Medizin: Die Kunst der Befruchtung +++

+++ Teil 8 der Serie: Freizeit & Events: Wetterfrösche sind uns egal +++

+++ Teil 9 der Serie: Recht & Verwaltung - Vor dem Gesetz +++

+++ Teil 10 der Serie: Spielen und Spielzeug - Lasst die Puppen tanzen +++

+++ Teil 11 der Serie: Einkaufen - Ach du dickes Schoko-Ei +++

+++ Teil 12 der Serie: Schule - Mach doch mal eine Pause +++

+++ Teil 13 der Serie: Reisen & Ausflüge - Dem Himmel gern nah +++

+++ Teil 14 der Serie: Probleme & Krisen: Die Quälgeister, die ich rief +++

+++ Teil 15 der Serie: Medien: Die geliebte TV-Soap nach der Schule +++

+++ Teil 16 der Serie: Piks-Ass +++

+++ Teil 17 der Serie: Jetzt ist Väterzeit: Einen Doppelten, bitte +++

+++ Teil 18 der Serie: Schwimmsport: Die kleine Meerjungfrau +++

+++ Teil 19 der Serie: Auf ins Museum: Der letzte Möwenschrei +++

Es gibt jedoch ein großes "Aber", das sich mit einem Satz umschreiben lässt: "Aber bei Oma darf ich das." Vor allem bei Kindergartenkindern sind solche Kommentare sehr beliebt, sobald es im Elternhaus um verbotene Süßigkeiten, verfehlte Tischmanieren oder auch mitten im Raum liegen gelassene Klamotten geht. Dazu wird wahlweise ein extrem wichtiges oder ein leidendes Gesicht aufgesetzt. Lisa und Kaja, inzwischen sechsjährige Zwillingsmädchen, sind Meister dieser Taktik. Soll Lisa vorm Essen ihre Spielsachen einräumen, kommt der berühmte Satz mit dem Verweis auf die Großmutter, begleitet von einem schauspielerisch hochwertigen Schluchzen und der Erklärung: "Aber ich habe doch solchen Hunger ..." Da mag Schwester Kaja nur nickend zustimmen: "Ja, Papa, bei Oma dürfen wir auch zuerst essen."

Bei Oma, das habe ich längst begriffen, ist alles anders. Bei Oma darf unabhängig vom Benehmen nachmittags ein bisschen Fernsehen geschaut werden, bei Oma gibt es keinen Ärger wegen Quengelattacken, es gibt keine Aufräumpflicht und auch kein Schimpfen. Und es wird überall gespielt. Im Wohnzimmer, im Flur, im Schlafzimmer. "Warum eigentlich immer nur Oma?", frage ich meine Töchter, "was ist denn mit Opa?" Kaja erklärt altklug: "Opa sagt dazu nichts. Aber wir fesseln ihn manchmal im Spiel und klauen ihm Gold." Sie greift in ihre Hosentasche und präsentiert breit grinsend zwei 20-Cent-Stücke. Widerstand ist also zwecklos. Widerworte meistens auch.

Ein Schuss Gelassenheit ist gefragt, wenn man die Rolle der Großeltern in den Familienalltag integriert. Es gibt nicht wenige Mütter, die schon mal Probleme mit der ausgeprägten Bevorzugung der Oma durch den eigenen Nachwuchs haben. "Manchmal habe ich das Gefühl, die Kleinen halten mich für eine dauernd schimpfende Nörglerin. Und Oma ist perfekt", hat meine Frau einmal gesagt, nachdem Lisa und Kaja nach einem Oma-und-Opa-Tag wieder einmal allen Regeln und Manieren zu Hause widersprachen - mit Verweis auf die Großmutter. Glücklicherweise handelte es sich nicht um einen Dauerzustand, sondern um eine Ausnahme.

Solche Situationen enthalten gehörige Risiken familieninterner Differenzen. Viele Eltern, auch hier vornehmlich die Mütter, fühlen sich durch meist gut gemeinte Ratschläge der Mutter (meist Schwiegermutter) bevormundet. Sie legen jedes Wort der Sprösslinge auf die Goldwaage, sehen sich in einer nicht vorhandenen Konkurrenz und lassen das Wichtigste außer Acht: das Wohlbefinden ihrer Kinder und den Vorteil einer guten Beziehung zwischen Nachwuchs und Großeltern. Denn die sind meist die besten und vertrauenswürdigsten Babysitter.

In Haushalten mit zwei Berufstätigen gehören "Oma-und-Opa-Tage" zum Wochenalltag, sofern die Großeltern in besuchbarer Nähe leben. "Bei Oma gibt es morgen wieder Pfannkuchen, da freue ich mich drauf", sagt Kaja. Lisa hat auch noch etwas anzumerken: "Mama, wann dürfen wir denn endlich mal wieder bei Oma schlafen? Das bringt immer so viel Spaß." Die Frage nach dem heimischen Spaßfaktor verkneift sich meine Frau. So anstrengend die Glorifizierung der Oma manchmal ist, so sorgenbefreiend ist das tolle Verhältnis auch.

Lisa und Kaja planen schon ihren nächsten Ausflug zu den Großeltern. "Wenn wir mit Oma zum Schwimmen gehen, dürfen wir auf dem Rückweg immer auf Opas Fahrrad sitzen. Und Oma erzählt ausgedachte Geschichten von der kleinen Spitzmaus", sagt Kaja stolz. Ich entgegne zaghaft, dass sie den kurzen Weg nach Hause ruhig mal laufen könnten. "Faule Rüben seid ihr, ich glaube, ich muss mal mit Oma darüber reden", sage ich. Die beiden setzen ein spitzbübisches Lächeln auf: "Oh, Papa. Das hilft auch nicht. Bei Oma ist alles anders, da ist sie der Chef", sagen sie im Einklang. Okay, gewonnen, keine Widerworte.

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