10 000 Fans feierten bei den Live-Übertragungen auf dem Kiez. Einige kamen eigens aus Island, Spanien, Australien und Aserbaidschan nach St. Pauli.

Hamburg. In Düsseldorf schnitt Lena durchaus respektabel ab - Platz zehn. In Hamburg hingegen war es auch in diesem Jahr spitzenmäßig in puncto Grand-Prix-Feierei. Ob beim Rudelgucken in der Fischauktionshalle und in den Kneipen rund um die Reeperbahn oder bei der offiziellen ARD-Party auf dem Spielbudenplatz - die Hansestadt feierte den Eurovision Song Contest, als fände er nicht am Rhein, sondern zwischen Alster und Elbe statt. Fand er ja auch zeitweise, schließlich kam die deutsche Punktevergabe aus St. Pauli.

Sonnabend, um kurz nach 21 Uhr auf dem Kiez: Fans aus aller Welt feiern an der Reeperbahn. "Auf Ina Müller und ihre Ansage freuen wir uns sehr, die Frau soll ja so lustig sein", kreischen Grindavik, Thora, Bekka, Rebekka und Lara kurz nach Beginn der Live-Übertragung aus Düsseldorf. Das fröhliche Damenquintett ist eigens aus Island angereist ("Unsere Nachnamen sind zu kompliziert!") und schunkelt mit Heimatfahnen in den Händen vor der Absperrung der NDR-Party, die aus Sicherheitsgründen auf 5000 Besucher beschränkt ist. Die Frauen in den Fünfzigern johlen: "Wir lieben den Grand Prix und Hamburg - jetzt mussten wir mal beides verbinden."

Zugang zu der von Matthias Opdenhövel moderierten Party bekommen in diesem Jahr nur Fans, die sich rechtzeitig einen Einlasscoupon für 1,50 Euro besorgt hatten. Zwar sieht's hinterm Zaun stellenweise etwas leer aus, doch die große Stimmung stopft die Löcher im Publikum: Dies- wie jenseits der Absperrung singen, summen und tänzeln die Menschen mit, wie beispielsweise bei der mitreißend-irren Darbietung der irischen Zwillinge Jedward ("Lipstick"). Diese Nummer findet auch bei Julio und Gaspar Sanchez Anklang: "Cool!", urteilen die beiden 28-jährigen Spanier - die selbst Zwillinge sind. Sie stehen in der Nähe ihrer isländischen Fan-Kameradinnen - und hören nun, dass es in der Fischauktionshalle ebenfalls ein Public Viewing gibt. "Hamburg ist echt 'ne Songcontest-Hauptstadt", staunen sie und machen sich mit einem gut gelaunten "Vamos!" auf den Weg.

In der mit drei Großleinwänden und mehr als 1000 Menschen gefüllten Fischauktionshalle finden die Brüder Sanchez viele Gleichgesinnte aus dem Ausland: Zigfach schwenken die Fans hier Fahnen aus aller Herren Länder. Zum Beispiel die blau-weiß-rote Trikolore von Michael Joost, 25. Der Australier ist extra aus Sydney (!) eingeflogen, um sein Lieblingsland Frankreich zu bejubeln: "Warum ausgerechnet Hamburg? Weil ich schon oft hier war und jedes Mal Lust auf mehr bekommen habe." Etwas anders argumentieren die Aserbaidschaner Ramin Gurbanov, 23, Emil Hajijev, 24, Ilyas Aghamaliyev, 22, und Waël Berjass, 30: "Wir studieren in Bremen - aber da geht nix." Dass mit dem Grand-Prix-Beitrag ihres Heimatlandes etwas gehen könnte, ein Platz ganz vorne nämlich, da sind sich die Herren indes schon jetzt, gegen 22 Uhr, sicher. Fest steht zudem: In Sachen Party und Internationalität kann sich Hamburg getrost zwölf Punkte geben.

Zurück zum Spielbudenplatz. Der Weg hierher führt an ungezählten Kneipen mit eingeschalteten Fernsehern vorbei - alle paar Meter bejubelt der Kiez gerade Lenas großen Auftritt. Gejubelt wird übrigens zur selben Zeit auch in Hannover: Etwa 12.000 Menschen feiern den Grand Prix in Lenas Heimatstadt, angefeuert von den Sängern Laith al-Deen und Johannes Oerding, dem Freund Ina Müllers.

Die Entertainerin selbst steht in diesem Moment auf der Spielbudenplatz-Bühne und verkündet die Punkte aus Deutschland (siehe Seite 9). Die Menge rundherum feiert jeden Punkt, den ein anderes Land Lena gibt. Jubel auch bei den mehrmals im Fernsehen eingeblendeten Hamburg-Impressionen zwischen den Wettbewerbsbeiträgen. Und bei den Stardarbietungen: von Jan Delay in Düsseldorf und von Aloe Blacc, den Söhnen Mannheims, Frida Gold, Selig und Juli auf St. Pauli. "Hamburg is flipping out", hat Ina Müller live im TV gewitzelt - vor 55 Ländern, die das Spektakel übertrugen. Und damit ausgesprochen, was der Kiez gerade fühlen lässt: Hamburg und der Grand Prix, das war mehr als nur respektabel.