Tausende Jugendliche in Hamburg finden keinen Ausbildungsplatz. Dabei gibt es viele Angebote. 3937 Plätze sind als unbesetzt gemeldet.

Hamburg. Ein wenig frustriert ist sie schon. Vor allem weil sie viel Zeit investiert hat, um eine ordentliche Bewerbung zu schreiben. Die Eltern haben sogar darübergeschaut. Aber sie hatte täglich neue Absagen im Briefkasten. Viel Zeit bleibt ihr nun nicht mehr bis zum Schulabschluss. Ein Ausbildungsvertrag ist trotzdem nicht in Sicht. Seit Monaten kreisen Mandy Kruses Gedanken permanent um das Thema Ausbildung. Gleiches gilt für viele andere Jugendliche in Hamburg. Die 16-Jährige ist engagiert, motiviert. Aber langsam beginnt sie zu zweifeln, ob sie bis zum 1. August noch eine Lehrstelle finden wird. "Ich habe mich in zwei Bereichen, als Buchhändlerin und medizinische Fachangestellte, beworben. Aber bisher hatte ich kein Glück", sagt die Schülerin aus Rahlstedt. "Über 30 Bewerbungen habe ich geschrieben, wurde aber nur zu einem einzigen Gespräch eingeladen. Die Buchhandlung hat sich dann für einen Abiturienten entschieden."

Mandy Kruse ist nicht die einzige Schülerin, die mit ihren Bewerbungen keinen Erfolg hat. "Wir haben derzeit 2285 Jugendliche in der Kartei, die bisher nicht vermittelt werden konnten", sagt Rolf Steil, Chef der Hamburger Agentur für Arbeit, dem Abendblatt. Das Überraschende: Bei der Agentur sind zugleich 3937 Ausbildungsplätze als unbesetzt gemeldet. Angebot und Nachfrage passen folglich nicht zusammen.

Gebäudereiniger oder Lagerist sind wenig gefragt

"Viele junge Menschen kommen zu uns in die Beratung, ohne eine konkrete Vorstellung darüber zu haben, wo es beruflich einmal hingehen soll", sagt Steil. Besonders die unbekannten oder die von vielen als unattraktiv angesehenen Jobs seien schwer zu besetzen. Hier fehle den Firmen der Nachwuchs. "Eine Ausbildung zum Gebäudereiniger oder Lageristen treten die Jugendlichen nicht gerne an." Anstatt sich für eine Ausbildung zu bewerben, streben dann viele einen höheren Schulabschluss an - oftmals nur als Notlösung. "Generell ist mehr Qualifikation eine gute Sache, aber für einige sind die Ziele vielleicht ein wenig hochgesteckt. Die Jugendlichen wären mit einer Ausbildung besser beraten. Auch damit kann man später Karriere machen."

Fin Mohaupt, Leiter der Ausbildungsberatung der Handelskammer Hamburg, sieht ein Problem in der fehlenden Flexibilität der jungen Menschen. "Die Jugendlichen sollten auch rechts und links von ihrem scheinbaren Traumberuf schauen. Denn vielen sind die Möglichkeiten, die der Arbeitsmarkt bietet, nicht bekannt. Es gibt schließlich Hunderte Ausbildungsberufe." Auch ihm gelingt es nicht, alle Ausbildungsplätze zu besetzen, die die Handelskammer vermitteln kann.

Viele Ausbildungssuchende sind von der Arbeitsagentur nicht erfasst

Olaf Schwede, Sprecher der Hamburger DGB-Jugend, sieht die Lage auf dem Ausbildungsmarkt dramatischer. "Lediglich sieben Prozent der gemeldeten Jugendlichen sind aus dem diesjährigen Abschlussjahrgang", so Schwede. "Und das ist bei einer Anzahl von insgesamt 21 700 Abgängern nicht besonders viel. Und die müssen ja auch irgendwo untergebracht werden. Ich denke nicht, dass man von einer ausreichenden Versorgung sprechen kann."

Sönke Weisner, Geschäftsführer eines Kommunikationstechnikunternehmens, hat massive Probleme, qualifizierte Auszubildende zu finden. Deshalb hat er seine Stellenangebote an die Arbeitsagentur weitergegeben. "Bei vielen der Bewerber mangelt es an Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und Arbeitsmotivation", so Weisner. Der Unternehmer sucht Auszubildende zum Elektroniker im Bereich Geräte und System. "Es ist schon eine sehr anspruchsvolle Arbeit, bei der man Verständnis für Physik und Mathematik mitbringen muss. Und das hat leider nicht jeder."

Die Arbeitsagentur startet eine Vermittlungsoffensive

Um möglichst vielen Jugendlichen noch in diesem Jahr den Einstieg ins Berufsleben zu ermöglichen, startet die Hamburger Arbeitsagentur mit einer Vermittlungsoffensive. Unter der Telefonnummer 24 85 11 13 kann innerhalb kürzester Zeit ein Beratungstermin vereinbart werden, das bestenfalls bereits am selben Tag ohne viel bürokratischen Aufwand stattfinden kann.