Hamburg. Gastronomen müssen seit 2011 Lärmschutzschirme aufstellen – für mehrere Tausend Euro. Das sorgt bei einigen für Stirnrunzeln.

Die Sternschanze in Hamburg ist bekannt für eine lebendige Kultur- und Gastronomieszene. Doch hinter den bunten Fassaden und an den quirligen Straßen tobt seit Jahren ein Streit: die Debatte um Außengastronomie und Lärmschutz. Denn einige Anwohner klagen über zu viel Lärm.

Die Einführung von Lärmschutzschirmen im Jahr 2011 markierte einen Wendepunkt in diesem Konflikt. Wegen anhaltender Beschwerden wurden einige Wirte entlang der Susannenstraße verpflichtet, diese besonderen Schirme aufzustellen. Doch die Wirksamkeit war schwer nachzuweisen, und die Kosten für ihre Anschaffung belasteten die Gastronomen. Und wie sieht es heute aus? Auf Nachfrage teilte das Bezirksamt mit, dass die Schirme nach wie vor verpflichtend seien.

Schanze Hamburg: Lärmschutzschirme sind nur in Susannenstraße Pflicht

Hintergrund: Im September 2008 hatte die Bezirksversammlung Altona beschlossen, dass vorhandene Parkbuchten in der Susannenstraße auf Kosten der Gastronomen gepflastert und so als Sommerterrassen genutzt werden dürfen, erklärt Bezirksamtssprecher Mike Schlink. Somit ist die Außengastronomie seit Mitte August 2011 nur noch auf diesen speziell hergestellten Flächen erlaubt. Der Beschluss erfolgte, um sicherzustellen, dass eine Gehwegbreite von mindestens 1,50 Metern erhalten bleibe.

Doch um den Immissionsschutz zu verbessern, müssen seither Lärmschutzschirme verwendet werden – sie sollen die Lautstärke minimieren und müssen während der gesamten Betriebszeit geöffnet sein. „Grundlage für die Einführung beziehungsweise Pflicht der Lärmschutzschirme war eine von Anwohnenden initiierte lärmtechnische Voruntersuchung aus dem Mai 2011“, sagt Schlink.

Seit mehr als einem Jahrzehnt: Wie wirkungsvoll sind Lärmschutzschirme?

Außerdem wurde die abendliche Betriebszeit damals um eine Stunde verkürzt. Das bedeutet: In der Susannenstraße darf die Außengastronomie von Sonntag bis Donnerstag bis 22 Uhr, am Wochenende bis 23 Uhr geöffnet haben – eine Stunde früher als an anderer Stelle, wie beispielsweise dem direkt um die Ecke liegenden Schulterblatt.

Die Spezialschirme sollen den Lärm für Anwohner um etwa zwei bis drei Dezibel (A) verringern – eine Maßeinheit, die zur Bewertung von Schallpegeln verwendet wird und deren Skala die Empfindlichkeit des menschlichen Gehörs nachahmt. Doch für Anwohner hatte sich damals durch die verpflichtende Maßnahme nicht viel verbessert – einige beklagten, dass sich viele Menschen durch die neuen Schirme auch bei schlechtem Wetter draußen aufhielten.

Wirte in der Susannenstraße, die Parkbuchten als Terrassen nutzen, müssen Lärmschutzschirme aufstellen.
Wirte in der Susannenstraße, die Parkbuchten als Terrassen nutzen, müssen Lärmschutzschirme aufstellen. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

Wie wirkungsvoll sind die Lärmschutzschirme also in der Susannenstraße? Der Bezirksamtssprecher sagt dazu: „Eine Studie der FH Rosenheim aus 2010 hatte – je nach Modellierung der Berechnung, Ausgestaltung der Schirme und Immissionsort – eine Lärmreduktion zwischen 2,2 und mehr als 5 Dezibel (A) aufgezeigt.“ Aus Sicht des Bezirksamts habe die Studie bislang ausreichend Erkenntnisse geliefert, so Schlink. Deshalb seien die Schirme für Wirte auch bis auf Weiteres verpflichtend, eine Änderung der Vorlage sei nicht vorgesehen.

Schanze: Restaurants in der Susannenstraße müssen Schirme anschaffen

Wer als Wirt vorhandene Parkbuchten für Außenplätze nutzt und keinen Lärmschutzschirm aufstellt, muss mit einem Bußgeld rechnen. „Ein Verstoß gegen die Auflagen einer Sondernutzungserlaubnis stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. Eine Strafandrohung ist gesetzlich nicht vorgesehen“, sagt Schlink. Damit die Nutzungsgenehmigung allerdings Bestand haben soll, müssten die Schirme nachgerüstet werden.

Das Bezirksamt prüfe das ohne festen Rhythmus im Rahmen der regulären Außengastronomie-Kontrollen. Wie viele Verstöße seit Einführung der Schirme ermittelt wurden, werde nicht gesondert erfasst, so der Bezirksamtssprecher.

Politikerin in Altona über die Schirm-Pflicht: „Jeder Gastronom macht, was er will“

Eine stärkere Kontrolle wünscht sich die SPD-Fraktion Altona. „Hier ist das Bezirksamt in der Pflicht, entschiedener zu kontrollieren“, sagt Gregor Werner, Vorsitzender der SPD Altona Nord-Sternschanze. Die Lärmschutzschirme seien allein nicht ausreichend, aber doch ein suffizienter Teil des Schallschutzes. Dieser Annahme pflichtet auch Sven Hielscher von der CDU Altona bei: „Um Bewohner zu schützen, hat man diese Schirme verpflichtend eingeführt. Das hat sich auch relativ gut bewährt.“

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Cornelia Templin von der Linken in Altona, die in der Bezirksversammlung unter anderem für Verbraucherschutz zuständig ist, spricht sich auch für die Lärmschutzschirme aus, „um die Lärmemissionen für die Anwohner und Anwohnerinnen zu reduzieren“.

Doch aktuell gebe es ihrer Meinung nach zu wenige Schirme in der Susannenstraße. „Grund ist die fehlende Kontrolle und damit verbundene Bußgelder oder die Anordnung zur Herstellung ordnungsgemäßer Zustände durch das Fachamt Verbraucherschutz, sodass jeder Gastronom macht, was er will.“

Schanze Hamburg: Gastronomen in der Susannenstraße zeigen Unverständnis

Ein Besuch in der Susannenstraße zeigt: Rund die Hälfte der Gastronomiebetriebe hat die vom Bezirk auferlegten Lärmschutzschirme in Gebrauch. Diese kosteten die Betreiber bis zu 4500 Euro. Ein Lokal wartet aktuell noch auf die Lieferung der schallschützenden Schirme.

„Wir halten uns an alle Regeln, haben die Lärmschutzschirme, seitdem sie Pflicht sind, darüber hinaus noch eine Markise mit Schallschutz“, sagt ein Wirt aus der Susannenstraße, der anonym bleiben möchte. Doch einige zeigen auch Unverständnis über die Auflage und deren Handhabe – sie kritisieren etwa, dass gastronomische Betriebe am Schulterblatt entsprechende Vorgaben nicht erfüllen müssten und sogar länger geöffnet haben dürften.