Hamburg. Bei vier Grad ins Wasser: Jede Woche treffen sich die Eisbademeisters am Strand von Oevelgönne – und immer mehr machen mit.

Erst ist es schrecklich, und dann wird es schön. Eisbaden ist nichts für Zweifler und Zögerliche, denn am besten klappt es, in die nur 4,3 Grad kalte Elbe in Hamburg zu gehen, wenn man nicht lange darüber nachdenkt, sondern einfach macht. Den Verstand auszuschalten, kann helfen. Das ist eine Taktik, aber jeder Mensch ist da individuell.

Manche gehen nur bis zum Bauch hinein, langsam, Schritt für Schritt. Andere laufen drauflos und stürzen sich regelrecht ins Wasser. 175 Wagemutige kamen am Sonnabend an den Elbstrand in Oevelgönne in Höhe der Strandperle, um in die Elbe einzutauchen. Für den guten Zweck.

Eisbaden in der Elbe in Hamburg: Wenn der Schmerz nachlässt und sich Glück breitmacht

Schrecklich ist es im eiskalten Wasser. Es tut weh. Doch wenn der Schmerz nachlässt, wenn man später dick eingemummelt am Elbstrand mit einer Tasse Tee steht und das Leben zurückkehrt in den Körper, ist das wunderschön, weil Körper und Geist hellwach sind und die Glückshormone zuschlagen.

Beim Eintauchen in das kalte Nass schüttet der Körper Stresshormone aus. Winterschwimmer oder Eisbader sehen das als positive Stressreaktion und berichten über ein euphorisches Gefühl nach dem Bad.

Eisbaden in der Elbe – hinein ins Vergnügen!

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    So hat es auch Sönke Padeken bei seiner Eisbade-Premiere erlebt. „Beim ersten Mal hatte ich Angst“, erzählt der 35-Jährige aus Eppendorf, der hier am Sonnabendmorgen um kurz vor 11 Uhr steht und gleich vorhat, in der Elbe schwimmen zu gehen. Sein erstes Mal war vor vier Wochen. Er hatte seine Angst schließlich überwunden und war gleich fünf Minuten im Wasser geblieben. Respekt!

    „Wie der Körper auf die Kälte reagiert, war überwältigend“, sagt der Vermögensverwalter. Erst sei ihm schwindelig geworden, schwarz vor Augen sogar. „Dann macht sich ein Kribbeln über den ganzen Körper breit und es wird einem wieder warm.“ Den Rest des Tages, erzählt er noch, habe er sich gefühlt wie ein 20-Jähriger.

    Eisbademeisters Hamburg rufen zwischen November und Ende Februar zum Eisbad auf

    Nun also soll es wieder so weit sein. Er ist gemeinsam mit Kollegen hier, um ins kalte Wasser zu gehen. Nicht einfach nur für das gute Körpergefühl danach, sondern für den guten Zweck. Denn organisiert wird diese Massenbewegung von Katharina Lohse und ihren Mitstreitern von „Eisbademeisters Hamburg“. Seit Ende Januar 2021 rufen sie zwischen November und März regelmäßig dazu auf, in der Elbe zu schwimmen und damit Spenden für verschiedene Institutionen zu generieren.

    Meist sind es Hilfen für Obdachlose, aber nicht ausschließlich. „Die großen Spendensummen kommen von Paten, die die einzelnen Organisationen unterstützen“, so Lohse. Die 2500 Euro vom vergangenen Wochenende spenden zum Beispiel die Alsterfood GmbH und der Hof Vollmers dem Arztmobil Hamburg.

    Hamburg-Altona: Eisbademeisters sammeln Spenden für Obdachlose

    Vor Ort steht außerdem immer eine Spendendose. Gemeinsam möchten Katharina Lohse und ihre Mitstreiter auf die schwierige Situation von Bedürftigen in der kalten Jahreszeit aufmerksam machen. Dafür geht auch die 47-Jährige jedes Mal mit ins kalte Wasser.

    Obwohl sie nach eigener Aussage eher Typ Frostbeule ist, mag sie Eisbaden. „Auch wenn man es schon länger macht, stellen sich danach immer noch Glücksgefühle ein“, sagt sie. „Gerade nach einer Arbeitswoche wird man so wieder resettet und auf null gebracht.“

    Ursprünglich kommen die Eisbademeisters – das S am Ende gehört so, auch wenn es grammatikalisch nicht richtig erscheint – aus Rostock. Katharina Lohse hat das Event nach Hamburg geholt und lädt jede Woche freitags oder sonnabends zum Massen-Eisbaden für den guten Zweck ein.

    Eisbaden in Hamburg ist ein soziales Event: Gemeinsam fällt es leichter, sich zu überwinden

    Eisbaden als soziales Event, das ist nicht nur hier am Elbstrand so. Auf Föhr hat Uwe Stammer das tägliche Bad in der Nordsee etabliert und geht gemeinsam mit jedem, der möchte, ins Wasser.

    Weil an diesem Sonnabend so viele Menschen am Elbstrand stehen, sind sogar zwei Polizeibeamte gekommen, um nach dem Rechten zu gucken. Sie wollen wissen, ob es Rettungsschwimmer und Ordner gibt. Beides kann Michael, der Mann von Katharina Lohse, bejahen.

    Mindestens ein Arzt ist dieses Mal auch vor Ort. Denn Faisal Ahmadiar vom Arztmobil möchte nicht nur Spendengelder empfangen, sondern dabei sein im Wasser. Jeder könne das machen, sagt der 49-Jährige. „Vorausgesetzt, man ist gesund.“ Manche Mediziner sagen, alles unter sechs Grad sei risikofreudiges Eisbaden und nicht immer zu empfehlen. Ahmadiar ergänzt: „Wer krank ist, sollte das natürlich nicht machen. Und man sollte nicht zu abrupt rein und nicht zu lange im Wasser bleiben.“ Zum Aufwärmen hat der Mediziner warmen Früchtetee mitgebracht.

    Eisbaden in Hamburg: Es ist doch einfach nur kaltes Wasser

    Und dann kann es auch losgehen, die Meute bewegt sich Richtung Elbe. Das hat etwas von Kindergeburtstag, Klassenfahrt und einer ausgelassenen Party gleichzeitig: Jauchzend und johlend, schreiend und völlig überdreht gehen sie ins Wasser. Mitreißend ist das. „Ich habe schon oft erlebt, dass jemand spontan in Unterhose mit ins Wasser kommt“, sagt Katharina Lohse. Für solche Fälle leiht sie gern ihr Handtuch aus.

    Wer hier noch schlechte Laune hat, ist selber schuld. Die Masse trägt einen, macht es leichter, sich zu überwinden. Und ganz ehrlich: Was ist denn schon dabei? Es ist doch einfach nur kaltes Wasser.

    Oder wie es Kerstin Graumann formuliert: Sterben ist schlimmer. Und das ist nicht nur so ein Spruch. Denn die 52-Jährige war Krebspatientin. „Ich nutze das Eisbaden seit drei Jahren, um wieder auf die Füße zu kommen und für alle, die mich begleitet haben, die inzwischen an Krebs verstorben sind. Für die mache ich das, jedes Mal. Die anderen sind tot, ich nicht. Dann macht mir die Kälte nichts.“

    Hamburg-Altona: Einer der jüngsten Teilnehmer ist 15, eine der älteren 65 Jahre alt

    Die Menschen hier sind bunt gemischt. Von alt bis jung, Männer, Frauen. Da ist Merve Cukurova aus Istanbul, die gerade nach Hamburg gezogen ist und sich freut, in die kalte Elbe zu gehen. „Ich mache das immer am Bosporus zu jeder Jahreszeit.“ Aha, eine Profi-Kaltbaderin also. Obwohl: „Das Kälteste am Bosporus waren zehn bis 15 Grad“, sagt sie noch. Na ja, da geht noch mehr. Willkommen in Norddeutschland!

    Mit seinen 15 Jahren gehört Oscar Hinze heute zu den Jüngeren, und Christiane Mettlau mit ihren 65 Jahren zu den Älteren. Sie ist hier, um ihre Mitstreiter dazu zu bewegen, ebenfalls regelmäßig mit den Eisbademeisters in die Elbe zu steigen. „Ich bin bei Omas gegen Rechts und will die anderen Omas dazu bringen, mit Plakaten und Schildern hier ins Wasser zu gehen.“

    Sie hat schon in der Nordsee vor Wangerooge kalt gebadet, so bei zehn Grad, aber die viereinhalb Grad in der Elbe schafft sie dann doch. Karoline Peters aus Alsterdorf hat heute ihren 48. Geburtstag und feiert diesen mit einem Eisbad. Sicherlich wird das ein unvergesslicher Geburtstag.

    Elbe: Eisbaden in Hamburg – im kalten Wasser frieren und dabei Gutes tun

    Jörg Maier aus Hoheluft-Ost ist zum dritten Mal dabei. Der 46-Jährige hat sich sogar vorbereitet: „Ich habe angefangen, kalt zu duschen. Da ist das hier nur die logische Konsequenz. Wenn ich ohnehin ins Wasser gehe, kann ich dabei auch noch Gutes tun.“ Hier, umgeben von netten Menschen, sei das besonders schön. „Das ist ein toller Teil von jedem Wochenende.“

    Seine Taktik: „Ich habe die Badehose schon drunter, ziehe meine Klamotten aus und dann rein.“ Profitipp: Damit die Füße beim Aus- und wieder Anziehen nicht auskühlen, ein kleines Fußhandtuch nicht vergessen.

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    Um 11.30 Uhr ist schon wieder alles vorbei und die meisten stehen wieder dick angezogen am Strand. Nur einige Hartgesottene bekommen nicht genug. Was sie nach dem kalten Bad vereint: Alle sind glücklich, man sieht nur strahlende Gesichter.

    Die nächsten Termine der Eisbademeisters Hamburg: 26. Dezember um 14 Uhr, 31. Dezember um 12 Uhr. Am Silvestertag kommt es auf jeden Einzelnen an. Denn dort spendet ein Pate 30 Euro für jeden Badenden.