Altona-Nord. In der Kaiserzeit marschierten hier im Hof Soldaten zum Appell auf, später war der Ende des 19. Jahrhunderts errichtete Backsteinbau ein Polizeiquartier, dann nutzten die Uni, das Altonaer Eichamt und auch der Zoll die Räume.
Nun soll die ehemalige Viktoria-Kaserne in Altona zu einem „Gegenmodell“ in der Stadtentwicklung werden. Eine Art Trutzburg für Künstler, Freiberufler und kleine Handwerksbetriebe, die in dem aufstrebenden Bezirk immer seltener Platz mit günstigen Mieten finden, wie die Initiatoren des Projekts sagen. Auch Kultursenatorin Barbara Kisseler (parteilos) sprach am gestrigen Donnerstag von einem „Gegenmodell“, das nun dauerhaft gesichert sei. „Es ist zwar noch kalt hier“, sagte die Senatorin in Anspielung auf die marode Heizungsanlage – aber ihr sei nun doch sehr warm ums Herz geworden. Wenige Stunden zuvor hatten Behördenvertreter und die neu gegründete Genossenschaft „fux eG“ einen Kaufvertrag unterzeichnet.
Die 168 Mitglieder kaufen der Stadt das wuchtige Gebäude an der Bodenstedtstraße für 1,85 Millionen Euro ab und verpflichten sich, es in den nächsten Jahren denkmalgerecht zu sanieren. Der Kaufpreis wird in Raten gezahlt, der Senat beteiligt sich an den Sanierungsarbeiten zudem mit einer Anschubfinanzierung in Höhe von 400.000 Euro. Im Gegenzug hat sich die Genossenschaft weiter verpflichtet, die alte Kaserne 30 Jahre lang zu mindestens 60 Prozent für künstlerische und vergleichbare Zwecke zu nutzen.
Schon jetzt arbeiten dort Künstler wie Musiker und Maler, aber auch Grafiker, freie Journalisten und Handwerker wie eine Polsterin und ein Baumpfleger. Auch der Chaos Computer Club ist Mitglied der Genossenschaft, die in den kommenden Jahren in die Sanierung rund fünf Millionen Euro investieren will. „Die erste Million haben wir schon zusammen“, sagte Frank John, der im Vorstand der fux eG die Finanzen regelt und sich selbst schon einmal gern als „kommunistischer Buchhalter“ bezeichnet.
Eng verknüpft ist die neue Nutzung der alten Kaserne mit zwei Streitfällen über andere Bauprojekte in Altona. So ist die neue Genossenschaft im Kern ein Zusammenschluss einer Künstler- und einer Handwerker-Initiative, die mit ähnlichen Problemen bei der Suche nach günstigen Räumen zu kämpfen hatten und die beide Teil der „Recht-auf-Stadt“-Bewegung in Hamburg sind. Viele der Genossenschaftskünstler waren zuvor in dem Betonklotz und Ex-Karstadt-Haus „Frappant“ an der Großen Bergstraße als Zwischennutzer beheimatet. Als das Gebäude 2009 für das neue Ikea-Haus in Altona abgerissen werden sollte, begann eine engagierte Diskussion im Bezirk über Ausweichlösungen. Schließlich konnten die Frappant-Künstler zum Teil in die alte, zu großen Teilen brachliegende Kaserne umziehen, die der Stadt gehörte.
Schon jetzt mehr Bewerber als freien Platz
Unter dem Namen „Lux & Konsorten“ machten zur etwa selben Zeit auch Gewerbetreibende und Selbständige aus Altona Schlagzeilen: Sie verhüllten aus Protest gegen steigende Mieten und Verdrängung das leer stehende Electrolux-Gebäude an der Max-Brauer-Allee, wo seinerzeit ein großer Investor Wohnungen plante und schließlich auch baute. Auch für sie war die Kaserne schließlich als Zwischennutzung gedacht. Doch immer wieder wegziehen müssen – das wollten Künstler und Handwerker nicht mehr. Auch sahen sie die Gefahr, die Kaserne auf eigene Kosten „hübsch zu machen“, nur damit sie von der Stadt dann irgendwann doch wieder an Investoren verkauft wird.
Vor etwa zwei Jahren begann dann eine andere Entwicklung, an deren Ende nun die Gründung der Genossenschaft und der Kauf stehen. Trotz der hohen Sanierungskosten und Risiken bei der Schadstoffbelastung habe man sich zu dem Kauf entschlossen, so heißt es bei der fux eG. „Wir haben die Kröten geschluckt. Denn zum einen sind wir es leid, verdrängt zu werden. Und zum anderen gebe es schlicht und einfach keine Flächen mehr in Altona, wo man auch nur ansatzweise ein solches Projekt eines Gegengewichts zur fortschreitenden Kommerzialisierung hätte realisieren können.“
Konkret sieht das Genossenschaftsmodell nun vor, dass Mitglieder für mindestens 3000 Euro Anteile kaufen müssen, um Räume zu mieten. Die Grund-Kaltmiete beträgt 4,80 pro Quadratmeter, es gibt aber auch günstigere Varianten etwa für Ausstellungsräume. Als Ausgleich sind die künftigen Büromieten hingegen etwas teurer.
Etwa 8000 Quadratmeter Nutzfläche steht derzeit zur Verfügung, laut Plan soll diese Fläche aber bald auf rund 10.000 Quadratmeter erweitert werden. Vorrangig aber, so hieß es, müssten Dach und die Heizung saniert werden. Zudem wolle man sich zum Stadtteil hin „öffnen“ und den Haupteingang zur Bodenstedtstraße verlegen. Auch kleine Läden könnte es dort irgendwann einmal geben.
Auf etwa 200 Mitglieder soll die Genossenschaft noch wachsen. Ein Problem dürfte das nicht werden, der Bedarf für solche günstigen Räume scheint noch immer groß zu sein in Altona. Vorstandsmitglied Katrin Bahrs: „Wir haben schon jetzt viel mehr Anfragen als Platz.“
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