Das historische Gebäude als Konzerthaus? Umbaupläne für das Kulturzentrum stoßen bei Besetzern, Anwohnern und Besuchern auf Unverständnis.

Sternschanze . Auf den ersten Blick ist alles beim Alten auf dem Platz gegenüber der Roten Flora: Pärchen sitzen an Biertischen und essen portugiesische Croissants, Familien flanieren über die Piazza, junge Männer und Frauen schlürfen Latte macchiato und Bier. Doch immer wieder wandern die Blicke der Menschen zu dem von Linksautonomen besetzten Gebäude auf der anderen Straßenseite, an dem ein Plakat hängt: „Wer das kaufen will, muss Stress mögen“ steht darauf. Der Plan des Eigentümers Klausmartin Kretschmer, der vergangene Woche den Umbau des früheren Theatergebäudes zu einem sechsstöckigen Kultur- und Veranstaltungshaus ankündigte, ist an diesem Sonntagmittag das wichtigste Gesprächsthema am Schulterblatt.

Auch die Aktivisten der Roten Flora, die das Gebäude seit 1989 besetzt halten, haben sich inzwischen zu den Plänen geäußert. „Für uns sind die skizzierten Pläne eine geschichtsvergessene und groteske Wiederauflage des ,Phantom‘-Projekts aus dem Jahre 1987“, hieß es in einer Stellungnahme. „Genau wie seinerzeit Friedrich Kurz mit seinem Musicalabenteuer, so werden auch Gert Baer und die hinter ihm stehenden Investoren Schiffbruch erleiden.“ Gert Baer ist Berater von Klausmartin Kretschmer.

Die Gruppe nimmt damit Bezug auf Andrew Lloyd Webbers „Phantom der Oper“ – um dieses Musical am Schulterblatt zeigen zu können, sollte die „alte“ Flora 1987 umgebaut werden. Eine Gruppe junger Aktivisten besetzte das Gebäude daraufhin. „Es zeugt von einem totalen Realitätsverlust zu glauben, das Projekt Rote Flora würde sich an Plänen beteiligen, die sich gegen all das richten, wofür wir seit Jahrzehnten politisch und praktisch kämpfen“, heißt es weiter. Am Donnerstag soll eine Vollversammlung über das weitere Vorgehen beraten.

Viele Anwohner und Besucher des Stadtteils unterstützen die Aktivisten der Roten Flora in ihrer Meinung. „Diese ständigen Verkaufsgerüchte führen nur zu Chaos. Und das hatten wir schon früher in der Hafenstraße“, sagt etwa Peter Beckmann. Die Pläne von Herrn Kretschmer seien furchtbar und sollten schnell vom Tisch. Der 64-Jährige ist häufig mit seiner Frau Bärbel in der Schanze unterwegs. Die Rote Flora gehört für die beiden zum Stadtteilbild. „Statt in die Elbphilharmonie sollte die Stadt lieber Geld in die Rote Flora stecken und den Autonomen eine Chance geben“, sagt Bärbel Scheiblig, 69. Sie könnte sich vorstellen, dass die Hausbesetzer selbst Hand anlegen würden. Zudem könne es sich die Stadt nicht leisten, wenn sich die Sternschanze in ein elitäres Viertel verwandele. „Wenn alles gleich aussieht, ist es langweilig. Was Hamburg braucht, sind Gegensätze.“

Auch Paul, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen möchte, hält nichts von Kretschmers Vorhaben. „Ich sehe keinen Grund, jetzt auf Krampf eine Veränderung herbeizuführen“, sagt der 33-Jährige, der in der Nähe der Roten Flora wohnt. Das sieht Sarah Lemburg ähnlich. „Ein solcher Bau würde das Schanzenbild zerstören“, sagt die 30-jährige Mutter. Sie ist dafür, das Gebäude zu sanieren und weiterhin den Autonomen zur Verfügung zu stellen.

2001 hatte Kretschmer das seit 1989 besetzte Gebäude von der Stadt für 370.000 Mark gekauft. Der damalige Senat konnte so eine immer wieder geforderte Räumung umgehen und musste keine Krawalle riskieren. Nach Ablauf einer vereinbarten Frist von zehn Jahren verhandelt Kretschmer nun seit mehr als einem Jahr mit der Stadt über einen Rückkauf. 1,4 Millionen Euro wurden ihm angeboten, er verlangt aber mehr – mit der Begründung hoher Zinsund Nebenkosten.

Der Bezirk Altona hat indes mittlerweile einen Bebauungsplan aufgestellt, mit dem der jetzige Zustand der Roten Flora praktisch eingefroren werden soll. Ein Neubau ist dann nicht mehr möglich, und auch ein Verkauf an andere Investoren wäre schwierig. Doch genau das kündigten Kretschmer und sein Berater Gert Baer jetzt an. Beim Bezirksamt Altona haben sie dazu einen Antrag gestellt. Mithilfe eines amerikanischen Investors solle ein „echtes Stadtteilkulturzentrum“ entstehen. Anwohner sollen sich mit Aktien beteiligen können, die Rotfloristen könnten günstig Räume mieten.

Der Vorsitzende des zuständigen Planungsausschusses im Bezirk Altona, Mark Classen (SPD), kündigt unterdessen an, dass der Vorbescheidsantrag von Kretschmer abgelehnt werde, weil er dem neuen Bauungsplan widerspreche. Kretschmer gehe es zudem um eine „Provokation“, um den Druck auf die Stadt zu erhöhen, so Classen. Ähnlich sieht es der Altonaer CDU-Bauexperte Sven Hielscher, der von „Trickserei“ spricht. Auch die CDU im Bezirk plädiere für den Erhalt der autonomen Roten Flora, sagt Hielscher. „Wenn von dort keine Gewalttaten ausgehen, sollte man so etwas in Hamburg akzeptieren.“

Antje Möller, innenpolitische Sprecherin der Grünen-Bürgerschaftsfraktion, lehnt die Vorschläge ebenfalls ab: „Verkaufsabsichten und Nutzungsvorschläge von Herrn Kretschmer haben wir oft gehört. Ich sehe auch dieses Mal nicht viel Neues. Die bestehenden Regelungen setzen klare Grenzen.“