Starker Autoverkehr und die Nähe zum Hafen begünstigen die schlechten Messwerte. Ein Ortstermin nach der Klage-Androhung des BUND.

Hamburg. Die schmutzige Schicht an den Häuserwänden ist noch kein Beweis. Die Gebäude an der Max-Brauer-Allee sind an einigen Stellen so dicht an die Fahrbahn gebaut, dass reichlich Straßendreck an die Fassaden gelangt. Dementsprechend rußverhängt sehen einige der Jugendstilhäuser aus. Die Fenster müssen hier offenkundig häufiger geputzt werden als anderswo. Doch schlechte Luft lässt sich daraus noch nicht schließen.

Eindeutige Ergebnisse liefert dagegen der große, olivgrüne Quader auf dem Mittelstreifen der Straße. "Luftmessnetz Hamburg" steht drauf, sensible Überwachungstechnik ist drin. Und die beweist fast täglich, was Anwohner auf Nachfrage bestätigen: Die viel befahrene Max-Brauer-Allee ist stickig, sehr stickig. "Besonders im Sommer", sagt Özgül Bal, Verkäuferin im Max Shop.

Die Altonaer Verkehrsader ist mit einem Jahrsdurchschnittswert von 67 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft die am stärksten belastete Straße Hamburgs. Der EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm wird hier regelmäßig überschritten.

+++ Das Hamburger Luftmessnetz +++

+++ Abgase - Naturschützer drohen Senat mit Klage +++

+++ Trotz Umweltzonen - Feinstaubwerte gestiegen +++

Starker Autoverkehr und die Nähe zum Hafen begünstigen diese Messwerte. Fast 75 Prozent der Schadstoffbelastungen stammen aus Schiffsschornsteinen oder Pkw-Auspuffen. Die SPD Altona hat in Hausnummer 20 ihren Sitz. Ihren Parteigenossen im Senat wurde gestern vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) mit Klage gedroht, sollte sich Hamburgs politische Elite nicht ernsthaft bemühen, die EU-Grenzwerte in der ganzen Stadt bis 2013 einzuhalten. Notfalls mit Citymaut und Umweltzone. Zeitgleich startete eine Volkspetition, die die Bürgerschaft zwingen soll, sich des Themas anzunehmen. 10 000 Unterschriften wären dafür nötig.

"Das ist eine Initiative, die ich sofort unterschreiben würde", sagt Danica Jakovovic. Die Bankangestellte im Ruhestand wohnt seit 20 Jahren an der Max-Brauer-Allee. An den Lärm habe sie sich inzwischen gewöhnt. Aber mit der stickigen Luft werde sich die Anwohnerin wohl nie arrangieren können. Durchlüften? Tagsüber? "Kann ich nicht und mache ich auch nie. Ich lasse erst ab 3 Uhr nachts Sauerstoff rein", sagt sie. Oft sei die Luft vor ihrer Haustür zu dunstig, zu drückend, zu belastet. "Besonders wenn es wärmer wird und man die Fenster mal aufmachen muss, merkt man das", sagt sie. Da helfen auch die üppig grünen Bäume auf dem Mittelstreifen der vierspurigen Straße wenig. Die Luft vor ihrem Schlafzimmerfenster sei merklich schadstoffbelastet.

Benzin rieche Jakovovic häufig, manchmal sei es nur ein diffuses Gefühl von beschwerlichem Luftholen. "Doch Fakt ist ja, dass wir diesen ganzen Schmutz einatmen", sagt sie. Deshalb sei es richtig, die Luftreinheit in der Stadt auf die Agenda zu rufen. "Denn in anderen Stadtteilen scheint es ja zu klappen. Ich merke jedenfalls deutlich, dass die Luft an anderen Gegenden der Stadt besser ist."

Jedoch nicht an den fünf Messstationen an großen Verkehrsstraßen. Laut Luftmessnetz Hamburg betrugen die maximalen Tagesdurchschnittswerte im April 2012 an der Habichtstraße 109 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Quadratmeter, an der Kieler Straße 78 Mikrogramm, an der Stresemannstraße 112 Mikrogramm und an der Willy-Brandt-Straße 107 Mikrogramm. Ein Stundenhöchstwert von 190 Mikrogramm Stickstoffdioxid an der Stresemannstraße bedeutete sogar fast das Fünffache des Erlaubten und ist Indiz dafür, wie schwierig es sein wird, die Luftbelastung in der Stadt zu senken.

Nicht grundlos konstatiert die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt im aktuellen Hamburger Luftreinhalteplan, dass es bis 2015 nicht möglich sein werde, die EU-Grenzwerte einzuhalten. Die Stadt beantragte deshalb die Fristverlängerung für die Einhaltung der Schadstoff-Grenzwerte. Zeitgleich will sie mehr Hamburgerzur Benutzung des öffentlichen Nahverkehrs bewegen. "Eine Bankrotterklärung", nannte Manfred Braasch, Landesgeschäftsführer des BUND, das Vorgehen. Er warf dem Senat Konzeptlosigkeit vor.

Danica Jakovovic sieht das ähnlich: "Die Impulse für bessere Luft müssen aus der Politik kommen. Sonst belasten Schadstoffe weiter unsere Gesundheit." Doch nicht alle an der Max-Brauer-Allee hadern mit der Luft vor ihren Fenstern. Ein Familienvater, der seinen Namen nicht veröffentlicht wissen möchte, sagt: "Die Luft hier ist nicht schlechter als anderswo. Trotz unseres Kindes lassen wir die Fenster offen."