Meine Tochter würde am liebsten um die ganze Welt fliegen. Ob sie das Reise-Gen vom Papa hat? Kinder lernen beim Reisen mehr, als man denkt.

Hamburg. Als ich noch ein Kind war, fuhren meine Eltern mit mir und meinen drei Brüdern an die Geltinger Bucht zum Zelten, in ein Ferienhaus in Hirthals, auf die Insel Gotland oder an einen See in Finnland. Später, es war 1974 und ich schon zehn Jahre alt, ging es dann das erste Mal nach Rhodos. Von da an hatte meine Familie offenbar einen Narren an Griechenland gefressen, jedenfalls waren wir fast jeden Sommer dort - meistens mit dem bis zum Rand voll gepackten Opel Admiral, der natürlich noch keine Rücksitzgurte oder gar Airbags hatte. Unvergessen sind die Kotzanfälle der Geschwister, der verstopfte Vergaser am Brenner, der abgefallene Ölfilter kurz vor Schweinfurt, aber auch die engen Kabinen auf den riesigen Fährschiffen, die zwischen Ancona und Patras pendelten und für mich ein wenig nach "Titanic" aussahen. Ein bis zwei Zwischenstopps bei der Verwandtschaft in Mittel- und Süddeutschland waren auch immer dabei, und so dauerte damals die Anreise oft drei bis vier Tage.

Damit verglichen, hat das Verreisen für uns heute fast schon was von "Beamen" - vor allem, wenn es auf unsere Lieblingsinsel geht. Fünf Minuten Taxi, gut zwei Stunden Flug: Schon sind wir da - auf Mallorca. Gezählt habe ich nicht, wie oft meine Frau und ich dieses Ziel in den letzten Jahren wählten. Aber langweilig wird es uns dort noch immer nicht, und auch unsere Tochter Antonia hat mit ihren inzwischen zehn Jahren schon so etwas wie Heimatgefühle entwickelt, fast so, wie ich sie einst in Griechenland hatte. Schließlich gibt es auch bei uns ein paar feste Rituale - das Baden in der Cala Mondrago, den Markt in Santanyi, die leckeren Tapas in Alqueria Blanca, aber auch den Stopp beim Disney-Shop in Palmas Altstadt.

Klar, Disney hat eigentlich nichts mit Spanien zu tun, doch eine ähnliche Kinderfalle gibt es in Hamburg nicht - deshalb mussten und müssen wir im Spanien-Urlaub mindestens einmal dahin. Zum Glück scheint das Disney-Fieber mit dem Älterwerden nachzulassen, außer vielleicht Hannah Montana & Co sind die meisten Figuren doch eher etwas für die Kleineren. Als Antonia selbst noch jünger war, hatte sie einen großen Wunsch: einmal ins Disneyland! Und da wir damals lieber nach Amerika als nach Frankreich fahren wollten, machten wir uns auf nach Orlando - das Mekka aller Disney-Jünger. Diese Stadt im Herzen Floridas ist eigentlich nur eine Aneinanderreihung von Themen- und Vergnügungsparks - und für viele Kinder der Ort ihrer von Kino und TV geprägten Träume. Nirgendwo sonst lässt sich dem Micky-Maus-Kult derart ausschweifend frönen, nirgendwo leuchten aber auch die Augen der kleinen Besucher heller.

Natürlich muss niemand mit seinem Nachwuchs in das Zentrum dieses Kinder-Kommerzes fahren. Wer es doch tut, wird es aber kaum bereuen. Vor allem, wenn sich an zwei Tage Disneyland noch zwei Wochen zwischen Miami, Key West und Sanibel Island anschließen. Den Rückweg nach Hamburg unterbrach ein Stop-over in New York. Auch hier machte Antonia große Augen, nicht nur wegen der Hochhäuser Manhattans, sondern auch beim Abstecher zu FAO Schwarz. Dieser Spielzeugladen an der 5th Avenue übertraf alles, was unser Kind bis dato aus Deutschland kannte.

+++ Teil 1 der Serie: Ein gutes Bauchgefühl - jetzt wird alles anders +++

+++ Teil 2 der Serie: Manchmal kommt es anders - Born in the UKE +++

+++ Teil 3 der Serie: Das erste Babyjahr - Mamas neue Lehrstelle +++

+++ Teil 4 der Serie: Wenn Schlaf unter Müttern zum Neidfaktor wird +++

+++ Teil 5 der Serie: Die richtige Ernährung - Es gibt Milch, Baby +++

+++ Teil 6 der Serie: Waldkindergarten: Nass, kalt, aber glücklich +++

+++ Teil 7 der Serie: Medizin: Die Kunst der Befruchtung +++

+++ Teil 8 der Serie: Freizeit & Events: Wetterfrösche sind uns egal +++

+++ Teil 9 der Serie: Recht & Verwaltung - Vor dem Gesetz +++

+++ Teil 10 der Serie: Spielen und Spielzeug - Lasst die Puppen tanzen +++

+++ Teil 11 der Serie: Einkaufen - Ach du dickes Schoko-Ei +++

+++ Teil 12 der Serie: Schule - Mach doch mal eine Pause +++

Der Flug in die USA war die zweite Fernreise, die wir gemeinsam unternommen haben. Vor der ersten hatten wir noch mehr Respekt, denn wir wussten nicht, ob Antonia einen so langen Flug anstandslos übersteht. An- und Abreise hätten uns so viele Nerven kosten können, dass das Wort "urlaubsreif" eine ganz neue Dimension bekommen hätte. Doch das, was viele Eltern uns sagten, stimmt: Kindern machen lange Flüge gar nicht viel aus, wenn das Drumherum stimmt. Als es losging, zog Antonia einfach ihre Schlafmaske aus der Tasche, setzte sie auf - und schlief die nächsten acht Stunden durch. Erst pünktlich zum Frühstück wurde sie wieder wach. Geholfen hat dabei natürlich, dass es ein Nachtflug ohne Zeitverschiebung war. So etwas ist für Kinder wesentlich entspannter als ein Zehn-Stunden-Tagflug, der nicht enden will.

Überhaupt hat unsere Tochter ein Talent dafür entwickelt, unnütze Zeit zu verschlafen. Ob im Auto, im Flugzeug oder in der Bahn: Für ein Nickerchen ist sie immer zu haben. Der Nintendo kommt deshalb auch auf Reisen nicht häufiger zum Einsatz als zu Hause; nützlich gegen Langeweile ist er trotzdem. Dass die geliebte Daddel-Konsole mit allen Spielen einem Einbrecher zum Opfer fiel, gehörte zu den Schattenseiten des letzten Mallorca-Urlaubs. Immerhin war der Schaden von der Hausratversicherung gedeckt - auch eine wertvolle Erfahrung. Was lernen Kinder sonst so beim Reisen? Mehr als man gemeinhin denkt. Sicher: Jede gelungene Arschbombe in den Pool ist bereits eine kleine Attraktion, und für Kinder ist ein sonniger Tag am Strand von St. Peter vielleicht genauso schön wie einer auf St. Barth. Doch hat Antonia inzwischen auch die Pyramiden von Gizeh gesehen, die Tempel von Olympia und die Ruinen von Pompeji. Sie weiß, dass auf Mauritius viele Leute aussehen, als kämen sie aus Indien, sie kennt das höchste Haus der Welt in Dubai, und sie stand bei Eiseskälte vor der Freiheitsstatue. Gefragt, wohin sie denn mal fahren möchte - außer nach Mallorca natürlich -, rücken nun verstärkt Städteziele in den familiären Fokus: Paris zum Beispiel steht noch an, auch London soll es bald mal sein, womöglich mit einem kurzen Stopp am King's-Cross-Gleis 9 ¾, wo sich die Harry-Potter-Fans treffen.

Und irgendwann gehen wir vielleicht auch mal an der Ostsee zelten.

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