Das „Eisenstein“ war schon vor 20 Jahren Anziehungspunkt für Pizza-Ästheten. Heute gibt es hier viel mehr!

Vielleicht ist es inzwischen sogar so etwas wie ein Ärgernis für die talentierten Menschen in der Küche des Restaurants „Eisenstein“, dass jeder, der zum ersten Mal herkommt, eine Pizza bestellt. Denn – gewollt oder nicht – die italienischen Teigfladen sind längst nicht mehr so spitze, wie sie es über Jahre hinweg gewesen sind. Den wahren Eisenstein-Kenner – erkennt man ihn also folglich daran, dass er eben keine Pizza auf dem Teller hat? Das mag sein. Aber, und das wiederum ist so wunderbar an dieser Institution in den Zeise-Hallen, kaum jemand hier würde auf die Idee kommen, die Umsitzenden nach solch banalen Kriterien zu beurteilen. Das Eisenstein ist so bunt wie eine Pizza Mista und so vielschichtig wie seine Nachbarschaft. Es ist und bleibt das vielleicht sympathischste Restaurant Hamburgs.

Um ein paar Worte über das Essen zu verlieren: Wunderbar sind zum Beispiel der Heilbutt unter der Kartoffelhaube mit Schwarzwurzel-Morchelgemüse und Rotweinschalotten (20 Euro) oder das Zweierlei vom Fasan mit Sauerkraut, Trauben und Speckcroutons (21,50 Euro). Stammgäste sieht man vorweg immer wieder den Caesars Salad (8 Euro) essen.

Gefreut haben wir uns auch über die Consommé von Gelber Bete mit Backpflaumen und geräucherter Gänsebrust. Und das nicht nur, weil die kleinen Mädels am Nebentisch, eben dem Kinderstuhl-Alter entwachsen, sie am liebsten weggeklaut hätten.

Wie überhaupt es wohl kaum ein Restaurant in Hamburg gibt, das von so vielen jungen Eltern besucht wird. So war am Abend unseres letzten Besuches die gesamte rechte Flanke der alten Schiffsschrauben-Fabrikhalle mit kinderhabenden Pärchen besetzt. Die Männer in Sakko oder Pauli-Trainingsjacke, die Damen in grobem Strick oder feiner Seide. Und niemand musste Sorge haben, unangenehm aufzufallen. Der allgemeine Lärmpegel im Eisenstein schluckt einzelne Kinderschreie ohnehin komplett. So wie wir auch den Nachtisch, Crème brûlée von weißer Schokolade mit Bratapfeleis (7 Euro) bzw. zwei Kugeln (Mövenpick-)Eis (3 Euro) widerstandslos geschluckt haben. Und zwar gern.

Fast immer sind es die kleinen Details, die ein Lokal zu einem kinderfreundlichen Restaurant machen: Hier sind es die Papierauflagen auf den weißen Tischtüchern, die sowohl als Mal-Unterlage wie auch als Kleckerschutz Verwendung finden. Dazu die unkomplizierte Art der schwarz gewandeten Service- kräfte und die allgemeine Lockerheit, die sich in diesen, unseren roten Backsteinmauern über die Jahre etabliert und bewährt hat.

Fast ist es so, als sei das „Eisenstein“ mit seinen Besuchern und Freunden erwachsen geworden. Früher kamen wir mit Geliebten und Liebschaften her, um nach dem Kino noch ein wenig große Welt zu spielen. Da fanden wir auch die Pizza noch Weltklasse. Heute wissen wir manches besser. Und manches auch nicht. Aber schön ist es hier noch immer.

Eisenstein , Friedensallee 9 (Zeise-Hallen), 22765 Hamburg, Tel. 390 46 06, tägl. 11–1 Uhr, www.restaurant-eisenstein.de

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Kurz-Biografie

Michael Schlie, 46, kam als studentische Aushilfe ins damals noch junge Eisenstein. Der Familienvater leitet das legendäre Restaurant seit über 20 Jahren – gemeinsam mit seinem langjährigen Freund, dem Gastronomen Milenko Gavrilovic (l.), der zuvor schon mit Christian Rach zusammengearbeitet hatte. Beide wohnen auch in Ottensen. Eisenstein-Küchenchef Michael Köhn (r.) war zuvor unter anderem im Le Canard tätig.

ZWEIERLEI VOM HIRSCH

Rezept von Michael Köhn

Für 6 Personen:

800 g Hirschrücken

Öl, Butter,

Rosmarin

600 g Hirschschulter (ohne Knochen)

1 Bund Suppengrün

200 ml Portwein

400 ml kräftiger Rotwein

Wacholderbeeren

50 ml Balsamico

Frühlingsrollenteig,

1 Eigelb

400 g Rote Bete (gekocht)

2 Birnen

20 g Zucker

10 g Butter

200 g kleine Shiitakepilze

2 Römersalatherzen

2 Schalotten

1 Hirschrücken würzen, in Öl anbraten, im 160 °C vorgeheizten Ofen 6 – 7 Min. weitergaren. Vorm Anrichten kurz in Butter und Rosmarin braten.

2 Schulter in Öl anbraten, Suppengrün klein geschnitten dazugeben, rösten. Rotwein und Port angießen, würzen, schmoren. Nach dem Garen Fleisch herausnehmen, abkühlen lassen, in kleine Würfel schneiden. Fond auf 180 ml reduzieren. 100 ml mit dem Fleisch vermengen, abkühlen lassen. Saucenrest zum Anrichten nehmen. Die Masse in Teig einwickeln, die Ränder mit Eigelb bestreichen, kurz in Öl anbraten und im Ofen bei 160 °C in ca. 8 Min. fertig garen.

3 Birnen schälen, würfeln, in 150 ml Wasser mit Zucker dünsten. Wasser abgießen. Rote Bete klein gewürfelt dazugeben, erhitzen. Butter dazu, pürieren.

4 Strunk vom Salat schneiden, längs in 6 Stücke schneiden. Pilze entstielen, anbraten, Schalottenwürfel, Butter und Römer dazugeben, würzen.