Hamburg. Nach dem Sieg über den HSV erwartet den Kiezclub beim starken VfL Osnabrück ein Schlüsselspiel. Und im Team droht Frust.

Nach dem Derby ist vor dem Derby? Für den FC St. Pauli trifft dies zumindest ein bisschen zu. Tatsächlich ist es zumindest ein Nordduell, wenn der Hamburger Stadtteilclub und HSV-Bezwinger an diesem Sonntag (13.30 Uhr, Sky und Liveticker abendblatt.de) beim VfL Osnabrück antritt. Schließlich liegt Osnabrück – gerade noch – in Niedersachsen und mithin in Norddeutschland.

Doch nach dem unerwarteten 2:0-Triumph im Hamburger Stadtderby gegen den HSV am Montagabend fällt das „Nordderby“ beim Zweitliga-Aufsteiger VfL Osnabrück in der allgemeinen Wahrnehmung doch deutlich ab – Alltag statt Festtag, Pflichtaufgabe statt „Spiel des Jahres“.

Für den FC St. Pauli gilt es, den sportlichen Aufschwung fortzusetzen

Doch was für die außenstehenden Betrachter des Zweitliga-Geschehens gilt, ist für die Protagonisten des FC St. Pauli tabu. Schließlich gilt es, nach dem Erfolg vom Montag und den nunmehr sieben Punkten aus den jüngsten drei Spielen diesen sportlichen Aufschwung fortzusetzen und dabei zu zeigen, dass es diesmal keinen „Derbyfluch“ gibt. Zuletzt hatten bekanntlich der HSV (im März 2019) und der FC St. Pauli (im Februar 2011) nach ihren Siegen im Stadtderby etliche Spiele danach nicht mehr gewonnen und ihre sicher geglaubten Saisonziele (Wiederaufstieg bzw. Klassenverbleib) verpasst.

Für St. Paulis Trainer Jos Luhukay geht es seit Montagabend also darum, dass seine Spieler ihre Siegestrunkenheit in weiteres Selbstvertrauen verwandeln aber jeglichen Anflug von Überheblichkeit vermeiden. Womöglich hilft es dabei ja, dass der Aufsteiger VfL Osnabrück in seinen beiden jüngsten Heimspielen mit dem 4:0 gegen Darmstadt 98 und dem 3:0 gegen den Karlsruher SC eindrucksvolle Statements gesetzt hat. Zudem hat Osnabrück von den 22 Heimspielen dieser und der vergangenen (Drittliga-)Saison 16 gewonnen bei einem Unentschieden und fünf Niederlagen. Diese Zahlen sollten Mahnung genug sein, so fokussiert und taktisch klug wie gegen den HSV zu Werke zu gehen.

St. Pauli wartet auf den ersten Auswärtssieg

„Osnabrück ist gut in der Zweiten Liga angekommen. Die Mannschaft hat bei den beiden hohen Heimsiegen gezeigt, dass sie sehr lebhaft ist und offensiv agiert. Im Ballbesitz praktiziert sie viele Positionswechsel und ist damit sehr flexibel“, lobte am Montag Luhukay den Gegner vom Sonntag. „Wir müssen die Aufgabe sehr konzentriert angehen. Das ist uns in unseren bisherigen Auswärtsspielen sehr gut gelungen“, sagte er weiter und verwies auf die Partien in Bielefeld, Stuttgart und Dresden, in denen sein Team jeweils in Führung gegangen war. Am Ende aber konnte die Führung nie gehalten werden. Daher wartet St. Pauli weiter auf seinen ersten Auswärtssieg in dieser Spielzeit. Selbst das Weiterkommen im Pokal konnte beim Viertligisten VfB Lübeck erst im Elfmeterschießen sichergestellt werden.

Kann jetzt also im stimmungsvollen Stadion Bremer Brücke der Derbyfluch gleich im ersten Spiel nach dem Sieg über den HSV bezwungen werden? „Es gibt nichts Schöneres, als nach einem so tollen Erlebnis, bei dem man erfolgreich war, sofort wieder in das nächste Spiel zu gehen. Das muss ja Motivation genug geben – und auch ein Stück mehr Selbstvertrauen und Überzeugung“, sagt Luhukay zu diesem Thema. „Viel schwieriger wäre es ja gewesen, wenn wir nicht gewonnen hätten.“ Auf jeden Fall kommt dem ersten Spiel nach dem Derby allein schon aus psychologischen Gründen eine Schlüsselrolle für den weiteren Saisonverlauf zu.

Luhukay zuversichtlich, dass Diaman­takos rechtzeitig gesund wird

Gegenüber der Startelf gegen den HSV wird voraussichtlich nur Außenstürmer Christian Conteh in Osnabrück in der ersten Elf fehlen. Zum einen hatte der 20-Jährige am Montag als einer der wenigen St. Paulianer keine gute Leistung gezeigt. Zum anderen plagten ihn zuletzt Oberschenkelprobleme. Das Talent wird voraussichtlich wie beim 3:3 in Dresden eine „Joker“-Rolle übernehmen. Dagegen gab sich Luhukay zuversichtlich, dass Torjäger Dimitrios Diaman­takos seine Halsschmerzen rechtzeitig überwunden haben wird.

Bereits am Freitag zeichnete sich ab, auf welche Spieler aus seinem 35-Mann-Kader Trainer Luhukay in Osnabrück auf jeden Fall verzichten wird. Diese absolvierten am Vormittag eine Trainingseinheit und hatten danach frei. Zu dieser Gruppe gehörten die nach langen Verletzungen gerade wieder ins Teamtraining eingestiegenen Philipp Ziereis und Henk Veerman, aber auch voll einsatzfähige Akteure wie Rico Benatelli und Marc Hornschuh.

Offensichtliche Aufspaltung des Kaders

Ersin Zehir, Jakub Bednarczyk und Niklas Hoffmann, die auch nur am Vormittag trainierten, werden die U-23-Mannschaft im Regionalliga-Kellerduell beim Schlusslicht Heider SV verstärken. Wieder andere aus der Vormittagsgruppe absolvierten mit der ersten Garde, also den voraussichtlichen Startelfspielern und den ersten Einwechselkandidaten, auch am Nachmittag noch eine Einheit, um dabei eine Spielform mit elf gegen elf praktizieren zu können.

Eine solch offensichtliche Aufspaltung des Kaders mag trainingstechnisch eine sinnvolle Maßnahme sein. Andererseits ist der Frustfaktor bei jenen, die schon am Donnerstagnachmittag erfahren, dass sie für das Spiel am Sonntag nicht vorgesehen sind, nicht zu unterschätzen. Trainer Luhukay nimmt die Lage anders wahr. „Auch die Spieler, die im Derby nicht gespielt haben und nicht im Kader waren, versuchen das Bestmögliche im Training zu zeigen, um wieder dazuzugehören. Das ist eine gesunde Situation“, sagte er am Freitag.

VfL Osnabrück: Kühn – Agu, Heyer, van Aken, Wolze – Taffertshofer – Alvarez, Ouahim, Blacha, Henning – Heider. FC St. Pauli: Himmelmann – Ohlsson, Östigard, Lawrence, Buballa – Becker, Knoll – Miyaichi, Möller Daeli, Penney – Diamantakos. Schiedsrichter: Petersen (Stuttgart).