Hamburg. Unser Genussexperte Gerd Rindchen hat einen Tisch im beliebten Restaurant in Eimsbüttel bekommen – was gar nicht so einfach ist.

Beim Restaurant Klinker neben dem Holi-Kino hat sich vor wenigen Jahren eine recht junge Crew von Restaurantschaffenden zusammengetan, die sich in der Berliner Szene kennengelernt hatten. Das Ziel: eine Einkehrstätte neuen Typs zu erschaffen, wie es das in dieser Konsequenz in Hamburg vorher noch nicht so gab. Das hat ganz gut funktioniert, die Einkehr im Klinker ist immer wieder erfreulich, sofern man sich auf einige Eigenheiten des Hauses einlässt.

So gibt es grundsätzlich keine Reservierungen. Aufgrund der regen Nachfrage und hohen Akzeptanz im lukrativen Umfeld – schließlich treffen hier Harvestehude, Eimsbüttel und Eppendorf auf­ein­ander – kann das dazu führen, dass man entweder eine Zeit lang warten muss, mit Menschen, die man nicht kannte, an einen Tisch verfrachtet wird (für altgediente Hanseaten gewöhnungsbedürftig, ich als zugereister Provinzler finde das ganz cool und viele andere offenbar auch) oder, absoluter Worst Case, dass man sich auch mal unverrichteter Dinge mit einer verstohlenen Zähre im Augenwinkel wieder vom Acker machen muss.

Restaurant Klinker: Einrichtung ist stylish-gemütlich

Hat man aber ein Plätzchen ergattert, wird’s nett: Die Einrichtung ist stylish-gemütlich, das fröhliche Serviceteam freundlich, zugewandt und kompetent beratend, auch was die umfangreiche, absolut ungewöhnliche Weinkarte mit vielen Naturweinen angeht, das Essen im besten Sinne kreativ auf Basis nachhaltiger, regionaler, frischer und meist biologisch erzeugter Produkte.

Die Preise sind vergleichsweise moderat und für das Gebotene absolut okay: Ein ganz großer Schwerpunkt sind vegetarische Gerichte, die hier in absolut eigenständigen, aber sehr stimmigen Kombinationen die Genießer überraschen: Weiße Bohnen kommen so unversehens mit Zitrus, Radicchio und Haselnuss daher (15 Euro), hinter „Rübe, Dukkahöl, Haselnuss, Kakao und Quitte“ (16 Euro) verbergen sich hinreißende, hocharomatische geschmorte Schwarzwurzeln, die mit nussigen Aromen, feiner Quittensäure und crunchy Kakaospänen ein tolles Geschmackserlebnis ergeben.

Restaurant Klinker: Hier wird mit Texturen gespielt

Generell wird hier viel mit Süße und Texturen gespielt, aber nicht bemüht und zumeist ausgewogen und geschmackssicher. Bella Figura machten auch die beiden einsamen Fleischgerichte (Fisch gab’s gerade nicht), die bei unserem Besuch offeriert wurden: Das Huhn (18 Euro) kam schön knusprig gebacken mit einem frischen, nicht zu scharfen Kimchi-Weißkohlsalat, Karotte und Koriander daher, hinter „Schmorfleisch Grünzeug“ (18 Euro) verbarg sich ein sensationeller, butterzarter Kalbsbraten mit einer Sauce, die – Umami pur – ganz offenkundig frisch einreduziert auf dem Knochen gekocht und mit leckerstem Mangold mit Pinienkernen umrahmt war. Großes Küchenkino.

Die Portionsgrößen sind zum Teilen ausgelegt und changieren zwischen Vorspeise und Hauptgang, zwei Leute werden mit vier bis fünf verschiedenen Kreationen gut längskommen.

Ein überaus empfehlenswerter Essensbegleiter ist der famose Chardonnay Leithaberg vom burgenländischen Demeter-Weingut Heinrich (FL. 45 Euro), perfekt zum Kalb war auch der exzellente Blaufränkisch vom Weingut Weniger (0,15 l für 12 Euro), der aber, nomen est omen, nicht immer verfügbar ist, weil das Weingut meist weniger liefert, als das Restaurant gerne hätte. Macht aber nix, es gibt genügend spannende Alternativen.

Schlankreye 73, Mo–Fr 18–24 Uhr, Tel. 35 70 14 35, www.restaurant-klinker.de