Abendblatt:

Herr Seeler, Sie sind Ehrenspielführer der Nationalmannschaft, bedrückt Sie das, was sich zurzeit um das Team herum abspielt? Zuletzt ging es drunter und drüber. Kapitän Michael Ballack gegen Manager Oliver Bierhoff, Kevin Kuranyis Abgang, Torsten Frings moserte, Ballack motzt gegen Joachim Löw. Was ist da los?

Seeler:

Zur Sache Ballack gegen Löw kann ich nichts sagen, das fehlen mir die Interna. Grundsätzlich ist es so, dass es nicht gut sein kann, dass sich Spieler über die Medien äußern. Ich habe das früher immer anders gehandhabt, meine Generation hat es so gehandhabt. Ich denke auch, dass alles andere schlecht ist für die Mannschaft. Wobei ich keinem das Recht absprechen möchte, kritische Worte zu sagen, es muss nur eben intern geschehen, das ist der entscheidende Punkt dabei.



Abendblatt:

Kevin Kuranyi ging in der Halbzeit eines WM-Qualifikationsspiels, so etwas war doch früher undenkbar, oder?

Seeler:

Genau. Wenn man sich gegen die Nationalmannschaft entschieden hat, dann sollte man das dem Bundestrainer unter vier Augen sagen. Das kann am Tag vor oder am Tag nach einem Spiel geschehen, aber nicht mittendrin.



Abendblatt:

Was läuft denn generell zurzeit rund um die deutsche Mannschaft schief?

Seeler:

Ich habe das Gefühl, dass den Spielern leider die Selbstkritik verloren gegangen ist. Nur mit der nötigen Selbstkritik kann man auch wieder zu Höchstleistungen auflaufen und seine Form wiederfinden. Natürlich dürfen Ersatzleute unzufrieden sein, das waren sie zu meiner Zeit doch auch, das ist doch völlig normal, dafür habe ich auch absolutes Verständnis. Aber hin und wieder muss man einfach mal akzeptieren, dass andere spielen. Dafür können dann ja auch mal taktische Gründe verantwortlich sein. Wenn aber dann das Meckern in den Medien anfängt, dann bringt das eine völlig unnötige Unruhe in die Mannschaft.



Abendblatt:

Wie kann nun wieder Ruhe einkehren?

Seeler:

Es sollten sich alle mal wieder vor Augen führen, dass Fußball ein Mannschaftssport ist, allein kann keiner etwas ausrichten und erreichen. Erfolge gibt es nur, wenn eine Mannschaft intakt ist, denn wenn die Stimmung am Boden ist, gewinnt man keine Spiele.