Kiel. Schleswig-Holstein will Elternbeiträge deckeln und Standards verbessern. SPD kritisiert die Pläne und fordert komplette Beitragsfreiheit.

In Schleswig-Holstein sollen die Krippen- und Kindergartengebühren vom Sommer 2020 an gedeckelt werden, also einen bestimmten Betrag nicht mehr übersteigen. Viele Eltern in den Hamburger Randkreisen Stormarn, Pinneberg und Segeberg dürften von dieser Regelung erheblich profitieren.

Landessozialminister Heiner Garg (FDP) illustrierte die Vorteile der Reform am Mittwoch im Landtag anhand eines Beispiels aus Ammersbek (Kreis Stormarn). „In dieser Gemeinde liegen die Elternbeiträge für den Ganztagesplatz in der Krippe aktuell bei 550 Euro. Durch die Einführung des Deckels liegt die Netto-Ersparnis der Eltern hier bei rund 161 Euro“, sagte er. Ein Halbtagsplatz im Umfang von fünf Stunden täglich soll in Zukunft monatlich rund 180 Euro im U-3-Bereich (unter drei Jahren) und rund 145 Euro im Ü-3-Bereich (über drei) kosten. Die Deckelung für einen Ganztagsplatz im Umfang von acht Stunden täglich liegt bei rund 288 Euro im U-3-Bereich und rund 233 Euro im Ü-3-Bereich.

Wie kompliziert die Verhältnisse bei den Kitagebühren sind, zeigt sich auch daran, dass Gargs Ammersbeker Beispiel ohne Erläuterungen nicht zu verstehen ist. Denn nicht nur die Jamaikakoalition, sondern auch deren Vorgänger hatten sich mit den teilweise sehr hohen Gebühren befasst – und einen Lösungsweg gefunden. Seit 2017 gibt es 100 Euro pro Monat für die Betreuung eines Kindes unter drei Jahren. Dieses sogenannte Kitageld soll mit der gargschen Reform wegfallen. Die exakte Ammersbeker Rechnung sieht also so aus: Eltern zahlen dort für den Krippenplatz 450 Euro (550 Euro abzüglich 100 Euro Kitageld). Bei einer Deckelung der Kitagebühr auf 288 Euro ergibt sich eine Ersparnis von rund 161 Euro.

Weil die Elternbeiträge in Schleswig-Holstein von Ort zu Ort, von Kindergarten zu Kindergarten stark vari­ieren, gibt es allerdings auch Kommunen, in denen sich an den Gebühren vermutlich nichts ändert. In Norderstedt liegen sie schon jetzt unterhalb der Deckelung, in Kiel wird es nur geringfügige Erleichterungen für die Eltern geben.

Länderausgaben durch Bundesmittel ergänzt

Dennoch gilt: Das Land Schleswig-Holstein gibt deutlich mehr Geld für Kitakinder­ aus. „Die durchschnittlichen Ausgaben pro Kind werden sich von 2017 bis 2022 mehr als verdoppeln“, sagte der Minister. „In Lübeck steigt der Betrag von rund 20 auf 40 Millionen Euro zusätzlich, in Norderstedt belaufen sich die zusätzlichen Landesmittel auf 7,5 Millionen Euro.“

Die Reform kostet, das sieht man schon an diesen Zahlen, viel Geld. Die Landesregierung stellt für die Jahre 2018 bis 2022 zusätzlich 809 Millionen Euro bereit. Hinzu kommen Bundesmittel in Höhe von 191 Millionen Euro. Die sind allerdings derzeit bis 2022 befristet. „Hier würden wir uns mehr Verlässlichkeit von Bundesfinanzminister Olaf Scholz wünschen“, sagte Garg.

Welche Kita in Zukunft wie viel Geld bekommt, hängt von einem neu geschaffenen „Standard-Qualitäts-Kosten-Modell“ (SQKM) ab. Das ist eine Art Standardkita mit einer Standardausstattung, die zu pauschalen Fördersätzen führt. Wichtige Neuerung: Für diese Standardkitas wird der Personalschlüssel angehoben. In Zukunft werden bei einer Gruppengröße von 20 Kindern nicht mehr nur anderthalb Fachkräfte, sondern zwei bezahlt.

SPD fordert komplette Beitragsfreiheit

Die Opposition kritisierte die Pläne der Jamaikakoalition aus CDU, Grünen und FDP. Serpil Midyatli, die familienpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, sagte: „In vielen Städten und Gemeinden wird der Beitragsdeckel für die Eltern keine Verringerung der Kitagebühren bringen. Im Gegenteil: Mit dem Wegfall des Kitageldes kommt es für viele Familien sogar zu einer Mehrbelastung.“ Zudem gebe es bei den Eltern Ängste, dass Kommunen, in denen Kitagebühren derzeit unterhalb des geplanten Beitragsdeckels lägen, die Kitagebühren bis an die neue definierte Grenze anheben würden. Wirkliche Entlastung gebe es nur mit kompletter Beitragsfreiheit, und die werde es nur mit der SPD geben. „Unsere SPD-regierten norddeutschen Nachbarländer machen es uns vor. Was dort unter ähnlichen Bedingungen möglich ist, muss auch für Schleswig-Holstein gelten“, sagte Midyatli.

Eka von Kalben, die Fraktionsvorsitzende der Grünen, hielt dagegen. „Die völlige Beitragsfreiheit würde 230 Millionen Euro im Jahr kosten, und dieses Geld haben wir zurzeit nicht“, sagte sie. Sie bezeichnete es als „ärgerlich“, dass die Reform für manche Eltern keine Entlastung, sondern durch den Wegfall des Kitageldes sogar eine „vorübergehende Mehrbelastung“ bringen werde.

Das Reformgesetz soll im Herbst in den Landtag eingebracht werden. Mit der Einführung im Sommer 2020 beginnt eine dreijährige Übergangsphase. In dieser Zeit soll die Finanzierung auf die Pauschalfördersätze der Standard-kita umgestellt werden. „Dadurch geben wir den Beteiligten die Zeit, die die seriöse Umsetzung der Reform braucht“, sagte Sozialminister Heiner Garg. „So schaffen wir ein lernendes System.“