Lübeck. Tiger Elsa wird in einer Wohnung in Lübeck großgezogen und lebt dort im ehemaligen Kinderzimmer. Elsa wurde von der Mutter verstoßen.

Jeden Morgen, so gegen neun Uhr, gibt Monica Farell ihrer Katze Elsa die Flasche. Darin ist spezielle Katzenmilch, die ist lactosefrei. Es heißt, viele Katzen bekommen von normaler Kuhmilch Durchfall.

Dann bereitet Monica Farell das Frühstück für ihr neues Haustier: Sie überbrüht ein Stück Hühnerschnitzel mit kochendem Wasser, damit es Zimmertemperatur bekommt. Die Katze frisst es in einem Stück.

Elsa spielt mit einem Kuscheltiger – in wenigen Monaten wird sie 200 Kilo wiegen.
Elsa spielt mit einem Kuscheltiger – in wenigen Monaten wird sie 200 Kilo wiegen. © dpa | Jens Büttner

Elsa ist keine Hauskatze, sondern eine Sibirische Tigerdame und wird in wenigen Monaten ein 200 Kilogramm schweres Raubtier sein. Momentan aber wiegt die Raubkatze nur rund 20 Kilogramm, sie ist noch ein Jungtier. „Aber die Krallen sind schon recht scharf, auch wenn die Zähne noch Milchzähne sind.“

Deshalb lässt Farell beim Spazierengehen auch Vorsicht walten. „Elsa braucht die tägliche Action, schließlich muss sie an die Sonne.“ Ängstliche Nachbarn gebe es in der Umgebung nicht, sie wohnt im Gewerbegebiet am Rande der Stadt.

Umgang mit Raubtieren gewohnt

Monica Farell wurde vor 57 Jahren in eine Zirkusfamilie geboren und ist deshalb den täglichen Umgang mit Raubtieren gewohnt. Außerdem betreibt sie seit fast 15 Jahren mit ihrem Mann Saad Rose einen Erlebnispark in Dassow, nordöstlich von Lübeck in Mecklenburg-Vorpommern.

Spaziergang am Strand mit Sibirischem Tiger.
Spaziergang am Strand mit Sibirischem Tiger. © dpa | Jens Büttner

Dort leben schon jetzt fünf Löwen und 13 Tiger. Da ist ein Tigerbaby mehr kein großer zusätzlicher Aufwand. „Elsa ist vielmehr wie ein richtiges Familienmitglied.“ Ihr Sohn Dwayne (22) hat gern sein altes Zimmer für sie hergegeben und spielt auch meist vormittags noch mit ihr.

Der Sibirische Tiger kam Ende August in einem Wanderzirkus zur Welt, als dieser auf der Insel Rügen gastierte. Elsa wurde von der Mutter verstoßen. In einer Tierarztpraxis wurde die kleine Großkatze mit Katzenmilch aufgepäppelt, bis sie durch Vermittlung des Veterinäramtes zu den Farells kam. Auf Anfrage sagt das Veterinäramt, dass Monica Farell in der Region bekannt dafür sei, sich gut um die Tiere zu kümmern. „Sie hat die nötige Erfahrung“, sagt ein Mitarbeiter.

Gegner der Lösung wollen artgerechte Haltung

Doch es gibt auch Gegner dieser Lösung für das Tier. Experten weisen darauf hin, dass Tiger wie Elsa zu den größten Katzen der Erde gehören. Heute leben mehr dieser Tiere in Zoos als in freier Wildbahn. Laut des Tierschutzorganisation WWF gibt es noch rund 530 frei lebende Sibirische Tiger, die meisten davon im Osten Russlands und Nordosten Chinas. Von der Weltnaturschutzunion IUCN wurden sie in der Roten Liste der bedrohten Arten als „stark gefährdet“ eingestuft.

Marius Tünte vom Deutschen Tierschutzbund kennt den Fall und ist enttäuscht. „Es hätte artgerechte Optionen zur Unterbringung des Tieres gegeben“, sagt er. Leider habe man sich für „die medienwirksame Handaufzucht“ entschieden.

Aus seiner Sicht stehe damit nicht das Wohl des Tieres im Vordergrund, „sondern offensichtlich die Vermarktung eines Tigerbabys“. „Wir haben uns frühzeitig um eine Alternativlösung bemüht und versucht, mit dem zuständigen Amt im Landkreis Vorpommern-Rügen in Kontakt zu kommen.“ Erfolglos.

Im Gehege zu sehen

Den Vorwurf, dass sie den Medienrummel suche, will Monica Farell nicht gelten lassen. Zwar sei inzwischen das Fernsehen auf sie aufmerksam geworden. „Aber wir können auch gut ohne den zusätzlichen Stress leben.“

Monica Farell füttert das Tigermädchen mit spezieller Katzenmilch.
Monica Farell füttert das Tigermädchen mit spezieller Katzenmilch. © dpa | Jens Büttner

Sie ist sich sicher, dass Elsa in der freien Wildbahn keine Überlebenschance gehabt hätte und sie so eine weitgehend artgerechte Haltung mit anderen Tigern ermöglicht bekomme. Sie versuche, mit ihrem Park Menschen darüber zu informieren, wie gefährdet diese Tiere sind. „Nur was man liebt, will man schützen.“

Ab April soll Elsa im Tierpark zu sehen sein. Derzeit bauen die Farells noch an einem eigenen Gehege mit Schlafhaus, als Nachbarin bekommt sie ein erfahrenes älteres Weibchen zur Seite. Bei Spaziergängen treffe sie auf Hunde. „Aber die halten sich in einem gebührenden Abstand“, sagt sie. „Die wissen, mit der Katze ist irgendetwas anders.“ Abends dann um zehn gibt es die letzte Flasche Katzenmilch. Und beim Hinausgehen achtet sie immer auf Regel Nummer eins: Einer Raubkatze nie den Rücken zudrehen.