Köln. Die Kölner Polizei steht nach der Silvesternacht unter Druck. Verdächtige hat sie keine – stattdessen ein kleinlautes Eingeständnis.

Nach den Übergriffen in der Silvesternacht in Köln tappt die Polizei bei der Suche nach Tätern noch weitgehend im Dunklen. Der Polizeipräsident der Stadt, Wolfgang Albers, sagte am Dienstag auf einer Pressekonferenz: „Wir haben derzeit keine Erkenntnisse über Täter.“ Und Kölns Oberbürgermeisterin stellte klar: „Es gibt keinen Hinweis, dass es sich um Menschen handelt, die hier in Köln Unterkunft als Flüchtlinge bezogen haben“, sagte Henriette Reker (parteilos).

Dutzende Frauen sollen in der Silvesternacht auf dem Bahnhofsvorplatz der Stadt aus einer Gruppe von etwa tausend Männern heraus angegriffen worden sein. Die Polizei hatte von Sexualdelikten in massiver Form und von einer Vergewaltigung gesprochen. „Es gibt keine tausend Täter“, stellte Albers klar. Es habe eine Ansammlung von Menschen gegeben, aus der heraus Straftaten begangen worden seien. Zum jetzigen Zeitpunkt könne er noch keine Zahl von Tätern oder Tatverdächtigen nennen.

Polizeichef: „Wir waren ordentlich aufgestellt“

Albers wies Kritik am Einsatz der Polizei zurück. Es seien ausreichend Kräfte auf dem Bahnhofsvorplatz vor dem Dom gewesen: „Wir waren an dem Abend ordentlich aufgestellt.“ Die Beamten hätten zwar schon in der Silvesternacht von Übergriffen Kenntnis bekommen. Der volle Umfang – insbesondere der sexuellen Übergriffe – sei allerdings erst am nächsten Tag klar geworden. „Es hat auf der Leitstelle in der Nacht drei konkrete Notrufe zu dem Sachverhalt gegeben.“ Bislang gebe es 90 Strafanzeigen. Er rechne damit, dass es mehr werden, sagte Albers.

Gleichzeitig räumte Albers allerdings Fehler bei der Darstellung der Vorkommnisse gegenüber der Öffentlichkeit ein. In einer Pressemitteilung hatte die Polizei die Einsatzlage in der Silvesternacht als entspannt beschrieben. „Diese erste Auskunft war falsch“, musste der Polizeipräsident nun zugeben.

Laschet: Kölner Polizei hat völlig versagt

Aus Sicht von CDU-Bundes-Vize Armin Laschet hat die Kölner Polizeiführung beim Krisenmanagement in der Silvesternacht völlig versagt. Nach den spektakulären Hooligan-Krawallen vom Oktober 2014, bei denen rund 50 Polizisten verletzt worden waren, offenbarten sich in Köln nun erneut „eklatante Missstände bei der Inneren Sicherheit“. Laschet sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: „Während die bayerische Polizei erfolgreich dem Terror trotzt, ist die NRW-Polizei in Köln nicht in der Lage, Frauen vor serienweisen sexuellen Übergriffen im Zentrum der größten Stadt des Landes zu schützen“, so Laschet, der auch Landesvorsitzender der CDU in NRW ist.

Der Staat dürfe „No-Go-Areas“ und rechtsfreie Räume nicht dulden. Aber die Kölner Polizeispitze handle wie immer: „Täuschung der Öffentlichkeit über eine angeblich friedliche Silvesternacht durch die Behauptung, sie habe alles im Griff gehabt.“

„Wir wollen keine unkontrollierbaren Orte“

Als Konsequenz aus den Übergriffen will die Stadt Köln ihre Sicherheitsvorkehrungen für Großveranstaltungen verschärfen. Stadt und Polizei hätten Maßnahmen entwickelt, „die dazu führen sollen, dass es solche Vorfälle hier nie wieder gibt“, sagte Oberbürgermeisterin Reker. Frauen und Mädchen müssten ohne jedes Unsicherheitsgefühl in der Domstadt Karneval feiern können: „Wir wollen hier keine unkontrollierbaren Orte in Köln.“ Es müsse eine Stadt bleiben, „in der jeder auch feiern kann“.

Und Polizeichef Albers kündigte mit Blick auf Karneval an: „Nun werden wir deutlich die Präsenz erhöhen.“ Die Polizei werde sowohl uniformierte als auch zivile Kräfte einsetzen und mobile Videoanlagen einrichten.

Breite Debatte in der Politik

Die Übergriffe auf Frauen haben inzwischen zu einer breiten Debatte in der Politik geführt. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel schaltete sich in die Diskussion ein. Regierungssprecher Steffen Seibert teilte mit, die Kanzlerin haben in einem Telefonat mit Oberbürgermeisterin Reker „ihre Empörung über diese widerwärtigen Übergriffe und sexuellen Attacken“ zum Ausdruck gebracht. Die Ereignisse verlangten „nach einer harten Antwort des Rechtsstaats“. Es müsse alles daran gesetzt werden, „die Schuldigen so schnell und so vollständig wie möglich zu ermitteln und ohne Ansehen ihrer Herkunft oder ihres Hintergrundes zu bestrafen“, so Merkel weiter.

Vertreter aller Parteien verurteilten die Übergriffe, warnten aber zugleich davor, die Vorkommnisse mit der Flüchtlingsdebatte zu vermischen. (dpa/rtr)