Gleich sein erster Roman „Die Blechtrommel“ wurde zum Welterfolg. Lebenslang schaltete sich Grass leidenschaftlich in gesellschaftspolitische Debatten ein - und erregte Widerspruch.

Günter Grass ist tot. Der Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger starb am Montag im Alter von 87 Jahren in Lübeck, teilte der Steidl Verlag in Göttingen mit. Nach Angaben des Grass-Haus erlag er einer Infektion. Weitere Informationen lägen ihr noch nicht vor, sagte eine Sprecherin. Das Museum veröffentlichte zum Tode des Autors auf seiner Homepage das Grass-Gedicht „Wegzehrung“: „Mit einem Sack Nüsse will ich begraben sein und mit neuesten Zähnen. Wenn es dann kracht, wo ich liege, kann vermutet werden: Er ist das, immer noch er.“

Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) hat tief erschüttert auf den Tod reagiert. „Das ist ein schwerer Verlust für Lübeck, aber auch für die deutsche und die internationale Literatur“, sagte Saxe am Montag. „Mein tief empfundenes Mitgefühl gilt seiner Ehefrau und seiner Familie.“ Tief betroffen äußerte sich auch der Leiter des Lübecker Günter-Grass-Hauses, Jörg-Philipp Thomsa. „Wir sind dankbar für die vielen Erlebnisse, die wir mit ihm teilen durften“, sagte Thomsa.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zeigte sich „tief bestürzt“ vom Tod des Schriftstellers Günter Grass gezeigt. Grass sei ein großer Bürger und Sohn der Stadt Lübeck, wie ein Außenamtssprecher am Montag in Berlin sagte. Es sei tragisch, dass Grass jetzt gestorben sei, einen Tag, bevor die Welt auch wegen eines G7-Außenministertreffens in Lübeck auf die Stadt blicken werde. Dieses Treffen beginnt am Dienstag.

Durchbruch mit Roman-Debüt

Grass galt als einer der weltweit bedeutendsten deutsche Autoren der Gegenwart. Lebenslang schaltete er sich leidenschaftlich in gesellschaftspolitische Debatten ein. Gleich sein erster, 1959 erschienener Roman „Die Blechtrommel“ geriet zum Welterfolg. 40 Jahre später wurde Grass für sein Gesamtwerk mit dem Literaturnobelpreis geehrt.

„Die Blechtrommel“ brachte dem gebürtigen Danziger auch international den Durchbruch. Sie gehört zu den wichtigsten Romanen der deutschen Nachkriegsliteratur und gilt als Jahrhundertwerk. Das Nobelpreis-Komitee nannte das Buch die „Wiedergeburt des deutschen Romans im 20. Jahrhundert“. Grass erzählt darin von den Erlebnissen des aus Danzig stammenden Zwerges Oskar Matzerath, der sich mit drei Jahren weigert, weiter zu wachsen.

Das Erscheinen des Bildungs- und Schelmenromans rief in der Bundesrepublik manche Sittenwächter auf den Plan, die sich an den teils deftigen erotischen Szenen störten. Seit den „Buddenbrooks“ von Thomas Mann habe kein Erstling einen derartigen Aufruhr verursacht, befand das Nobelpreiskomitee. Die Verfilmung des deutschen Regisseurs Volker Schlöndorff wurde 1980 mit dem Oscar für den besten ausländischen Film ausgezeichnet.

Kunststudium nach Steinmetzlehre

Der zuletzt in Behlendorf bei Lübeck lebende Grass hatte nach dem Krieg eine Steinmetzlehre gemacht und in Düsseldorf und Berlin Kunst studiert; er war Bildhauer und Grafiker. Er zeichnete auch und schrieb Gedichte. „Die Blechtrommel“ bildet zusammen mit der Novelle „Katz und Maus“ (1961) und dem Roman „Hundejahre“ (1963) die sogenannte Danziger Trilogie.

Weitere wichtige Werke sind die Novelle „Aus dem Tagebuch einer Schnecke“, die Romane „Der Butt“ (1977) und „Die Rättin“ (1986), das skandalumrankte Buch „Ein weites Feld“ (1995) sowie die Novelle „Im Krebsgang“ (2002). Fast ein halbes Jahrhundert nach der „Danziger Trilogie“ schrieb Grass seine „Erinnerung der Trilogie“ mit drei autobiografischen Bänden.

Aufschrei nach „Beim Häuten der Zwiebel“

Der erste autobiografische Band „Beim Häuten der Zwiebel“ sorgte 2006 für manchen Aufschrei. Überraschend machte Grass öffentlich, dass er als 17-Jähriger am Ende des Zweiten Weltkriegs Mitglied der Waffen-SS war. Dem Autor wurde vorgeworfen, seine SS-Zugehörigkeit zu lange verschwiegen zu haben, während er andere immer wieder wegen ihrer NS-Vergangenheit öffentlich kritisiert habe.

In der Bundesrepublik engagierte sich Grass schon seit den 1960er Jahren als Gesellschaftskritiker. Seit den 1960er Jahren warb er in Wahlkämpfen für die SPD. Aus Protest gegen deren Asylpolitik trat er 1992 zwar aus der Partei aus, blieb ihr aber bis zuletzt verbunden. Früh setzte er sich auch für eine deutsch-polnische Verständigung und für den Verzicht auf die ehemaligen deutschen Ostgebiete ein. Immer wieder löste er heftige Kontroversen aus, zuletzt 2012 wegen eines Israel-kritischen Gedichts.

Das Gesamtwerk des Literaturnobelpreisträgers ist im Göttinger Steidl Verlag erschienen.