In seiner Jugend hat Felix Schneeweiß Wände vollgesprüht. Heute ist er einer der vielversprechendsten Berliner Künstler. Seine Arbeiten sind Pop und voll von Verweisen und Zitaten.

Da ist ein Selbstbewusstsein in den Arbeiten des jungen Künstlers Felix Schneeweiß, das hat man lange nicht gesehen. Kleinformatige Bleistift-Handzeichnungen macht er – fast Fingerübungen sind das eigentlich, so hingeschlampert, locker raus, wahrscheinlich hat er beim Zeichnen aus dem Fenster geschaut und an was ganz anderes gedacht, wie man das früher in der Schule machte – den American Dream im Zeitstrom vom Beginn der Popkultur bis jetzt. „Best Boy“ heißt die Ausstellung und ist bis zum 8. März in der Galerie cubus-m zu sehen.

Der Schriftzug der Modezeitung „Vogue“ wird am Anfang also einfach abgeschnitten. Also er zeichnet ihn nicht, und dann sieht das so aus, als habe Schneeweiß mit einem Messer das V und Teile des Os von Vogue herausgeschnitten. Oder das Logo vom Chateau Marmont, auf der Zeichnung von Schneeweiß steht da einfach nur „Chateau/ ont/ Hotel“. Vor dem Chateau Marmont Hotel verunglückte der Fotograf Helmut Newton tödlich. John Belushi starb in seinem Zimmer dort einer Überdosis. Hunter S. Thompson trank sicherlich 130 Mint Juleps. Es erinnert an „Somewhere“, diesen traurig einsam schönen Film von Sofia Coppola. Und wie sich Stephen Dorff in der Rolle des Hollywood-Schauspielers Johnny Marco Zwillinge aufs Zimmer bestellt, die minutenlang und wahnsinnig schlecht an einer Stange für ihn strippen, und er dabei einschläft.

Kunst wie in einem Hitchcock-Film

Der Felix Schneeweiß zeigt das alles, obwohl er es ja nicht zeigt. Weil der durch das Weglassen so viel mehr in seine Arbeiten reinlegt, als sie eigentlich nach außen kommunizieren. Wie in den Hitchcock-Filmen, wo man gar nicht Zeuge von visueller Gewalt wird, und dadurch alles im Kopf passiert. Genauso schickt Schneeweiß einen durch seine Arbeiten. Er ist durch und durch Pop-Künstler, seine Arbeiten strotzen vor Verweisen und Zitaten.

„Klasse von eben“ heißt eine Installation. Zehn Schulhefte liegen nebeneinander auf einem zwei Meter langen Holzregal. „S.“ steht auf dem einen Heft, „Dash S.“ auf dem nächsten, irgendwo noch „Banks V.“ und „James F.“ und schließlich auch „Felix S.“ Schneeweiß träumt sich in eine fiktive Schulklasse, in der Schneeweiß mit Künstlern wie James Franco, Dash Snow, Banks Violette, Jay-Z oder Lana Del Rey zusammen Unfug treibt.

Mutter sieht Anwaltskosten als Investition

Der Künstler ist Jahrgang 1984. In Leipzig geboren. Da steht die Mauer noch. Als er zu Schule geht, liegt sein Geburtsort schon in einem anderen Land. Im wiedervereinigten Deutschland spielen sie Basketball, fahren Skateboard, sie sprühen Züge und Wände voll und hören dabei den Rap, der aus New York auch nach Deutschland kommt.

Schneeweiß machte genau das. Wände vollsprühen. Es ging ihm schnell nicht mehr um das Taggen, sagt er in den Galerieräumen. Taggen heißt auf die Wände nur den eigenen Namen schreiben. Ein Inbesitznehmen ist das. Er wollte malen, zeichnen, gestalten. Nichts wegnehmen, sondern etwas geben. Mit Freunden schafft er die ersten Arbeiten. Er will weiter als die anderen Sprayer. Er will zur Kunst. Die Anwaltskosten, die seine Mutter aufgrund einer vermuteten Schmiererei bereitstellen muss – Schneeweiß wird freigesprochen, aus Mangel an beweisen, die Kosten muss er trotzdem zahlen – sieht sie im Nachhinein als Investition, sagt er und lacht.

Überbleibsel eines Exzesses

In Dresden geht es zur Kunstakademie. Meisterschüler von Monika Brandmeier. Ab nach Berlin. So wie man das eben macht. Er geht auf Partys. So wie man das eben macht. „Früher dachte ich, ich verpasse etwas, wenn ich nicht auf Partys gehe.“ Er hat irgendwann gemerkt, wie lächerlich das ist. „Schritt nach drüben“ ist eine Position, die genau diese Idee reflektiert. Ein Besen, scheinbar achtlos stehengelassen in einem zusammengekehrten Konfettihaufen. Die Überbleibsel eines Exzesses. Wer hat mit wem geknutscht? Wer ist mit wem nach Hause gegangen? War die Party so gut, wie es aussieht, fragt sich der Betrachter zwangsläufig.

Auf ein Medium legt sich Schneeweiß nicht fest. Die wenigsten, die jetzt von den Akademien kommen, wollen nur noch Maler, nur noch Bildhauer werden. Sie wollen keine Spezialisten sein. Da sind die Zeichnungen, die Installationen, Fotoarbeiten, ein Basketball-Shirt und eine Klang-Collage. Schneeweiß hat eine Schallplatte aufgenommen. Zu hören ist nur das Knistern und Klacken der springenden Nadel einer Platte, die zu Ende ist. „Bitte erinnere Dich an mich, bitte“, hört man Schneeweiß’ Stimme nach zwei Minuten.

Ein Kranz, wie man ihn von Beerdigungen kennt

Bei aller Verspieltheit, zwischen dem Konfetti, den amerikanischen Stars, und den übermütigen Geistesblitzen eines fast 30-Jährigen, die Ausstellung „Best Boy“ ist keine Streberwerkschau. Die ist nicht happy, die ist nicht voller Glamour. „Best Boy“ ist ein Coming-Of-Age an der Schnittstelle zwischen lebendiger Zukunft und sterbender Kindheit. Ein Kranz, wie man ihn von Beerdigungen kennt, steht einsam in der Mitte des Raumes. „This is why I love you“, so der Titel der Arbeit.

Best Boy Felix Schneeweiß bis 8. März, Galerie Cubus-M, Pohlstraße 75, Öffnungszeiten: Mi – Fr 14 – 19 Uhr, Sa 11 – 19 Uhr