Washington. Nancy Pelosi ist zur Sprecherin des Repräsentantenhauses gewählt worden. Nun will sie US-Präsident Trump das Leben schwer machen.

Als Alexandra Pelosi nach der Art ihrer Mutter bei Terminen mit hohen Tieren gefragt wurde, redete die Dokumentarfilmerin nicht drumherum: „Sie reißt dir den Kopf ab. Und du weißt noch nicht mal, dass du blutest.“

Gehörte Nancy Pelosi nicht seit über drei Jahrzehnten zum festen politischen Inventar Washingtons, würde man die ihr angedichteten martialischen Fähigkeiten vielleicht als PR-Gag abtun. Aber die Mutter von fünf erwachsenen Kindern und Oma von neun Enkeln hat immer wieder bewiesen, dass Zähigkeit, Disziplin, Durchsetzungsvermögen und eine gewisse Gnadenlosigkeit zu ihren hervorstechenden Charakter-Eigenschaften gehören.

Damit wird die 78-jährige Demokratin ab sofort Präsident Donald Trump zusetzen. Nach dem Teil-Wahlsieg der Demokraten bei den Halbzeitwahlen im November steigt die Kalifornierin im Repräsentantenhaus zur „Madam Speaker“, zur Sprecherin, auf und wird im Verfassungsgefüge nach Präsident und Vize-Präsident Platz drei in der politischen Hierarchie Amerikas einnehmen.

Für Trump, der zwei Jahre lang die republikanische Doppel-Mehrheit gewöhnt war, ein Albtraum. Niemand weiß so effizient in das parlamentarische Machtgetriebe einzugreifen wie Pelosi. Hauptgrund: Sie hat es schon einmal getan.

Im neuen Abgeordnetenhaus sitzen 102 Frauen

Als sie 2007 als erste Frau den Holzhammer in die Hand nahm, mit dem sie die Abgeordneten vor und während der Sitzungen zur Ordnung ruft, sagte die zierliche Multimillionärin: „Wir haben heute die Marmordecke durchbrochen. Für unsere Töchter und Enkeltöchter ist die Grenze jetzt nur noch der Himmel.“ Ihre damals acht Jahre alte Enkelin Madeleine sekundierte: „Weil meine Oma diesen Job bekommen hat, glaube ich, dass mehr Frauen solche Jobs bekommen werden.“

Wohl wahr. Als Pelosi 1987 zum ersten Mal den kreuzliberalen Wahlbezirk 8 in San Francisco gewann und in der Hauptstadt aufschlug, war Washington fast eine reine Männer-Veranstaltung. Im am Donnerstag neu konstituierten Abgeordnetenhaus sitzen 102 Frauen, so viele wie nie zuvor. 89 davon sind Demokratinnen.

Bestens über jeden einzelnen Abgeordneten informiert

Bei ihrem Debüt zu Zeiten von Präsident George W. Bush erwarb sich Nancy Pelosi mit ihrer straffen Führung der Fraktion, in der Leihstimmen an die Republikaner als Sünde galten, den Ruf einer „eisernen Lady mit Samt-Handschuhen“. Bestens über jeden einzelnen Abgeordneten informiert, konnte sie Abstimmungsergebnisse sicher vorhersagen.

Ehemalige Mitstreiter berichten von „inquisitorischen Telefonanrufen morgens um halb sechs“. Pelosis Wille sei so „stählern“ wie das „anknipsbare Lächeln“, sagte ein ehemaliger Abgeordneter und fügte hinzu: Ohne Pelosis „unermüdliche Kärrnerarbeit“ wäre die bis dahin umfassendste Reform des Gesundheitswesens zu Zeiten von Präsident Obama „wohl nie durch das Abgeordnetenhaus gekommen“.

Pelosi war zwölf Jahre lang Bürgermeisterin von Baltimore

Pelosi ist ein Ostküsten-Gewächs. Als Nancy Patricia D’Alesandro Pelosi wurde sie am 26. März 1940 in Baltimore im Bundesstaat Maryland nördlich von Washington als Tochter italienisch-amerikanischer Eltern geboren. Sie wuchs mit fünf Brüdern im Stadtteil „Little Italy“ nördlich des Hafens auf. Vater Thomas D’Alesandro Jr. war von 1939 bis 1947 Abgeordneter im Repräsentantenhaus.

Später diente er zwölf Jahre lang als Bürgermeister von Baltimore. Wie danach auch Nancy Pelosis Bruder Thomas D’Alessandro III. Beim Studium am katholischen Trinity College in Washington lernte Nancy D’Alesandro ihren künftigen Mann Paul Pelosi kennen. Sie folgte ihm in dessen Heimatstadt San Francisco, wo Pelosi als Baulandentwickler und Investor ein Millionenvermögen aufbaute.

S ie ist für das Recht auf Abtreibung und gegen Kriegseinsätze

Erst als das jüngste der fünf Pelosi-Kinder vor dem Abitur stand, ging Nancy Pelosi in die Politik. Im Juni 1987 wurde sie bei einer Sonderwahl als Nachfolgerin einer verstorbenen Abgeordneten erstmals ins Repräsentantenhaus gewählt. Seither schaffte sie regelmäßig mit bis zu 80 Prozent der Stimmen die Wiederwahl. Zu ihrem Wahlbezirk gehören die Innenstadt von San Francisco inklusive Chinatown sowie der noblen Wohngebiete Pacific Heights, des Schwarzen-Stadtteils Fillmore und des berühmte Castro-Distrikts, wo viele Schwule und Lesben leben.

Das Multikulti-Flair ihrer Wahlheimat hat Pelosis Sicht auf die Dinge geprägt: Sie ist für das Recht auf Abtreibung, für die Gleichstellung von Homosexuellen, ein soziales Gesundheitssystem, hohe Mindestlöhne, Klimaschutz, gegen Kriegseinsätze. Und gegen hohles Männer-Gerede in der Politik.

Im Streit um die Grenzmauer zu Mexiko und den damit verbundenen Teil-Regierungsstillstand in Washington hat Pelosi mit Präsident Trump, der sich künftig mit ihr nolens volens arrangieren muss, bereits die Klingen gekreuzt. Nach einem im Fernsehen übertragenen Wortgefecht mit dem Präsidenten sprach Pelosi intern von einem „Pinkelwettbewerb mit einem Stinktier“. Trumps Mauerwahn sei Ausdruck von Macho-Allüren. „Als ob jemals Männlichkeit mit ihm in Verbindung gebracht werden konnte.“