Nur eiserner Wille hilft, die Motivation aufrecht zuerhalten. Rund 340 000 Menschen bilden sich an speziellen Instituten weiter. Wer durchhält, hat gute Karrierechancen.

Hamburg. Kauffrau Sandra Köpnick (32) arbeitet 37,5 Stunden pro Woche im Einzelhandel. Jetzt möchte sie sich ihren Traum erfüllen und Betriebswirtschaft studieren. Stefan Villmer (38) prüft gerade, wie er das Fernstudium Informatik neben seiner Arbeit zeitlich schaffen kann. Auch über den Anbieter ist er sich noch unschlüssig.

Was ist bei der Wahl eines Fernstudiums zu beachten, und wer eignet sich überhaupt dafür? Anders als beim Präsenzstudium bilden sich Fernlerner zu Hause weiter, allein und vorwiegend aus Studienbriefen. Diese sind recht umfangreich und lassen sich nicht so eben nebenbei erledigen. Die Studenten müssen deshalb viel Eigeninitiative und Disziplin mitbringen. "Man sollte sich selbst gut organisieren und motivieren können", sagt Markus Jung, Inhaber des Portals Fernstudium-Infos. Für viele Fernlerner ist diese Art der Weiterbildung besonders attraktiv, weil sie Familie und Beruf damit verbinden können. Aber das erfordert klare Absprachen und eine gute Organisation. "Bei Kindern können Sie Verständnis schaffen und sich zum gemeinsamen Hausaufgabenmachen verabreden", sagt Branchenkenner Jung, der selbst zwei Studiengänge per Fernstudium absolviert hat. Zeitlich sollten Fernlerner 15 bis 20 Stunden pro Woche investieren und Lerntermine fest in einen Kalender eintragen. Fernlehrgänge dauern von wenigen Monaten bis zu zwei Jahren.

Mehr als 330 Institute bieten zurzeit über 2100 Fernlehrgänge an, und rund 340 000 Menschen bilden sich aus der Ferne weiter, darunter 80 000 per akademischem Fernstudium. Nach einer Forsa-Studie haben Fernlerner bei Arbeitgebern und Personalern einen guten Ruf, denn diese schätzen die Disziplin und das Durchhaltevermögen, die für einen Abschluss notwendig sind. So gewähren Arbeitgeber für Klausuren oder Seminarpräsenzen auch mal Sonderurlaub - eher als finanzielle Zuschüsse.

Die mentalen Hürden seien jedoch nicht zu unterschätzen, sagt Markus Deimann, Motivationsforscher am Institut für Bildungswissenschaft und Medienforschung der Fernuniversität Hagen. "Motivationstiefs kommen auf fast jeden Fernstudenten zu." Erster Prüfstein sei deshalb der absolute Wille, das Studium durchzuziehen. Sein Rat: "Man sollte sich bei der Wahl des Fachs sicher sein und sich einen Traum erfüllen wollen." Außerdem müsse der angehende Fernlerner sein Ziel planen. Je konkreter er dieses formuliere, desto besser. Etwa: Ich schaffe einen Abschluss mit der Note 2 innerhalb von zwei Jahren. Auch über seine Ressourcen müsse sich jeder klar werden. Wie viel Zeit investiere ich? Habe ich einen ruhigen Platz zum Lernen?

Markus Deimann hat zusammen mit seinem Kollegen Benjamin Weber einen Willenstest - den Volitionalen Personen Test (VPT) - entwickelt. Interessierte können auf der Website der Fernuni Hagen kostenlos überprüfen, ob ihre Motivation für ein Fernstudium ausreicht. Sie erhalten durch den Test ein individuelles Profil über ihre Schwächen und Stärken sowie konkrete Tipps, wie sie an ihrer Motivation arbeiten können. Der Willenstest, den Deimann seit 2007 mit 30 000 anonymen Nutzern erprobt hat, ist vor allem ein Diagnose- und Interventionstool. Der Nutzer erfährt, wie gut seine Willenskompetenz entwickelt ist und wie er welche Strategien zukünftig einsetzen kann.

Motivation sei bei den Fernlernenden grundsätzlich schon vorhanden, reiche aber laut Deimann oft nicht, wenn im Laufe des Studiums Störungen und Tiefs kommen. "Gerade dann braucht es eine immense Willenskraft. Der Wille funktioniert wie ein Notstromaggregat und überbrückt kurzfristig eine Schieflage." Wille kann jedoch gezielt trainiert werden. Dazu hat Deimann Strategien entwickelt. So rät er Fernlernenden, ein Lerntagebuch zu führen, denn ein häufiges Problem beim Lernen sei das Aufschieben. Gleich mit dem Unangenehmen anfangen, Routinen und einen festen Tagesablauf einführen, sind weitere Tipps des Motivationsforschers. Auch Fragen zu bündeln, bevor der Berater angerufen oder das Studienzentrum aufgesucht wird, sei hilfreich. Außerdem sollten sich Fernlernende nicht zu viel vornehmen und lieber realistisch planen. Deimann: "Zwei bis drei Tage pro Woche sind jedoch das Minimum."

www.willenstest.fernuni-hagen.de