Der bundesweit einzige Masterstudiengang für Medizindesign wird seit einem Jahr an der Kunsthochschule in Kiel angeboten. Es werden noch weitere Studenten gesucht.

Der Patient, der ins Krankenhaus kommt, befindet sich nicht nur in einer misslichen Lage, sondern auch oft in einer ungastlichen Umgebung: Glatte, schnell zu desinfizierende Oberflächen prägen das Bild, was mit ihm passieren wird, wird nur unter Zeitdruck erklärt, um ihm dann die Instrumente und Geräte zu zeigen, mit denen er behandelt werden soll. In kaum einem anderen Bereich des Lebens trifft kalte Technik und menschliche Emotion so hart aufeinander wie in der Medizin. Die Hoffnung auf Heilung geht einher mit der Furcht vor der Behandlung.

Der Chefarzt der Schön-Kliniken in Hamburg-Eilbek, Dr. Florian Krug, und die Muthesius Kunsthochschule in Kiel beschäftigen sich seit 1994 eingehend mit dem Thema Medizindesign. Der Design-Professor Detlef Rhein führt seit vergangenem Jahr die Arbeit seines Vorgängers Professor Ulrich Hirsch fort. Seit nun einem Jahr gibt es in Kiel den bundesweit einzigen Masterstudiengang für Medical Design. Europaweit wird er nur noch an der Universität in Venedig angeboten.

Die Anzahl der Studenten an der Ostsee ist noch überschaubar - gerade drei haben sich für das Spezialfach entschlossen. "Unser Ziel ist es, dass wir im kommenden Semester fünf Studenten haben", sagen Krug und Rhein. Die Chancen dafür stehen gut: "Die Branche für Medizindesign wächst im Schnitt doppelt so schnell wie die übrige Wirtschaft", haben die Lehrenden beobachtet.

Grund dafür ist nicht nur der demografische Wandel unserer Gesellschaft. Gleichzeitig fordert zunehmender Kostendruck eine stetig höhere Effizienz im Medizingeschäft, während Diagnose- und Behandlungsmethoden immer komplexer werden.

In diesem Spannungsverhältnis setzen Rhein und Krug an und denken dabei über einzelne Geräte hinaus. "Ein Kraftfahrzeug ist ein ähnlich komplexes System wie ein moderner OP-Saal", sagt Krug. Trotzdem seien die meisten Autofahrer in der Lage, nahezu jeden Personenwagen ohne nennenswerte Einführung zu bedienen. "Von diesem Standardisierungsgrad ist die Medizintechnik noch weit entfernt", sagt er und formuliert damit das Ziel ihres Engagements. Es geht darum, komplizierte Abläufe sinnvoll zu vereinfachen und Kompatibilität zu erzeugen, um so Abläufe effizienter zu gestalten. Damit werden auch Fehlerquellen vermieden - die Vielzahl der unterschiedlichen Geräte überfordert nämlich auch so manche Mediziner und ihre Mitarbeiter. Standards und Kompatiblität senken nicht nur Behandlungskosten, sondern kommen auch dem Patienten zugute. Denn nicht allein, dass etwas wohlgeformt ist, nimmt die Angst vor einem Gegenstand - dass man ihn versteht, ist ebenso entscheidend.

"Ob ein Untersuchungsinstrument nicht nur gut funktioniert, sondern dabei nicht Furcht einflößend wirkt, ist ein wichtiger Punkt, der Einfluss auf den gesamten Behandlungsablauf hat", sagt Anette Ströh, die sich nach ihrem Produktdesign-Diplom vor zwei Jahren an der Bauhaus-Universität in Weimar für den neuen Masterstudiengang entschieden hat. Ihr geht es darum, die Geräte so zu verbessern, dass sie die Kommunikation zwischen Arzt und Patienten erleichtert. Gebrauchsgegenstände für Patienten sollen "respektvoller" gestaltet werden. In Thüringen hatte sie einen Urinbeutel gestaltet, der nicht nur an der Wade befestigt werden kann, damit er in Kombination mit langen Hosen fast unsichtbar ist. Er ist außerdem so geformt und befestigt, dass der Träger damit sogar Sport treiben kann, was mit üblichen Beuteln problematisch ist.

Dass sich der Mensch bei aller technischen Raffinesse auch wohlfühlen muss, haben auch die Hersteller von medizinischen Geräten erkannt. Bei Siemens sind die Designer damit beschäftigt, nicht nur die Effizienz zu erhöhen, sondern auch die Akzeptanz beim Patienten. "Human Simplicity" nennt das die Diplom-Designerin Silke Weis, die bei Siemens Healthcare den Posten Expert Corporate Design innehat. Wie das dann in der Realität aussieht, zeigt sich beispielsweise an zwei neuen Kernspintomografen.

Verbesserte Software und optimierte Technik sorgen für sichere und schnelle Untersuchungen. Zudem wurden die Abmessungen der Röhre, in die die Patienten zur Untersuchung geschoben werden, mit 70 Zentimetern Durchmesser nun großzügiger gestaltet, was bei Kindern und klaustrophobischen Menschen die Angst vor der Behandlung schmälern soll. "Das führt auch dazu, dass weniger Beruhigungsmittel benötigt werden", erläutert Weis den positiven Effekt guten Medizindesigns. Die Verkleidungen der Skyra und Aera genannten Geräte ist zudem in verschiedenen Versionen erhältlich: entweder futuristisch mitsamt einer MoodLight-Beleuchtung, die eine freundliche Atmosphäre schaffen soll, oder mit hölzernen Applikationen an der Front, was eine reine medizintechnische Anmutung vermeidet. Dass vor diesem Trend der Bedarf an studierten Medizindesignern künftig steigt, ist für die Unternehmen der Branche keine Frage mehr.

Auch Rhein und Krug sind sich sicher, dass Medical Design an Bedeutung gewinnen wird. Nicht nur in der Medizin, denn diesen Bereich sehen sie als "komplexen Mikrokosmos, der beispielhaft für viele Bereiche in unserer Gesellschaft" steht.