Trotz Fachkräftemangel und einer immer älter werdenden Bevölkerung bietet Hamburg sehr gute Voraussetzungen für einen sich weiter positiv entwickelnden Arbeitsmarkt

Über das gesamte Frühjahr 2015 hinweg hat sich der Hamburger Arbeitsmarkt positiv entwickelt. Grund hierfür ist eine konstant hohe Nachfrage nach Arbeitskräften. So gab es nach Angaben der Agentur für Arbeit im März in Hamburg 902.900 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte – 3800 mehr als im Februar (+ 0,4 Prozent) und 14.200 mehr als im März 2014 (+1,6 Prozent).

Demografische Entwicklung als Faktor

Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels stellt sich die Frage, ob sich die nicht nur aktuell, sondern seit Langem zu beobachtende positive Entwicklung – in den zurückliegenden 15 Jahren ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Hamburg um etwa 160.000 gestiegen – in den kommenden Jahren fortsetzen wird. Denn: Die ökonomische Entwicklung Hamburgs und seiner Branchen ist nicht zu trennen von der älter werdenden Bevölkerung. Über eines herrscht Einigkeit: Auf dem Arbeitsmarkt wird das Angebot an Fach- und Arbeitskräften insgesamt knapper. Die Hansestadt steht vor der Herausforderung, ihre Position als internationale Metropole, strategisch wichtiges Handelszentrum und attraktiver Unternehmensstandort in Europa vor dem Hintergrund des demografischen Wandels zu festigen beziehungsweise weiter auszubauen.

Chancen in den Märkten nutzen

Im Juni wurden zwei im Auftrag der Hamburger Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation erstellte Studien veröffentlicht, die sich diesem Themenkomplex widmen: Die Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung mbH (GWS) durchleuchtet die Auswirkungen des demografischen Wandels im Bundesgebiet auf die verschiedenen Branchen, auf Nachfrageverschiebungen und Kosteneffekte – dies vor allem mit Blick auf die Konsequenzen, die sich daraus für Hamburg ergeben. Staatsrat Rolf Bösinger stellte bei der Vorstellung der Studie klar, dass Zuwanderung ein Wirtschaftsfaktor sei, auch zur Sicherung und Schaffung neuer Arbeitsplätze. Deutschland befände sich zudem bundesweit „mitten im demografischen Wandel“. Ohne eine starke Wirtschaft und ohne diese neuen Arbeitsplätze ließen sich die Folgen des Wandels nicht bewältigen.

Von diesem Wandel im Bundesgebiet könne Hamburg sich nicht abkoppeln, schließlich befänden sich die Kunden der Hamburger Produzenten und Dienstleister überwiegend im Bundesgebiet. Umso mehr gelte es, die Chancen sich entwickelnder Märkte zu nutzen und die Herausforderungen, die sich aus der Verschiebung der Altersstruktur der Beschäftigten ergeben würden, anzunehmen. In der zweiten Studie widmet sich das Niedersächsische Institut für Wirtschaftsforschung (NIW) den veränderten Rahmenbedingungen in der Metropolregion Hamburg. Im Kern untersucht die Studie die Chancen und Herausforderungen Hamburgs für ausgewählte Produkte und Dienstleistungen – insbesondere vor dem Hintergrund der sich verändernden (Alters-) Struktur der Beschäftigten.

Grundsätzliche Innovationsfähigkeit

Das NIW kommt zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen der Stadt für zukünftiges Wachstum gegeben sind. Chancen ergeben sich vor allem im Hinblick auf neue Absatzmärkte, die sich aufgrund der grundsätzlichen Innovationsfähigkeit der Hamburger Wirtschaft auch erschließen ließen. Eine besondere Rolle spielt auch laut dieser Studie die Zuwanderung. Sie müsse angesichts des jeweiligen spezifischen Bedarfs der Unternehmen als Instrument zur Erhaltung und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit genutzt werden. Überhaupt sei die Internationalisierung der Stadt und ihrer Wirtschaft mitentscheidend für ein Beschäftigungswachstum. Hamburg sei gefordert, sein Image als gesellschaftlich und wirtschaftlich weltoffene Stadt aufrechtzuerhalten, auszubauen und offensiv zu nutzen. Hilfreich sei dabei, dass der demografische Wandel in der Hansestadt im Vergleich zum übrigen Bundesgebiet schwächer ausfalle.

Herausforderung Ausbildung

Auch die Ausbildung der Arbeitskräfte von morgen stelle, so die Studie weiter, eine besondere Herausforderung dar. Das schulische Qualifikationsniveau in der Stadt sei überdurchschnittlich. Dagegen fielen Niveau und Entwicklung der Schülerzahlen in der übrigen Metropolregion deutlich ab. Der Mobilisierung von bislang unterrepräsentierten Bevölkerungsgruppen in der Berufsausbildung komme eine wichtige Rolle zu. Auszubildende würden von Hamburger Unternehmen in der Regel aus der Kernstadt und dem direkten Umland rekrutiert. Hier sei es schon heute vielfach problematisch, gute und verlässliche junge Menschen zu gewinnen – gerade im Baugewerbe, im Einzelhandel und im Pflegesektor. Die Zahl der Kinder und Jugendlichen in Hamburg wird im Verlauf der nächsten Jahre deutlich zurückgehen, so dass es zunehmend schwieriger wird, Auszubildende für den eigenen Fachkräftenachwuchs zu gewinnen. In diesem Bereich müssten die Anstrengungen verstärkt werden, um auch „ausbildungsferne“ Gruppen für eine Ausbildung zu qualifizieren, etwa junge Menschen ohne Schulabschluss oder mit schlechter schulischer Vorbildung, Migranten oder auch Ältere. Hamburgs Unternehmen sind laut Studie noch stärker gefordert, mehr Praktika bereitzustellen oder betrieblichen Förderunterricht anzubieten. Die Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik allein könne diese Herausforderung nicht bewältigen.