Sprungbrett in den Arbeitsmarkt - Matthew Larnyo und Luca Frankenstein machen ihr Freiwilliges Soziales Jahr und wollen anderen Mut machen.

Als Junge wollte Matthew Polizist und später dann Bankkaufmann werden. In der achten Klasse machte er ein dreiwöchiges Praktikum in einem Hotel. Frühstück vorbereiten, abräumen, Obst schälen und Zimmer aufräumen gehörte zu seinen Aufgaben. Den 16-Jährigen, der drei jüngere Geschwister hat, interessieren Menschen.

"Büroarbeit mit viel Sitzen ist nichts für mich", sagt Matthew und lacht. Deshalb war das Rollstuhltraining eine neue Erfahrung für ihn. Es gehört zum Seminar-Programm des Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ), das Matthew seit fünf Monaten im Seniorenzentrum St. Markus in Eimsbüttel macht. "Ich saß fünf Stunden im Rollstuhl, konnte weder die Beine ausstrecken noch spontan Hindernissen ausweichen." Er habe die Stadt und die Menschen aus ungewohnter Perspektive erlebt und viel gelernt. Diesen Seminartag hat Matthew genauso ernst genommen wie seine Aufgaben im St.-Markus-Heim. Hier betreut er seit fünf Monaten alte Menschen, hilft ihnen beim Essen, nimmt sich Zeit für sie. Er weiß genau, wer welche Speise mag und kennt viele persönliche Geschichten der Bewohner. Manchmal entstehen Freundschaften zwischen dem jungen Mann, dessen familiären Wurzeln in Ghana liegen, und den alten Menschen.

Matthew, der zweimal pro Woche und an seinen freien Wochenenden Handball spielt, trifft häufig auf Erstaunen über seine Berufswahl - auch bei seinen Freunden. Dann erwidert er einfach: "Wir sind hier ein weiterer Arm für die alten Menschen." Wenn Pflegedienstleiterin Ina Graveley sagt, dass Matthew gut in das Team passt, glaubt man ihr das gern. Seine Fröhlichkeit und Warmherzigkeit stecken an. Matthew verbreitet gute Laune. Und wie sieht er sich selbst? "Ich bin hilfsbereit, neugierig, offen und gelassen." Wichtige Eigenschaften für den Beruf des Altenpflegers, der zudem viel Verantwortung und Einsatz bedeutet - an 365 Tagen im Jahr.

Im Seniorenzentrum leben 116 Bewohner zwischen 65 und 103 Jahren von Pflegestufe null bis drei. Auf der Wohnstation von Matthew leben 29 Menschen, die täglich viel Hilfe benötigen. Allerdings gehören Medikamente verteilen oder Kathederwechsel nicht zu Matthews Aufgaben. Außer dem 16-Jährigen machen 15 weitere junge Menschen ihr FSJ im Altenheim. "Sie sind eine große Hilfe für das Pflegepersonal", sagt Graveley und weist auf einen weiteren Vorteil des FSJ hin: "Man weiß nach dem Jahr genau, wer es mit seiner Ausbildung ernst meint."

Eine Lehre zum Altenpfleger steht für Matthew fest. Aber er will weiterkommen. Vielleicht später im Pflegemanagement arbeiten und zusätzlich halbtags in der ambulanten Pflege - vieles ist in diesem Beruf möglich. Und eine Gefahr besteht nicht: "Wir werden nicht arbeitslos", sagt Matthew.

Luca Frankenstein kennt seit ihrer Geburt pflegebedürftige Menschen in ihrer Nähe, denn ihre Eltern und ihr Onkel arbeiten alle in sozialen Berufen. Vielleicht gerade deshalb wollte sie zunächst einen anderen Weg gehen. Die 20-Jährige träumte vom Fotografiestudium. Dafür war das Abitur Voraussetzung. Als sie dies nicht schaffte, beendete Luca an der Rudolf Steiner Schule in Bergstedt ihre Schulzeit - und war zunächst ohne berufliche Orientierung. "Ich habe dann Praktika beim Film und später 18 Monate in einer Eventfirma gemacht." Lucas Eltern waren sich immer sicher, dass ihre Tochter wie sie einen sozialen Beruf ergreifen würde. Von ihrer Mutter kam dann der Tipp, im Kinderheim Erlenbusch in Volksdorf ein Praktikum zu machen. Seit Mai vergangenen Jahres absolviert Luca in dem Heim für schwer und mehrfach behinderte Kinder ihr FSJ. "Ich bin endlich im Beruf angekommen", sagt Luca.

Die ersten paar Tage seien zwar schwierig gewesen, denn sie hatte die Schwere der Behinderungen der Kinder anders eingeschätzt. In ihrer Gruppe betreut Luca mit zwei anderen jungen FSJlern acht Kinder von 5.30 Uhr morgens bis abends - an jedem zweiten Wochenende hat sie Dienst. Nach ihren Aufgaben gefragt, antwortet Luca: "Ich pflege, wasche, ziehe sie an, füttere die Kinder und mache alles, was sie nicht können. Und sie können nicht viel."

41 Kinder, die zwischen wenigen Wochen und 20 Jahre alt sind, leben im Kinderheim in fünf Gruppen. Sind die Kinder glücklich und lachen, ist für Luca ein guter Tag. "Mir gefällt die Arbeit - es ist das, was ich kann und will." Später möchte Luca, die früher bei den Pfadfindern aktiv war, eine Ausbildung zum Heilerziehungspfleger machen. Dafür ist eine zweijährige Berufstätigkeit vorausgesetzt, das FSJ wird angerechnet. Luca: "Das FSJ ist eine sinnvolle Sache. Das sollte eigentlich jeder machen."