Informatik, Mathematik und Naturwissenschaften – der Studiengang Computing in Science vereint alle drei Fächer zu einem spannenden Arbeitsfeld

Schon mal von „Mighty Mouse“ gehört? Disneys Nager-Variante von „Superman“ hatte es 1942 auf die Leinwand geschafft. Mehr als 50 Jahre hat es dann aber noch gedauert, bis Wissenschaftler der Ursache für den extremen Muskelaufbau bei echten Mäusen auf die Spur kamen: Er liegt am Gen Myostatin, das das Muskelwachstum hemmen sollte. Tut es das nicht, kommt es zum „Mighty Mouse-“ oder „Popeye-Effekt“.

Um herauszufinden, welche Mutation genau das Myostatin außer Betrieb setzt, nehmen Forscher das Protein genau unter die Lupe, schlüsseln es auf, analysieren jeden einzelnen Baustein. Und da kommt der Computer ins Spiel: „Ohne Software-Unterstützung ist genetische Analyse nicht machbar“, sagt Professor Stefan Kurtz, Leiter der Arbeitsgruppe für Genominformatik am Zentrum für Bioinformatik der Universität Hamburg, und erklärt die Idee hinter dem Studiengang „Computing in Science“, kurz CiS genannt.

„Die Informationstechnologie ermöglicht Experimente, bei denen extrem große Datenmengen anfallen, die systematisch gespeichert, ausgewertet und analysiert werden müssen. Für diese Aufgaben braucht man entsprechend ausgebildete Experten, die das naturwissenschaftliche Anwendungsfeld kennen und die Methoden der Informatik und Mathematik beherrschen“, erklärt Professor Kurtz. So sei 2009 der Studiengang entstanden. CiS ist eine Verschmelzung von Informatik und Mathematik mit Chemie, Biochemie und Physik – wobei jeweils eines der naturwissenschaftlichen Fächer als Schwerpunkt studiert wird.

Andreas Blaufelder ist ein Student des ersten Jahrgangs. „Ich hatte zunächst an ein reines Informatik-Studium gedacht, aber dann fand ich die Mischung aus mehreren Studiengebieten viel interessanter“, sagt er. Zu dieser Mischung gehört auch eine grundlegende Mathematikausbildung. Die ist notwendig, um zu verstehen, wie naturwissenschaftliche Probleme modelliert werden können. „Mit Informatik und meinem Schwerpunkt Biochemie bin ich gut zurechtgekommen, Mathe war allerdings nicht ganz so einfach in den Griff zu kriegen.“ Inzwischen hat der 25-Jährige das Bachelorstudium abgeschlossen und startet in sein drittes Master-Semester Bioinformatik.

Mathe machte auch Christian Casar zu schaffen. „Die Module sind wirklich anspruchsvoll“, sagt der 27-Jährige, der eine Ausbildung zum Fachinformatiker mitbringt, was beim Einstieg in das Studium sicher nicht schaden kann. „Für CiS sollte man wirkliches Interesse mitbringen. Wer sich für das Studium entscheidet, nur weil er meint, hier winken gute Zukunftsaussichten, könnte sich schnell überfordert fühlen“ sagt Christian Casar. Dass die Zukunftsaussichten wirklich gut sind, bestätigt Professor Kurtz. „Wegen des Fachkräftemangels werden Absolventen aus unserem Umfeld oft vom Fleck weg engagiert und können mit einem Einstiegsgehalt von 35.000 Euro pro Jahr aufwärts rechnen.“ Überdies führe CiS in eine ausgesprochen interessantes Berufsumfeld.

Wer CiS kennenlernen möchte, ist beim Schnupperstudium richtig, das in der Regel zweimal im Jahr vom Zentrum für Bioinformatik angeboten wird. Einen Tag lang gibt es einführende Vorträge und erste Übungen am Rechner, um hautnah zu erleben, wie sich Lösungsansätze für naturwissenschaftliche Fragestellungen mittels Computerunterstützung finden lassen.

Die Doktorandin Nadine Schneider zum Beispiel führt ein in die Welt des computergestützten Wirkstoffentwurfs. „So manches Medikament wäre ohne IT-Einsatz noch längst nicht auf dem Markt“, sagt Schneider. Auch die Hamburger Biotechfirma Evotec baut auf Technikeinsatz, erzählt sie. „Dort werden Screening-Roboter eingesetzt, um neue Moleküle, die als Wirkstoffkandidaten infrage kommen, zu identifizieren. Die systematische Auswertung übernimmt der Computer“, erläutert Schneider.

Damit die Schüler das ganz praktisch nachvollziehen können, geht es an die Rechner. Gesucht wird ein neuer Wirkstoff gegen den Schweinegrippevirus. Dazu soll ein Molekül gefunden werden, das sich das Hüllprotein Neuraminidase vornimmt, um den Prozess der Abspaltung von der Wirtszelle nach einer Infektion mit Influenzaviren aufzuhalten. Während Forscher dazu Millionen verschiedener Moleküle testen, üben die Schüler an sechs verschiedenen, die sie in der institutseigenen Datenbank finden. Auf den Bildschirmen erscheint daraufhin eine grafisch animierte Molekülstruktur, die sich von allen Seiten betrachten, drehen und heranzoomen lässt.

Konzentriert arbeiten die Schüler die verschiedenen Möglichkeiten durch. Ein Molekül passt dann optimal: Oseltamivir. Das ist der Wirkstoff, den wir unter dem Markennamen Tamiflu kennen. „Schade, da haben wir wohl keine neue Entdeckung gemacht. Heute werden wir also noch nicht reich“, lautet dann auch das trockene Resümee von Nadine Schneider.