Zehn lehrreiche Wochen: Maschinenbauer, Ingenieure und Techniker müssen vor dem Unistart ein Praktikum absolvieren und richtig anpacken

Feilen, Meißeln, Sägen, das geht klar. Aber was bedeuten Honen, Läppen oder Räumen unter der Überschrift der „spanenden Fertigungsverfahren“? Als Jonas Kalinka sich nach Schulende für ein Maschinenbaustudium an der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH) entschied, stieß er auf eine Praktikantenverordnung, die Fragen aufgab. „Ich komme vom Hof, ich hatte schon als Schüler Hammer und Flex in der Hand, aber die Hälfte der Begriffe aus der Verordnung kannte ich nicht.“

Die Praktikantenverordnung sieht vor, dass bereits Studienanfänger Elementarkenntnisse der industriellen Fertigung mitbringen. Dabei stehen aber auch handwerkliche Tätigkeiten, wie Gießen und Schmieden, Schweißen und Löten in den Anforderungen. Drei von vier Bereichen sollen angehende Maschinenbauer laut TUHH von der Montage bis zu Trennverfahren möglichst abdecken, darunter die „spanenden Fertigungsverfahren“.

Kalinka weiß mittlerweile, dass Spanen eher mit Spänen als mit Spannung zu tun hat. Spätestens seit er ein Grundpraktikum bei einem Kfz-Mechaniker, dann bei einem Kunstschmied und schließlich in einem mittelständischen Betrieb für Kompressoren absolvierte: „Bei dem Kunstschmied durfte ich viel selbst machen, schweißen und Freiformen schmieden. Das war richtig cool.“

Das Grundpraktikum, das auch Vorpraktikum genannt wird, weil es im Idealfall vor Studienbeginn absolviert wird, ist keinesfalls nur auf die Maschinenbauer oder die TUHH beschränkt. Es ist seit vielen Jahren Voraussetzung für die meisten technischen Studiengänge. Der Praktikumsnachweis muss allerdings erst nach dem vierten Semester vorliegen, sodass er auch noch nachgeholt werden kann. Mit zwei entscheidenden Nachteilen, betont Randolf Isenberg, Professor an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften, HAW Hamburg: Mehr Stress in den ersten Semesterferien und weniger technisches Verständnis am Studienanfang.

„Das Vorpraktikum ist eminent wichtig, wenn es um Bauteile und industrielle Fertigung geht. Es stärkt das Vorstellungsvermögen entscheidend“, sagt Isenberg. In seinem Fachbereich Maschinenbau und Produktion landen zu 30 Prozent Kandidaten, die bereits eine technische Lehre abgeschlossen haben. Sie müssen kein Vorpraktikum mehr absolvieren. Sehr wohl aber alle Bewerber mit Fachhochschulreife oder Abitur: „Gerade die Mathe-Einserkandidaten benötigen das.“

Isenberg weiß, dass die Praktikumssuche für die Schulabgänger häufig ein echter Angang ist. Zum einen, weil ihnen die Anforderungen fremd sind. Zum anderen, weil der Zeitdruck neben dem Schulabschluss enorm ist. „Die müssen sich ordentlich zur Decke strecken, sich Firmenlisten besorgen, mit Personalabteilungen sprechen.“ Was erschwerend hinzukommt: Die Aspiranten müssen sich schon um die Praktikantenstellen bewerben, bevor sie überhaupt eine Zusage für den gewünschten Studienplatz haben.

Jonas Kalinka hat das Problem gelöst, indem er nach der Schulzeit ein Jahr Pause eingelegt hat. Seine Kommilitonin Saskia Schöler hat sich ziemlich kurzfristig und einfach mal „ins Blaue hinein“, sprich ohne Zusage für den Studienplatz, bei einem benachbarten Gerätebauer beworben. „Ich wohne in Bleckede auf dem Land, da gibt es nicht so viel Auswahl.“ Dafür ist die Zahl der Mitbewerber auch nicht so groß, jedenfalls ist die Abiturientin sofort untergekommen: „Ich hatte nicht viel Zeit und bin mit einem etwas mulmigen Gefühl dorthin gegangen“, sagt die 19-Jährige heute rückblickend.

Schließlich sind nicht nur Arten der Oberflächenfeinbearbeitung für Abiturienten ein Buch mit sieben Siegeln. „Als Neuling, schüchterner Typ und dann noch Mädchen war das nicht leicht“, sagt die angehende Maschinenbauerin. In der Lehrwerkstatt hatte sie mit Krach, Dreck und schweren Maschinen zu kämpfen. Umso besser hat ihr die Arbeit in der Qualitätssicherung gefallen. „Die Mitarbeiter haben mir vom ersten Tag an viel zugetraut, das hat mir Spaß gemacht.“

Indirekt gab das Praktikum daher auch einen Motivationsschub für das Studium: „Ich möchte später nicht in der Werkshalle stehen, sondern die Maschinen konstruieren“, sagt Schöler. Auch inhaltlich hält sie das Praktikum für eine gute Investition: „In Werkstofftechnik weiß ich aus der Praxis, was beispielsweise die Vorteile von Aluminium sind, und in der Konstruktionslehre habe ich genauere Vorstellungen als Kommilitonen, die noch kein Praktikum absolviert haben.“

Bestimmte Maschinenelemente gesehen und bedient zu haben, dient nicht nur dem Studienerfolg, sondern auch dem Beruf, betont der 21-jährige Kalinka. Für ihn persönlich war das Praktikum doppelt zukunftsweisend: In dem Ingenieurbüro wurde ihm klar, dass der Maschinenbau nicht seine Sache ist. „Die haben hauptsächlich Baureihen erstellt, nicht viel gerechnet, das kam mir stumpf vor.“ Jonas Kalinka sattelte auf Mechatronik um. Sein Vorpraktikum war dennoch nicht vergebens: Die Anforderungen sind dieselben wie bei den Maschinenbauern.