Ein Migrationshintergrund kann für Azubis ein Plus sein. Hamburg bietet eine Reihe von Fördermöglichkeiten

Großer Saal im Gewerbehaus am Holstenwall: Murat sitzt beim Einzelgespräch am Stand der Handwerkskammer und lässt sich das duale Ausbildungssystem mit den zwei Säulen Betrieb und Berufsschule erklären. Als er nicht ganz folgen kann, wechselt die Beraterin die Sprache. Denn Murat ist Uigure und spricht das dem Türkischen verwandte Uigurisch. Seit anderthalb Jahren ist der 19-Jährige in Hamburg und hat durchaus ein klares Ziel vor Augen. „Ich möchte Informatik studieren.“ Da es aber mit den Deutschkenntnissen noch etwas hapert, hat ihm Hilal Rischmüller von der Hamburger Kinder- und Jugendhilfe e.V. zum Besuch der Ausbildungsmesse „Integration durch Ausbildung“ geraten. „Einfach um sich zu informieren und einen Plan B zu entwickeln.“ Allein in diesem Jahr konnten hier rund 350 Besucher aus der Türkei, afrikanischen und asiatischen sowie verschiedenen EU-Ländern einen Überblick über verschiedenste Berufe und Ausbildungen bekommen. Rischmüller und ihre Kollegen sind gleich mit einer ganzen Reihe ihrer Schützlinge gekommen und besuchen nun die Stände der Agentur für Arbeit, verschiedener Innungen oder die der zahlreichen Bildungs- und Beratungsträger. Daneben sind verschiedene Unternehmen vertreten, auf der Suche nach passenden Auszubildenden.

Die sind längt nicht mehr so einfach zu finden, denn der einstige Arbeitgebermarkt hat sich zum Bewerbermarkt gewandelt. „Jeder einzelne Jugendliche ist heiß begehrt“, erklärt Jörg Ungerer, Bereichsleiter Bildungspolitik der Handwerkskammer Hamburg. Insofern sei der Fachkräftemangel ein Segen für die Integration, „denn so steigt die Zahl der Hilfsangebote für diejenigen, die noch etwas Unterstützung benötigen“.

Über diese Unterstützung informiert auf der Messe zum Beispiel die „Beschäftigung + Bildung e.V.“, die sich der Ausbildungsvorbereitung für Jugendliche ohne Ausbildungsreife widmet. Am Stand der „passage gGmbH“ können sich arbeitslose Jugendliche über Qualifikations-, Beschäftigungs- und Integrationsangebote informieren und Eltern mit Migrationshintergrund sind am Stand der „Unternehmer ohne Grenzen e.V.“ richtig.

Der Bedarf für die Ausbildungsmesse ist da: In Hamburg hat jeder zweite Jugendliche unter 18 Jahren einen Migrationshintergrund. Das ruft auch die Politik auf den Plan. So ist Heinz Ackermann vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie angereist und beschreibt einen positiven Trend: „Viele Unternehmen suchen explizit Migranten wegen ihres kulturellen Hintergrunds. Viele sind mehrsprachig und besitzen das richtige Know-how für den Umgang mit internationaler Klientel.“ Ackermann findet daher, dass Migranten „ein Pfund haben, mit dem es sich zu wuchern lohnt“.

Aber wo nur dieses Pfund einsetzen? Özgür Dagarslan ist genau wegen dieser Frage mit seiner 16-jährigen Tochter Ecem zur Messe gekommen. „Ecem hat viele Talente, von Mathematik bis Kunst. Da ist es nicht leicht, die richtige Ausbildung zu finden“, befürchtet er. Die Zehntklässlerin sieht der Entscheidung hingegen noch recht entspannt entgegen. „Bis zum Abitur habe ich ja noch Zeit. Aber ich möchte mich schon mal über verschiedene Berufe informieren und darüber, was für Möglichkeiten zur Unterstützung es auf dem Weg dahin gibt.“ Das Stipendien- und Mentorenprogramm „Geh deinen Weg“ der Deutschlandstiftung Integration sei ihr dabei besonders aufgefallen. „Da bekommt man während der Ausbildung oder des Studiums einen Karriereberater zur Seite gestellt.“

Tatsächlich ist der „Geh deinen Weg“-Stand gut besucht, aber auch Monika Ehmke und Kerstin Fulge von der KWB (Koordinierungsstelle Weiterbildung und Beratung) sind stark gefragt. Sie stellen das Projekt „BQM Beratung, Qualifikation, Migration“ vor. „Wir beraten bei der Ausbildungsplatzsuche und bieten Hilfestellung bei den Bewerbungsunterlagen“, erklärt Ehmke. Aber auch ganz handfeste Tipps für das Vorstellungsgespräch sind gefragt. „Wir raten, die Kleidung auf die jeweilige Branche abzustimmen. Außerdem: Handy aus, Kaugummi raus und wenig Schmuck und Schminke“, fasst Fulge knapp zusammen.

Tipps für Anschreiben und Lebenslauf finden die Messebesucher im Raum nebenan. Milica Cecar, Ausbildungsvermittlerin beim Arbeitgeberservice Hamburg, rät von Standardformulierungen ab. „Individuell formulierte Bewerbungen haben die besseren Chancen.“ Sie empfiehlt, einen ersten Entwurf allein zu schreiben und diesen dann einem Experten zur Überprüfung vorzulegen. „Das kann eine Beratungsstelle, die Jugendberufsagentur oder auch ein Lehrer sein.“

Während ein Großteil der Besucher sich über allgemeine Zugangsanforderungen für die rund 350 Ausbildungsberufe in Deutschland informiert, hat Dilan Yildirim eine ganz spezielle Ausbildungsform im Blick: „Ich würde gern dual studieren, habe aber gehört, dass die Anforderungen sehr hoch sind.“ Die 18-Jährige ist zusammen mit ihrer Mutter und kleinen Schwester gekommen – die jedoch dem regen Treiben um sich herum nicht die geringste Aufmerksamkeit schenkt. Baby Lisa ist erst wenige Monate alt und schläft zufrieden in den Armen ihrer Mutter. Auch Dilan ist nun viel entspannter. „Nachdem ich mich informiert habe, was genau ich mitbringen muss, weiß ich, dass es zu schaffen ist – und darauf werde ich jetzt hinarbeiten.“