Erlangen/Neckargemünd (dpa/tmn). Neue Software, neue Anforderungen, neue Strukturen: Viele Beschäftigte müssen sich am Arbeitsplatz laufend auf Ungewohntes einstellen. Das kann schwerfallen. Doch es gibt Strategien, die helfen.

Tagein, tagaus die gleiche Arbeit - das war einmal. Die Digitalisierung sorgt für permanente Veränderungen im Arbeitsalltag: Neue Software wird eingeführt, Workflows werden überarbeitet, Teams neu strukturiert.

Das kann für willkommene Abwechslung sorgen - ein Job ohne neue Herausforderungen ist irgendwann schlicht und ergreifend langweilig. Aber Wandel kann auch überfordern, weil das Tempo zu hoch ist, weil Strukturen sich nicht mehr festigen können, weil es einem einfach zu viel wird.

„Die Veränderungen in der Arbeitswelt verunsichern viele Beschäftigte“, beobachtet Cornelia Niessen, Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Erlangen. Oft sind dabei gemischte Gefühle im Spiel: Veränderungen würden zum einen als positive Herausforderungen betrachtet, so Niessen. Zugleich fühlten sich aber auch viele bedroht und sorgten sich, dass sie die neuen Aufgaben nicht bewältigen können, möglicherweise sogar ihren Arbeitsplatz verlieren.

Nicht nur abwarten

Angst jedoch kann eine fatale Spirale in Gang setzen: „Wenn man Angst hat, lernt man schlechter, kann sich weniger gut an eine neue Situation anpassen“, sagt die Leiterin des Lehrstuhls für Psychologie im Arbeitsleben. Zur Unsicherheit gesellt sich oft das Gefühl, den Dingen ausgeliefert zu sein, Veränderungen mitmachen zu müssen, ohne mitgestalten zu dürfen.

Doch selbst wenn die Führungsetage Entscheidungen trifft, ohne die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzubeziehen, ist passives Abwarten und genervtes Abtauchen die schlechteste Strategie: „Es muss ein positiver Zugang zur Veränderung sichtbar und fühlbar sein, sonst blockiert das Unterbewusstsein, das leider gar nicht scharf auf Veränderung ist“, sagt Martina Nohl, Laufbahncoachin aus Neckargemünd. Sie berät Menschen, die in beruflichen Veränderungsprozessen stecken, und bildet Change-Coaches aus.

Aber wie soll das gehen, wenn man angesichts ungewohnter neuer Aufgaben ohnehin schon strampelt - und dann womöglich auch noch die Einladung zur Schulung für das neue digitale Tool im Mail-Postfach liegt?

„Der beste Weg, den ich kenne, ist, sich immer wieder freiwillig im Privatleben Veränderungsherausforderungen zu stellen“, sagt Nohl. Zu einfach sollte man es sich dabei nicht machen. Ein bisschen „Flattern im Bauch“ sei wichtig: „Mit dieser Erfahrung von Selbstwirksamkeit kann man dann auch gut in berufliche Veränderungsprojekte gehen. Die Prinzipien der Veränderung sind immer die gleichen.“

Helfen könne zudem das Gespräch mit Kolleginnen und Kollegen, bei denen man den Eindruck hat, dass sie den Wandel gut bewältigen, sagt Nohl. Wie schaffen sie es, offen gegenüber Neuem zu bleiben und die Lust am Lernen zu bewahren? Oft liege das Erfolgsgeheimnis in der Fähigkeit, im Veränderungsprozess zumindest einzelne Aspekte zu entdecken, die spannend sind, die einem vielleicht sogar Vorteile bringen können. Das motiviert, kann Blockaden lösen und Kräfte freisetzen.

Kritische Nachfragen nicht als Widerstand betrachten

Einfach ist es nicht, Überforderung und Verunsicherung einzugestehen. Weder sich selbst gegenüber, noch im Team und erst recht nicht gegenüber dem Chef oder der Chefin. Aber sollte man das Gespräch mit der Führungskraft überhaupt suchen? Oder schwächt das nicht eher die Position im Team? „Wenn es in der Firma Unterstützungsangebote gibt, die auch bezahlt werden, ein Coaching beispielsweise, kann das durchaus sinnvoll sein“, sagt Laufbahnberaterin Nohl.

Und es eröffnet die Möglichkeit, eine für Veränderungsprozesse ganz entscheidende Frage zu stellen: „Warum sind diese Maßnahmen wichtig? Ich verstehe den Nutzen nicht.“ Denn wenn Veränderungen sinnlos erscheinen, „dann ist die Motivation schlechter, sie umzusetzen“, sagt Arbeitspsychologin Niessen.

Sie rät deshalb Führungskräften, kritische Nachfragen nicht als Widerstand zu betrachten, sondern den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zuzuhören: „Das sind schließlich Menschen mit Fachkompetenz.“ Ganz wichtig sei es, das Team transparent auf dem Laufenden zu halten, empfiehlt Martina Nohl: „Dadurch vermeidet man, dass im Flurfunk Gerüchte entstehen und sich die Mitarbeiter möglicherweise unnötige Sorgen um ihren Arbeitsplatz machen.“

Kompetenzen nimmt man mit

Das Problem vieler Veränderungsprozesse: Die Verantwortlichen sind selbst stark eingespannt, stecken ständig in Meetings und sind kaum präsent. „Im schlechtesten Fall ist das Team sehr auf sich allein gestellt“, sagt Cornelia Niessen. Das kann ungünstige Prozesse in unterschiedliche Richtungen in Gang setzen: Entweder schweißt das Gefühl der Unsicherheit zusammen, verstärkt dadurch aber gleichzeitig Sorgen und Ablehnung. Oder diejenigen, die mit den Neuerungen weniger gut zurechtkommen, geraten ins Abseits.

„Ganz entscheidend für den Erfolg ist aber, dass der einzelne sich im Team aufgehoben fühlt, dass alle an einem Strang ziehen“, so Niessen. Dass bedeute nicht automatisch, dass alle dasselbe können und leisten müssen. Wichtig sei vielmehr, „bei jedem die Reflexion anzustoßen, wo der passende Platz sein könnte“.

Hartnäckig hält sich das Vorurteil, dass Ältere mehr Probleme haben, sich auf Neues einzustellen und sich weiterzubilden. Studien zeigten aber keinen direkten Zusammenhang zwischen Alter und Anpassungsfähigkeit, sagt Niessen. Trotzdem komme es vor, dass Teammitgliedern wegen ihres Alters keine Schulungen mehr angeboten würden: „Das ist diskriminierend.“ Ohnehin sei ein positives Lernklima, das Lust darauf mache, sich weiterzubilden, ganz entscheidend, gerade bei kontinuierlichen Veränderungen.

Und wenn man trotz allem das Gefühl hat, nicht mehr am richtigen Platz zu sein, aus der Überforderung nicht mehr herauszukommen? Dann könne ein Wechsel natürlich sinnvoll sein, sagt Laufbahncoachin Martina Nohl: „Allerdings sollte man nicht vergessen, dass man sich und seine mehr oder weniger vorhandenen Veränderungskompetenzen immer mitnimmt.“