Etikette für Berufsanfänger – Kleidung, Small Talk, Umgangsformen. So starten Neulinge souverän in den Job und meistern auch die Weihnachtsparty

„Die ersten Monate im Berufsleben sind eine Gratwanderung zwischen Zurückhaltung und Profilierung“, sagt Imme Vogelsang. Sie ist Etikette-Trainerin und kennt die Stolpersteine, die Hochschulabsolventen wie Auszubildende beim Start im Unternehmen erwarten. Während viele Neulinge selbst vor allem zweifeln, ob sie den fachlichen Anforderungen genügen, sehen Experten Probleme eher im zwischenmenschlichen Bereich, in den Umgangsformen und in der Art, sich anzuziehen.

Was Kleidung angeht, sind es vor allem Azubis, die gleich am ersten Tag Erstaunen ernten. Susanne Pflaumbaum, Trainerin für Stil, Etikette und Kommunikation, wird von Firmen engagiert, um mit deren Lehrlingen gleich zu Beginn eine Knigge-Schulung zu machen. „Am Tag des Vorstellungsgesprächs läuft alles noch gut, doch am ersten Tag im Unternehmen kommen Azubis mit zerrissenen Jeans und nach Zigaretten riechend zur Arbeit – das ist es, was ich von Personalern höre“, erzählt Pflaumbaum. Grüßen, sich vorstellen, ein bisschen Smalltalk machen, auch das klappt noch nicht wirklich.

Lieber erst einmal hingucken, wie die anderen es mit der Kleidung halten

In Sachen Kleidung können auch Hochschulabsolventen noch etwas dazulernen. Imme Vogelsang sagt: „Ich bin immer wieder überrascht, wie viele glauben, heute müsse man im Beruf nicht mehr so offiziell angezogen sein.“ Ihr Tipp: „Besser erst einmal hingucken, wie es die anderen mit der Kleidung halten.“ Und bis dahin lieber zu gut als zu nachlässig angezogen sein. Hilfreich sei, sich an einem „Hidden Leader“ zu orientieren, einem der Kollegen, der inoffiziell, aber erkennbar eine gute und einflussreiche Position im Team hat.

Noch wichtiger sind Umgangsformen und Engagement. „Oft ist das Thema Einsatzbereitschaft ein Streitpunkt“, sagt Vogelsang. „Weil ein Termin drängt, bleiben alle Kollegen länger. Nur der Neuling sagt, er sei verabredet und könne nicht. Damit lässt er die Kollegen im Stich.“ Das Ansehen sei sofort beschädigt. „Gerade bei Berufsanfängern geht das ganz schnell: Zweimal zu spät kommen, schon hat man einen Ruf weg“, warnt die Expertin.

Freundlich, offen, ehrlich, motiviert und zuverlässig – das sind Eigenschaften, die Iris Wöhlert, Ausbildungsleiterin bei Bode Chemie, von Berufsanfängern erwartet. Für ihr Unternehmen hat es sich bewährt, wenn Jugendliche vorab schon einmal für eine Woche als Praktikanten im Haus waren. „Da achten die Ausbilder auch auf ihre Umgangsformen“, sagt Wöhlert. Wer gern lernt und wissbegierig ist, kommt bei den künftigen Kollegen und Vorgesetzten gut an. „Dann macht es den Mitarbeitern Spaß, Praktikanten und Azubis etwas zu vermitteln.“

Im Gegensatz dazu machen sich Besserwisser unbeliebt. Tatsächlich sei das sogar oft ein Fehler von Berufseinsteigern. „Weil sie es besonders gut meinen, sind sie übereifrig“, sagt Imme Vogelsang. „Sie unterbrechen andere, fahren ihnen über den Mund und missachten die ungeschriebenen Regeln, die es in jedem Team gibt.“ Keine Frage, dass solch ein Start holprig wird. „Diese Kollegen scheitern am Fehlen sozialer Grundlagen.“ Ihr Rat: Zurückhaltung üben, auch wenn es schwerfällt.

Das gilt noch einmal mehr, wenn man zum ersten Mal bei der betrieblichen Weihnachtsfeier dabei ist. Alkohol – wenn überhaupt – nur in Maßen, sagt Stiltrainerin Susanne Pflaumbaum. „Als Arbeitnehmer bin ich dort keine Privatperson“, erklärt sie. „Ich muss mir immer bewusst sein, dass ich auch bei Betriebsfeiern meiner beruflichen Rolle gerecht werden muss.“ Heute den angetrunkenen Animateur zu geben und morgen wieder als Fachkraft respektiert zu werden, funktioniert nur in wenigen Unternehmen. Zum professionellen Umgang mit Feiern gehört aber auch, in jedem Fall hinzugehen. „Das sind absolute Pflichtveranstaltungen“, mahnt Pflaumbaum. Entschuldigt sei nur, wer einen wirklich schwerwiegenden Grund habe. Auf der anderen Seite bieten Betriebsfeiern aber auch Gelegenheit, sich auf einen Streich mit vielen der neuen Kollegen bekannt zu machen, regt Susanne Pflaumbaum an.

Smalltalk zu können ist dafür natürlich Voraussetzung. Gerade bei Azubis sieht die Etikette-Expertin oft, „dass sie die Zähne nicht auseinander bekommen“. Doch mehr als guten Willen und etwas Übung braucht es gar nicht, um mit Kollegen ins Gespräch zu kommen. Gut sei, ein paar Themen in petto zu haben, sagt Pflaumbaum. „Über die Szene, in der man sich gerade befindet, kann man eigentlich immer eine Bemerkung machen“, erklärt sie. Es bieten sich an: die Räumlichkeiten, die Tischdekoration bei der Weihnachtsfeier, das Wetter oder auch der Weg zur Arbeit. „Sind Sie mit dem Bus gekommen?“, könnte so ein Auftakt zum Smalltalk sein. Oder: „Nächste Woche soll es ja den ersten Schnee geben.“ Oder: „Wie lange sind Sie denn schon im Unternehmen?“

Zeigen, dass man sich am Weihnachtsbüfett benehmen kann

Sich vorab bei Kollegen über den Dresscode zu informieren ist wichtig. „Denn selbst bei einer Party auf dem Kiez ist nicht gesagt, dass man leger gekleidet kommen soll“, sagt Imme Vogelsang. Wer sich dann noch am Büfett zu benehmen weiß, zeigt Vorgesetzten, dass man ihn später auch zum Geschäftsessen mitnehmen kann. Benehmen heißt hier übrigens: nicht vordrängeln, Teller nicht überladen, bei jedem Gang zum Büfett einen neuen Teller nehmen, keinen Wein in ein benutztes Cola-Glas schütten.

Für einen guten Abschluss wichtig: „Nicht der Letzte sein, und sich beim Gastgeber verabschieden und bedanken“, sagt Vogelsang. Und das Duzen, das einem beim Feiern ja leicht über die Lippen kommt? Neulinge sollten immer darauf warten, dass Kollegen oder Vorgesetzte ihnen das Du anbieten. Passiert es nicht, bleibt man beim Sie, passiert es, ist man am nächsten Arbeitstag trotzdem vorsichtig mit dem „du, Bernd...“ Imme Vogelsang rät: „Erst wenn Ihr Chef sagt, ‚aber wir waren doch schon beim Du‘, haben Sie Gewissheit, dass es wirklich so gemeint und nicht nur dem Alkohol geschuldet war.“

„Das Wichtigste ist aber, Feingefühl dafür zu entwickeln, in was für einer Situation man sich befindet und welches Verhalten gerade angebracht wäre“, sagt Susanne Pflaumbaum. Kniggeregeln zu kennen schade nie, findet die Stilexpertin. Aber sie flexibel anwenden zu können sei die eigentliche Kunst.