Karriere

Masterstudium – jetzt, später oder vielleicht auch gar nicht?

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Andrea Pawlik

Die meisten Studenten glauben, Karriere geht immer noch nicht ohne Masterabschluss. Doch Arbeitgeber sagen, Bachelorabsolventen als Bewerber seien für sie genauso interessant.

In den Beruf einsteigen, „nur“ mit Bachelorabschluss? Den meisten Akademikern ist das nicht geheuer. 72 Prozent der Bachelorabsolventen beginnen innerhalb eines Jahres ein weiterführendes Studium oder haben es vor, sagt Andreas Ortenburger vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW).

Ioanna Birou hat das auch so gemacht. Sie studiert im ersten Semester „Corporate Management“ an der Business and Information Technology School (BiTS) in Hamburg. Und das, obwohl sie von einem Unternehmen ein interessantes Jobangebot hatte. „Die finden mich jetzt gut“, sagt die 22-Jährige. „Aber was, wenn ich später woandershin will? Ich glaube, mit einem Master sind die Karrierechancen langfristig größer als mit einem Bachelorabschluss.“

Ähnlich argumentiert Florian Wendt, 25. Gerade schreibt er an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, genauer an deren Partneruni im britischen Hatfield, seine Masterarbeit im Flugzeugbau. „Grundsätzlich kann man nicht sagen, dass der Berufseinstieg mit Bachelor schwieriger ist. Aber es hängt von der wirtschaftlichen Situation in der jeweiligen Branche ab“, erklärt er. Da es im Flugzeugbau derzeit nicht so gut aussieht, hält Wendt seine Aussichten mit Master und Auslandserfahrung für besser.

Tobias Warnk, 24, „musste“ erst einmal ein Jahr arbeiten. „Das war Voraussetzung, um den Master Public Administration in Kassel anzufangen“, erzählt der Mitarbeiter am Hamburger Landesbetrieb „Zentrum für Personaldienste“. Er absolviert den Studiengang nebenberuflich. Gerade in Klausurphasen sei das schon stressig, sagt er. Aber es gebe ja auch andere Zeiten. Dass er den Master machen wird, war für Warnk schon lange klar: „Für den höheren Dienst braucht man ihn.“ Generell findet er: „Es sollte nicht zu viel Zeit zwischen Bachelor und Master liegen. Sonst ist man aus dem Lernen raus und muss viel Theorie nachholen.“

Ohne Master keine Karriere?

Damit liegen die drei Bachelorabsolventen voll im Trend. „Deutschland hat eine sehr hohe Masterquote“, sagt Ragnhild Struss, Karriereberaterin, die vor allem Studenten im Fokus hat. In den Köpfen stecke noch die trügerische Erwartung: Je länger das Studium, desto größer der Erfolg. „In den USA hat sich der Bachelor als Einstiegsqualifikation durchgesetzt, hier noch nicht“, sagt Struss.

Auch Arbeitgeber tragen einen Teil der Schuld. „In vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen mutet der Bachelor leider immer noch wie eine Art Vordiplom an“, kritisiert Struss. „International ausgerichtete, größere Unternehmen, die vielleicht auch an den angloamerikanischen Recruitingmarkt gewöhnt sind, sehen den Master sicher nicht als notwendig an.“

Hamburger Unternehmen bestätigen das. „Wir achten auf das Gesamtpaket“, sagt Dana Körner, die bei Steria Mummert Consulting für das Personalmarketing verantwortlich ist. Das Beratungsunternehmen stellt jährlich rund 80 Nachwuchsconsultants ein. ,„Bachelor- und Masterabsolventen werden bei uns gleichwertig behandelt.“ Wichtig sei vielmehr, ob einschlägige Praktika gemacht wurden, der Bewerber eine Berufsausbildung absolviert hat und ob seine Abschlussarbeit ein passendes Thema hatte.

Ausnahmen bestätigen die Regel: „Im Bereich Informatik finden wir es dennoch sinnvoll, ein Masterstudium zu haben“, sagt Körner. Sonst fehle es den Berufseinsteigern an Praxis und Programmierkenntnissen, so ihre Erfahrung. Auch die Entwicklungschancen hingen bei Steria Mummert nicht vom Abschluss ab, sagt Körner: „Je nachdem, welche Vorkenntnisse vorhanden sind, gehen Bachelor- und Masterabsolventen dieselben Karrierewege. Der höchste Abschluss ist demnach nicht immer entscheidend.

Praxiserfahrung gilt als sehr wichtig

Nadine Herpers, Talent Relationship Manager bei Beiersdorf, nennt ähnliche Kriterien, die einen Bewerber für sie interessant machen: „Praktische Erfahrung gehört dazu, idealerweise ein Auslandssemester oder -praktikum sowie gute Noten.“ Rund 150 Hochschulabsolventen stellen Herpers und ihre Kollegen jährlich weltweit ein.

Der Direkteinstieg stehe ebenso wie die Traineeprogramme beiden akademischen Abschlüssen offen. „Dabei gucken wir nicht nach dem Abschluss, sondern danach, ob der Absolvent für die ausgeschriebene Position die nötige Qualifikation mitbringt.“ Eine Fachabteilung gibt es, die sogar besonders gern mit Bachelorabsolventen arbeitet. „Der Bereich Procurement, also Beschaffung und Einkauf“, sagt Herpers. „Die Kollegen haben sehr gute Erfahrung mit diesen Absolventen gemacht.“

Eine allgemeine Antwort darauf, wie relevant ein Masterabschluss ist, kann man tatsächlich nicht geben, sagt Karriereexpertin Ragnhild Struss. „Ob man ihn braucht, muss jeder individuell entscheiden.“ Aber auch sie kommt hierbei auf das Thema Erfahrung zu sprechen: „Es gibt Bachelor, die kein einziges Praktikum gemacht haben – denen raten wir zum Masterstudium.“ Sie sollten sich vor dem Berufseinstieg einfach noch weiterentwickeln. Das zu erwartende Gehalt aber braucht kein Argument für den Master zu sein, sagt Struss. „Studien belegen, dass sich die Gehälter mit den Jahren angleichen.“

Immerhin – es gibt doch ein paar Fachbereiche, in denen die Beraterin eindeutig einen höheren Abschluss empfiehlt. „Zum einen ist es im Ingenieur- und naturwissenschaftlichen Bereich sinnvoll“, sagt sie. Und wer promovieren will, braucht den Abschluss sowieso. Auch, wer Lehrer werden will. „Zum anderen passt es im Managementbereich, einen entsprechenden Master zu machen.“ Auch in den Geisteswissenschaften hält Struss den Abschluss für angebracht, „um ein höheres fachliches Niveau zu erreichen“.

In der IT wird der Master gern gesehen

Gern gesehen, aber kein Muss sei der Master in der IT sagt Stephan Pfisterer vom IT-Branchenverband Bitkom. Eine klare Präferenz für Masterabsolventen gebe es aber in der Beratung und in Feldern wie IT-Sicherheit oder Big Data. „Dort, wo Schnittstellenkompetenzen gesucht werden, und in Jobs, die ein besonderes Maß an Selbstständigkeit kurz nach Jobeinstieg erfordern.“

Ragnhild Struss nennt Fragen, die Zauderern bei der Entscheidung für oder gegen den Master helfen sollen: Bin ich der Typ, um mich tief in eine Materie einzuarbeiten? Bin ich Praktiker? Warum will ich den Abschluss überhaupt? Macht mir das Lernen noch Spaß? Fühle ich mich nach dem Bachelor-Abschluss schon reif genug für den Berufseinstieg?

Auch die Note kann ein Argument sein. Struss: „Wer seinen Bachelor mit einer Drei gemacht hat, für den ist es besser, einen Master hinterherzuschieben – vielleicht ja mit 1,8.“ Insgesamt biete das Konzept Bachelor-Master anders als die alten Magister- und Diplomstudiengänge „die riesengroße Freiheit, nach dem Bachelorabschluss seine Karriereziele noch einmal zu revidieren“, sagt Ragnhild Struss.

Wer nach reiflicher Überlegung unentschlossen bleibt, ob er sich nach dem Bachelorabschluss ins Berufsleben stürzen oder ein Masterstudium beginnen will, dem empfehlen Experten das Gap Year: ein „Lückenjahr“, in dem man sich Zeit nimmt, Berufspraxis und Lebenserfahrung zu sammeln. Wer in ein oder mehrere Firmen hineinschnuppert, eine erste Festanstellung hat oder ausgedehnte Praktika macht, bekommt einen Überblick über verschiedene Jobs. Künftige Arbeitgeber finden das Gap Year in der Regel nachvollziehbar.

Doch zu schwer sollten sich Studenten die Entscheidung für oder gegen den Master auch nicht machen. Die Bildungsbiografie verliere während des Berufslebens an Bedeutung, sagt Marcus Reif, Recruiting-Chef beim Wirtschaftsprüfer Ernst & Young. „Wichtig ist, welche Leistung ein Mitarbeiter bringt, nicht welchen Abschluss er mal gemacht hat.“

( (mit dpa) )

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