Wer lange dieselbe Stelle innehatte, dem fehlt nun Routine im Jobinterview. Worauf sich Kandidaten einstellen sollten

Zehn oder gar 20 Jahre in derselben Firma – da kann man schon mal vergessen, wie das damals war, als man im Bewerbungsgespräch saß und sich um die Anstellung bemühte. Um genau den Job, der jetzt abgebaut wird oder den man aus welchen Gründen auch immer nicht mehr mag. Das Gute: „Die Chancen aller Bewerber, auch der 50plus-Kandidaten, sind im Vergleich zu vor ein paar Jahren deutlich gestiegen“, sagt Norbert Schuster, Geschäftsführer der Firma Impuls Personal. „Früher sah das ab Mitte 40 deutlich schlechter aus“, erinnert er sich. „Heute gibt es in den Unternehmen eine ganz andere Akzeptanz.“

Zum Teil sogar andere Umgangsformen. „Der War for Talents macht sich bemerkbar“, sagt Iris Gordelik, Inhaberin der gleichnamigen Personalberatung. Kandidaten auf ihren Termin warten lassen, Personaler, die mal eben während des Gesprächs zum Telefon greifen oder einem kaum konkrete Infos zum Unternehmen bieten – das gebe es in der Regel nicht mehr. „Den Kandidaten wird heute größere Wertschätzung gezeigt“, sagt Gordelik.

Auch was die Inhalte eines Bewerbungsgesprächs angeht, sieht Impuls-Chef Schuster einen Wandel: „Früher wurde der Schwerpunkt im Jobinterview stark aufs Fachliche gesetzt“, erklärt er. „Heute ist es umso wichtiger, dass Bewerber einen gewissen Wertekanon vermitteln können.“ Empathie gehöre etwa dazu, Teamfähigkeit, oft auch ein gewisses Maß an Humor. „Das heißt für den Bewerber, dass er sich persönlich präsentieren muss, statt nur seine Qualifikationen aufzuzählen.“

Das unterstreicht auch Sabine Schultz, Karriereexpertin der Unternehmens- und Personalberatung Schultz & Partner. „Der Klassiker war früher, seinen Lebenslauf noch einmal im Monolog nachzuerzählen“, sagt sie. „Heute geht es im Bewerbungsgespräch stattdessen darum, zu zeigen, dass man sich fokussieren kann: Worauf habe ich mich beworben, und was bringe ich dafür mit?“

Querverweise à la „Wie Sie aus meinem Lebenslauf ersehen können, bringe ich dafür die nötigen Voraussetzungen mit“ sollte man sich dementsprechend schenken. Was spricht denn dagegen, seine Erfahrungen in diesem speziellen Punkt noch einmal kurz wiederzugeben? Einschließlich einer persönlichen Note: zum Beispiel der Bewertung, was einem an dieser Aufgabe besonders gefallen hat, was man herausfordernd fand oder wie man das Projekt erfolgreich über die Ziellinie gebracht hat. Personaler schätzen solche Lebendigkeit und Eigeninitiative beim Antworten.

Trotz wachsender Offenheit der Unternehmen gegenüber älteren Bewerbern wird aber immer noch oft deren Flexibilität infrage gestellt. Noch einmal mehr als jüngere Kandidaten müssen sie darum im Jobinterview deutlich machen, wie geistig mobil und wenig eingefahren sie sind. Karriereberaterin Sabine Schultz empfiehlt darum an passender Stelle etwas einzuflechten wie: „Was ich noch nicht kenne, möchte ich auf jeden Fall gern kennenlernen.“

Wer seinem Gesprächspartner dagegen das Gefühl vermittelt, ein unbelehrbarer Alleskönner zu sein, werde im Bewerbungsgespräch eine Bauchlandung hinlegen, warnt Norbert Schuster. Denn in fast jedem Interview taucht natürlich auch die Frage nach den Schwächen des Bewerbers auf. Auch wenn sie heute oft verkleidet als „Und welches sind die Themen, an denen Sie arbeiten, bei denen Sie sich weiterentwickeln wollen?“ daherkommt. „Also sollte man auch darauf vorbereit sein, zu schildern, was man nicht so gut kann“, sagt Schuster. Natürlich geht es dabei nicht um ein echtes Manko, das genannt werden muss. Vielmehr will der Personaler sehen, wie ein Bewerber mit einer solchen Herausforderung umgeht. Statt „Ich bin oft ungeduldig“ (zu abgedroschen!) oder „Mein Spanisch ist leider ein bisschen eingerostet“ (zu ehrlich!), sagt die Fremdsprachensekretärin also etwas wie: „Ich erarbeite mir gerade weitere Dialekte, finde aber immer zu wenig Zeit zum Lernen.“

Zu einer kurzen Selbstpräsentation aufgefordert, sollten Bewerber mit Berufserfahrung keinesfalls bei ihrem Abitur anfangen, sondern einen Überblick über die jüngere Zeit bieten. Das könne etwa die vergangenen fünf Jahre umfassen, sagt Sabine Schultz. „Am besten, man beginnt dort, wo es die ersten Überschneidungen mit der angestrebten Stelle gibt.“ Heißt: Wer den Job als Teamleiter haben will, berichtet davon, wie er schon in seiner vorherigen Firma kleinere Gruppen geführt hat oder wie ihm auch als einfachem Teammitglied eigene Projekte anvertraut wurden. Maximal fünf Minuten sollte man sich bei der Selbstvorstellung aufhalten – die natürlich gut vorbereitet und zu Hause geprobt sein will. „Denn man darf sich dabei nicht verrennen“, warnt Karriereberaterin Sabine Schultz. Gerade ältere Bewerber neigten dazu, vor Aufregung zu viel zu reden, hat sie festgestellt.

Personalvermittler Norbert Schuster rät, sich vorab auch viele Gedanken zur eigenen Motivation zu machen. „Genau das ist es, was die Interviewpartner im Gespräch herausfinden wollen: Geht es dem Bewerber nur darum, aus der alten Stelle herauszukommen, geht es ihm um Geld, hat ihn die Arbeitsagentur geschickt – oder ist er wirklich neugierig und hat Lust auf das Unternehmen, bei dem er sich vorstellt?“ Letzteres ist natürlich das, was Firmenvertreter am liebsten hören wollen. Und was die Chancen des Bewerbers deutlich erhöht.

Ganz im Gegensatz zum schlecht Reden über die ehemalige Firma. Wer auf die Frage, warum er das Unternehmen verlassen will, die Schuld seinem Noch-Arbeitgeber zuschiebt, verspielt seine Chancen in der neuen Firma. Und wer jetzt meint, lästern liege ihm sowieso fern, dem sagt Iris Gordelik: „So etwas kann einem einfach herausrutschen. Bewerbungsgespräche sind immer und für jeden eine Sondersituation, die den Adrenalinspiegel in die Höhe treibt. Da lässt die Reflexionsfähigkeit nach.“ Umso wichtiger ist es, mögliche Fragen und Situationen vorab durchzuspielen – vor dem Spiegel oder noch besser mit einem Sparringspartner. Vor allem Routine ist es, die beim Sprung über die Fettnäpfchen hilft.