Ein Kommentar von Jon Christoph Berndt

Wer im Berufsleben sein eigener Herr sein will, darf nicht immer nur gewinnen wollen. Zu wertvoll sind die Erkenntnisse, die man aus gescheiterten Projekten, enttäuschenden Geschäftsbeziehungen und verlorenen Investments zieht. All das schärft die Sinne, das eigene Profil und die Erkenntnis, was man wirklich kann und was man wirklich will.

Verena Delius, 35, ist Unternehmerin im wahrsten Sinne des Wortes: Mit 20 die eigene Sushi-Bar, parallel das BWL-Studium in St. Gallen, anschließend Trainee bei der Munich Re. Es folgen eine Salatbar-Kette und eine Fondsgesellschaft. McKinsey zeichnet sie als „CEO of the Future“ aus. Dabei lief gar nicht alles glatt: Die Sushi-Bar warf keine Gewinne ab, die Salate wollte niemand. Ego-Schaden? Keiner. Lieber einfach weitermachen, und das aus bestem Antrieb: „Wer nur aufs Geld aus ist, sollte es besser gar nicht erst als Unternehmer versuchen. Man muss schon mit Herzblut dabei sein.“

Die Ostwestfälin versteht Scheitern als Teil des Lebens. „Das habe ich mit der Muttermilch mitbekommen: Lieber probierst du es, und es klappt nicht, als du probierst es erst gar nicht.“ Heute programmiert sie sehr erfolgreich Einschlaf-Apps für Kinder. Auch dabei sind ihr neue Erfahrungen wichtiger, als zu sagen, dass man diese Woche wieder fünf Tage unterwegs war: „Ich glaube, dass die Jüngeren nicht mehr dazu bereit sind, 100 Tage im Jahr zu fliegen, nur um Senator bei der Lufthansa zu sein.“

Da draußen tobt ein Krieg – um Kunden, Aufmerksamkeit, Zeit, Geld. Wer das erkennt, dem ist Scheitern nicht unangenehm, sondern sehr nah. Es ist menschlich. Und nach gewisser Zeit ist es nicht mal mehr Scheitern. Bewundert werden im Nachhinein diejenigen, bei denen es nicht so aalglatt und letzten Endes gerade deshalb so erfolgreich lief. Sie sind kantig, ihre Vision passt nicht in eine Form. Sie formen sich selbst und sind ihre eigenen Lebens-Unternehmer. Es lohnt sich, es ihnen gleichzutun. Und dabei immer daran zu denken, dass man Erfahrungen nicht macht, sondern von ihnen gemacht wird.

Jon Christoph Berndt ist Markenexperte, Management-Trainer und Keynote-Speaker. Im Internet unter www.human-branding.de