In Hamburg gibt es 160 Tierarztpraxen. Die Arbeit ist befriedigend, aber anstrengend. 50-Stunden-Wochen sind nicht selten

Tala gähnt genüsslich. Dabei steht ihr der Narkose-Schlaf erst noch bevor. Gleich soll sie ins MRT. Mittels der Kernspintomografie will Tierärztin Valeska C. Furck, stellvertretende Leiterin der Tierklinik Lademannbogen in Hummelsbüttel, die Ursache fürs Niesen und Röcheln der achtjährigen Huskyhündin klären. Es könnte ein Tumor sein. Furck legt einen Venenkatheter. Die Auszubildende Charleen Flussfisch hält mit sicherer Hand den nun doch nervösen Hund. „Schon vorbei“, redet die 18-Jährige der Hündin gut zu.

„Tiere liegen mir am Herzen“, sagt sie. Darum will die junge Frau Tiermedizinische Fachangestellte (TFA) werden. „Und in einer Tierklinik ist die Ausbildung besonders vielfältig“, findet sie. „Von der Sprechstunde übers Labor bis hin zu CT, MRT und Operationen.“

Tierärzte müssen auch in der Lage sein, ein leidendes Tier einzuschläfern

Die Tiermedizin ähnelt in vielem der Humanmedizin: körperliche Untersuchung, Laborkontrollen, Medikation und Operation sind geläufige Aufgaben. Der größte Unterschied liegt darin, dass Veterinäre – gerade bei inneren Krankheiten – aus Verhalten und Reaktionen des Tiers ablesen müssen, was wohl seine Beschwerden verursacht. Man braucht Sympathie für Tiere, aber statt blinder Tierliebe eher mentale Stärke: Schließlich muss ein Tierarzt in der Lage sein, ein leidendes Tier einzuschläfern. Auch Körperkraft ist gefragt, etwa wenn die narkotisierte Tala nun zurück auf den Boden gehievt werden mus.

Während die Huskyhündin noch schläft, steht ein Stockwerk höher eine Kreuzband-Erneuerung auf dem OP-Plan. Anderthalb Stunden dauert der Eingriff, den Klinikleiter Kaj Krüger bei Labradorhündin Martha vornimmt, unterstützt von einer weiteren TFA, Vanessa Soares, und Schülerpraktikantin Cassandra Friedrich. Dabei stellt die 14-Jährige fest: Ihr Wunschberuf ist ziemlich anstrengend. „Fünf bis sechs Stunden konzentriertes Arbeiten unter heißen OP-Leuchten und im sterilen Klinik-Ornat sind bei einer komplizierten Fraktur nicht ungewöhnlich“, bestätigt Klinikchef Krüger. Praktikantin Cassandra hält sich gut.

Die Sprechstunde in der Tierklinik ist im Vergleich zu den Operationen meist weniger fordernd. Hunde, Katzen und kleine Nagetiere gehören zum Patientenstamm. Tierärztin Furck schätzt an der Arbeit in der Klinik, dass sie sowohl in ihrem Spezialgebiet „bildgebende Verfahren“ arbeiten kann als auch in der Sprechstunde, wo sie oft dieselben Patienten trifft.

Wie Betty. Die Bulldogge hatte sich als Welpe den Unterkiefer gebrochen. Damit er heilen konnte, musste die Schnauze des Tiers blockiert werden. „Sie wurde über eine Sonde ernährt, und mehrfach musste der Block unter Vollnarkose erneuert werden, denn Bettys Kiefer wuchs ja noch“, erklärt Furck. Jetzt, nach vier Wochen, ist Bettys Gebiss wieder voll einsatzfähig. Frauchen und Tierärztin sind höchst zufrieden. Die Hündin offenbar auch.

Gebissen wurde Tierärztin Valeska Furck in ihrer Praxis bislang nur selten

Vollständige Heilung ist bei Tommy dagegen nicht zu erwarten. Der grau getigerte Kater hat eine chronische Immunkrankheit, gegen die er dauerhaft Medikamente bekommen muss. Er ist zum Routinecheck da. Abtasten, Abhorchen, ein Blick in Augen, Ohren und ins Maul, schließlich Blutabnahme – Tommy lässt es geduldig über sich ergehen. Nur die angelegten Ohren zeigen seine Anspannung. „Natürlich gibt es auch manche, die uns fressen wollen“, sagt Tierärztin Furck und lacht. „Aber wir sind vorsichtig.“ Mehr Unwillen als Kater Tommy zeigten nur wenige Tiere. Und gebissen worden sei sie bislang selten.

Früher, sagt Valeska Furck, habe sie gedacht, das Schlimmste würde sein, ein Tier einschläfern zu müssen. „Inzwischen bin ich froh, Leid beenden zu können, wenn es sein muss. Schlimmer ist es, wenn man um das Leben eines Tieres kämpft und verliert.“ Oder miterlebt, dass eine Therapie nicht genutzt wird, weil sie teuer ist. „Ich höre schon mal: Ach nee, da hole ich mir lieber eine neue Katze vom Bauern.“ Für diesen Beruf brauche man Idealismus gepaart mit Realitätssinn, sagt die Tierärztin.

Denn auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind nicht ideal. „Hamburg stellt mit gut 160 Tierarztpraxen einen gesättigten Markt dar, der Konkurrenzkampf ist entsprechend hoch“, sagt Fabian von Manteuffel, Vorstandsmitglied der Tierärztekammer Hamburg. Im Umland gebe es zwar 5000 bis 6000 Pferde, doch auch eine Spezialisierung darauf sei kein Garant für ein gutes Einkommen. Zudem treibt von Manteuffel der hohe Frauenanteil um: „Jährlich werden bundesweit etwa 1000 Tierärzte ausgebildet. Circa 900 davon sind weiblich – was viele Praxisinhaber vor Herausforderungen stellt in Bezug auf die oft nötige körperliche Kraft, Mutterschaft und den Wunsch nach Teilzeit. Eine 50-Stunden-Woche oder mehr ist für viele Tierärzte keine Seltenheit.“

Inzwischen ist Talas MRT-Ergebnis da: kein Tumor, kein Fremdkörper, nicht einmal eine Zahnfistel. Es könnte sich um eine Allergie handeln oder um einen leicht zu behandelnden Kehlkopfkrampf. „Vollständige Entwarnung“, freut sich Valeska Furck.