Brainstorming kennt wohl jeder. Aber wie steht es mit Brainwalking, der 635-Technik oder der Walt-Disney-Methode?

Die Zeit läuft. Der Chef will das neue Strategiepapier sehen. Doch das Brett vor dem Kopf will einfach nicht verschwinden. Wo bleibt die zündende Idee? Einfach nur dazusitzen und auf einen Geistesblitz zu warten hilft wenig. Es gibt aber eine Reihe von Übungen, um der Kreativität auf die Sprünge zu helfen. Bei vielen geht es darum, alte Denkmuster zu überwinden.

Brainstorming: Die Übung ist der Klassiker beim kreativen Arbeiten. Dabei sagen alle, welche Vorschläge ihnen spontan einfallen, einer notiert sie, hinterher wird ausgewertet. Wichtig dabei: „Die Ideenfindung von der Kritik trennen“, sagt Benno van Aerssen, der als Berater und Innovationscoach arbeitet. „Viele machen den Fehler, dass sie zu schnell bewerten. Dann geht gleich die Schranke im Kopf runter.“ Teilnehmer müssen sich also trauen, auch halbgare Ideen in den Raum zu werfen.

Ein weiterer Fehler ist es, für ein Brainstorming nur fünf Minuten anzusetzen. „Solche Quickies sind unergiebig", sagt Jörg Mehlhorn vom Verein Gesellschaft für Kreativität. „Ein Brainstorming unter 30 Minuten ist kein Brainstorming.“ Oft hat man in den ersten zehn Minuten naheliegende Einfälle. Dann gehen die Ideen aus. Ein Kardinalfehler wäre es aber, abzubrechen. Denn nach diesem Tal kommen erst die richtig originellen Einfälle.

635-Methode: Sechs Mitarbeiter schreiben je drei Ideen in fünf Minuten auf – daher der Name 635. Danach werden die Blätter reihum an den jeweiligen Nachbarn gereicht. Der arbeitet die Ideen auf dem Blatt in fünf Minuten weiter aus. Wenn alle Blätter einmal die Runde gemacht haben, sind 108 Vorschläge zusammengekommen. Der Vorteil gegenüber Brainstorming: „Man zwingt sich so, die Ideen vom Vorgänger aufzugreifen“, sagt Mehlhorn. Das sorge für mehr Tiefgang und ergebe mehr Varianten eines Grundgedankens.

Brainwalking: Sitzen macht träge – auch im Kopf, sagt Jörg Mehlhorn. Die Übung geht so: Man nehme mehrere Flipcharts. Auf den Blättern steht jeweils oben das Thema. Zuerst schreibt jeder spontane Einfälle auf das Flipchart-Blatt, bei dem er steht. Dann laufen alle im Raum herum und ergänzen, was die anderen geschrieben haben, mit eigenen Ideen und Assoziationen.

Kopfstand-Technik: Hier wird das Ausgangsproblem buchstäblich auf den Kopf gestellt, sagt Innovationscoach Jens-Uwe Meyer. Statt zu fragen: „Wie können wir unsere Kunden begeistern?“, sollte ein Team sich fragen: „Wie können wir unsere Kunden verlieren?“ Dann kämen sie auf Ideen wie „nie ans Telefon gehen“. Diese würden dann wieder ins Gegenteil verkehrt. So entstehen etwa Ideen für die Kunden-Hotline, zum Beispiel einen Rückruf zur gewünschten Zeit anzubieten.

Innovationscoach Benno van Aerssen gibt ein weiteres Beispiel: Ein Team soll den Messestand der Firma verbessern. Die Teilnehmer fragen sich also, was sie tun könnten, damit niemand kommt. „Einen Stacheldraht um den Stand ziehen oder eine Stinkbombe werfen“, nennt van Aerssen als Idee. Im Umkehrschluss könnte das dazu anregen, Duftstoffe einzusetzen, damit es am Stand gut riecht.

Reizwort-Analyse: Bei dieser Technik denken Mitarbeiter zuerst an etwas ganz anderes, um auf Ideen für das Problem zu kommen. Das eignet sich zum Beispiel für ein Team, das ein neues Handy entwickeln soll. Sie wählen nun ein Wort, das nichts mit der Aufgabe zu tun hat, zum Beispiel „Baum“, erklärt Mehlhorn. Als Nächstes analysieren sie dessen Eigenschaften: Ein Baum hat Blätter, spendet Schatten. Übertragen auf ein Handy könnte das zur Idee anregen, ein Gerät mit Sonnenschutz am Rand zu bauen. So ließe sich das Display in heller Umgebung besser erkennen.

Mindmapping: Dabei entwickeln Mitarbeiter assoziativ Ideen zu einem Thema, erklärt van Aerssen. Angenommen, es geht darum, den Onlineauftritt der Firma zu verbessern. Dann schreibt man das Problem in die Mitte eines Papiers, und anschließend notiert jeder Aspekte, die damit in Verbindung stehen, etwa „mehr Bilder“ oder „neue Navigation“. So entsteht ein Baumdiagramm als Inspirationsquelle. Vorteil: Bei der Auswertung sieht man auf einen Blick, welche Dinge sich gut kombinieren lassen und was zusammenhängt.

Walt-Disney-Methode:Der Filmemacher Walt Disney soll bei seiner Arbeit immer nacheinander in drei Rollen geschlüpft sein: in die des Träumers, des Realisten und des Kritikers. Wenn Mitarbeiter ihm dies nachtun, kann es helfen, sich der Reihe nach auf drei verschiedene Stühle zu setzen.

Ein Beispiel: Gefragt sind Ideen für ein neues TV-Gerät. „Als Träumer überlegen Sie beispielsweise, dass Sie die Fernbedienung durch Gestensteuerung ersetzen wollen“, sagt Meyer. „Anstatt die Idee gleich wieder zu verwerfen, werden Sie zum Realisten und überlegen, wie Sie das genau umsetzen wollen. Erst danach kritisieren Sie die Idee.“ Dann betrachtet man die Kritik wieder als Träumer und überlegt, wie man sie überwinden kann. Am Ende komme vielleicht heraus, dass nur einige Funktionen wie die Stummschaltung durch Gesten gesteuert werden. Sonst müsste der Zuschauer ständig mit den Armen herumfuchteln.

Sechs-Hüte-Übung: Diese Technik hat der Mediziner Edward de Bono entwickelt. Sie beinhaltet ein noch etwas differenzierteres Rollenspiel als die Methode von Walt Disney. Die Teilnehmer nehmen je eine bestimmte Sichtweise ein: Der weiße Hut steht zum Beispiel für den analytischen Blick auf Fakten, der rote für Gefühle und Intuition. Den gelben Hut trägt der Optimist, den schwarzen der Bedenkenträger. Der grüne Hut ist der kreative Kopf im Kreis, und der blaue moderiert die Runde. Im Laufe der Diskussion lassen sich die Rollen wechseln, indem die Teilnehmer einen anderen Hut aufsetzen. Was das bringt? „Man zwingt sich, Fragen aus der anderen Perspektive zu betrachten“, sagt Meyer. Das sorge dafür, dass man sich nicht selbst blockiert und innere Widerstände überwindet.

So sei eines der größten Hindernisse die Angst vor der eigenen Kreativität. „Wir haben irgendwo in unserem Kopf einen kleinen Miesmacher-Gnom, der uns ständig sagt: Deine Ideen sind nicht gut“, sagt Meyer. Ihn müssten Berufstätige austricksen. Viele hätten schon erlebt, wie ein anderer eine Idee zum Erfolg führt, die sie selbst schon früher hatten. „Der Unterschied ist banal: Der andere hat an die Idee geglaubt.“