Die Leserfrage: Ich arbeite am Empfang, und mein Chef verlangt neuerdings von mir, dass ich jeden Tag notiere, wann die Kollegen zur Arbeit kommen, wie lange sie mittags wegbleiben und wann sie gehen. Eine automatische Zeiterfassung haben wir nicht. Muss ich das wirklich machen?

Das sagt Rechtsanwalt Rainer Stelling: Die Weisung Ihres Chefs führt zu einer schwierigen Interessenabwägung. Einerseits darf ein Arbeitgeber die Leistung seiner Mitarbeiter kontrollieren. Das gilt nicht nur für Arbeitsergebnisse, sondern auch für die vertraglich geschuldete Anwesenheit der Arbeitnehmer. Zudem steht dem Arbeitgeber ein vertragliches Weisungsrecht zu. Grundsätzlich darf der Arbeitgeber deshalb einen Mitarbeiter anweisen, die Erfassung der Arbeitszeiten im Betrieb zu betreuen, wenn die Übertragung dieser Aufgabe dem Arbeitsvertrag entspricht.

Andererseits sind die Persönlichkeitsrechte Ihrer Kollegen, der betriebliche Datenschutz und das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates zu beachten. Besteht ein Betriebsrat, bedarf jede Form der Arbeitszeitkontrolle seiner vorherigen Zustimmung. Das gilt unabhängig davon, ob eine Stechuhr installiert wird oder die Empfangssekretärin die Anwesenheit erfassen soll.

Gibt es keinen Betriebsrat, hängt die Zulässigkeit der Weisung von der Art der Kontrolle ab. Eine heimliche Überwachung ist datenschutzrechtlich höchst problematisch. Daten dürfen nur gesammelt werden, wenn sie auch zulässig verwendet werden können. Das wird bei von einer einzigen Person handschriftlich geführten Listen nicht der Fall sein. Was ist, wenn Sie selbst Pause machen oder abgelenkt sind? Außerdem gehört die heimliche, systematische Überwachung von Kollegen nicht zu Ihren arbeitsvertraglichen Aufgaben. Es verletzt vielmehr das Persönlichkeitsrecht aller Kollegen, wenn der Arbeitgeber einen Mitarbeiter zur heimlichen Überwachung anhält.

Im Ergebnis dürfte deshalb die Weisung Ihres Arbeitgebers rechtswidrig sein. Wenn er die Arbeitszeit seiner Mitarbeiter kontrollieren will, muss er eine automatische Zeiterfassung offiziell einführen.

Dr. Rainer Stelling ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in Hamburg. Im Internet unter www.rae-gleim.de