Ein Kommentar von Mark Hübner-Weinhold

Es war ein wirklich inspirierendes Seminar. Zwei Tage lang haben Sie in einem schönen Hotel mit netten Kollegen aus anderen Bereichen und einem überzeugenden Trainer Erfahrungen ausgetauscht, diskutiert, Ihr Wissen angereichert und sogar praktische Kniffe gelernt. Jetzt kommen Sie wieder an Ihren Arbeitsplatz. Voller Elan und mit tollen Ideen, was Sie in Ihrer Abteilung und an Ihrem eigenen Verhalten alles ändern wollen.

Begeistert erzählen Sie beim Meeting und in der Mittagspause von diesem Seminar. Sie ernten höfliches Interesse, bestenfalls. Denn erstens sind die Kollegen immer ein bisschen neidisch, weil sie selbst keine Auszeit zur Weiterbildung hatten, und zweitens glaubt sowieso niemand ernsthaft daran, dass sich durch Seminare etwas zum Besseren ändert.

Ihr eigener Veränderungsschwung wird brutal gebremst durch Kommentare wie: „Ach, mal wieder beim Seminar gewesen?“ Noch schlimmer allerdings ist die zermürbende Alltagsroutine, die mit einer perfiden Mixtur aus dringlichen Aufgaben, bürokratischen Routinen, öden Meetings und unzähligen E-Mails ihren Energierausch binnen weniger Tage, ja Stunden ins Reich der guten, aber gescheiterten Vorsätze schickt.

So verpuffen in Organisationen alljährlich Weiterbildungsinvestitionen in Millionenhöhe. Klar, gute Seminare werden von den Teilnehmern als hilfreich für ihre Entwicklung beurteilt. Insofern haben sie einen Wert an sich als kreative Auszeit für die Mitarbeiter. Doch erfolgt nur selten echte Wertschöpfung durch die Umsetzung des Gelernten in der Praxis.

Kann man dieses Versagen den Trainern vorwerfen? Nur bedingt, und zwar dann, wenn sie den Teilnehmern kein praktisches Handwerkszeug, kein „Know-how-to-do“ vermitteln. Doch selbst das beste Werkzeug wird im Getriebe des beruflichen Alltags stumpf, wenn es nicht immer wieder genutzt und angepasst wird.

Hier liegt die Fehlkonstruktion des Seminarwesens. Statt wie mit einer Gießkanne viele Seminare anzubieten, ist es sinnvoll, weniger gezielt anzubieten und das so eingesparte Budget zu nutzen, um die Teilnehmer von den Trainern nachhaltig im Tagesgeschäft coachen zu lassen.