Inhalt: +++++

„Wahnsinn, dachte Mae. Ich bin im Himmel.“ So lässt Dave Eggers in seinem Roman „Der Circle“ den ersten Arbeitstag seiner Protagonistin beginnen. Die 24-Jährige ist eine Vertreterin der Generation Y. Sie entstammt kleinen Verhältnissen in der Provinz und hat dank einer Freundin den Job beim Internetgiganten „Circle“ ergattert, Einstiegsgehalt 60.000 Dollar.

Der fiktive Circle ist wie Google, nur schneller und konsequenter. Seine Werte sind Leidenschaft, Transparenz, Partizipation. Ziel der Unternehmensführung ist die „Vollendung“, ein die Gesellschaft durchdringendes Netz des Messens, Überwachens, Steuerns. Das Versprechen lautet: mehr Sicherheit, bessere Menschen und bessere Geschäfte. Überforderte Politiker betreten eifrig dieses Neuland. Von ein paar Sektierern abgesehen, sind alle begeistert. Mae legt eine steile Karriere hin. Am Ende mutiert sie zu einer Art Leni Riefenstahl, die die Außenwirkung der totalitären Unternehmung inszeniert.

Präsentation: ++---

Wer nur ein paar der großen Romane des 20. Jahrhunderts zur Kenntnis genommen hat, fühlt sich hier wie beim betreuten Lesen. Das ist alles schön chronologisch, einfach, holzschnittartig. Vielleicht könnte Eggers anders. Aber so schaffen auch Zeitgenossen mit einer multitasking-bedingten Aufmerksamkeitsstörung die 560 Seiten. Seine Spannung bezieht der Roman aus der schleichenden Grenzüberschreitung. Die Fiktion ist so nah an der Realität, die Drift ins Totalitäre so einfach, dass man angesichts des schmalen Grats erschrickt.

Praxiswert: ++++-

Zu den Dutzenden Büchern zu Generation Y, Enterprise 2.0 und Social Business liefert Eggers mit seinem Roman ein interessantes Gegengewicht. Er zeigt, wie postmoderne Ausbeutung funktioniert. Mae wähnt sich bei ihrem Einstieg als Teil der digitalen Avantgarde. Doch sie ist nur eine Mitläuferin, die dank perfekten Funktionierens aufsteigt. Es gibt ein paar sehr schön exponierte Stellen im Text, bei denen man denkt, jetzt müsste sie doch endlich einmal Nein sagen. Doch das tut sie nicht.

„Der Circle“, Roman von Dave Eggers. Verlag Kiepenheuer & Witsch, 560 Seiten, 22,99 Euro