Im Bewerbungsgespräch klang alles ganz anders: Aufstiegschancen, gute Kultur, keine Überstunden. Wie verhindert man, frustriert zu werden?

Torben Becker (Name geändert) ist genervt von seinem Arbeitgeber – wurde ihm doch im Bewerbungsgespräch angekündigt, dass er nach einem Jahr von seiner Position als Junior-Manager zum Senior aufsteigen würde. Das Jahr ist inzwischen vorbei, doch keiner will sich mehr an die Zusage erinnern. Becker vermutet, dass eine anstehende Fusion der Grund dafür ist, keine weiteren Führungsposten zu schaffen. Aber das sagt ihm keiner.

Auch Tamara Heinze (Name ebenfalls geändert) ist von ihrem Einstieg ins Berufsleben desillusioniert. Die Pädagogin hat einen relativ gering dotierten Job in einer Einrichtung für Jugendliche angenommen, für den sie eigentlich überqualifiziert ist. Doch die Chefin versprach ihr, Ideen für neue Strukturen erarbeiten zu dürfen und in absehbarer Zeit in die Leitung aufzusteigen. Doch seit Heinze tatsächlich dort arbeitet, sind ihr akademisches Wissen und ihre Verbesserungsvorschläge nicht mehr gefragt.

Kein Unternehmen kann voraussagen, was in einem Jahr sein wird

Nur zwei Beispiele von vielen – eine kurze Facebook-Anfrage ergab umgehend ein Dutzend Meldungen von enttäuschten oder sogar frustrierten Berufseinsteigern. Wo liegt der Fehler? „Kein Unternehmen kann zusagen, was in einem Jahr ist“, sagt ein Hamburger Unternehmensberater, auf Beckers Problem angesprochen. Wie die Berufseinsteiger möchte er anonym bleiben. „Unternehmen machen das, um gute Leute zu gewinnen.“ Auf der anderen Seite sieht er auch das Verhalten des Junior-Managers kritisch. „Er hätte die Zusage aus dem Bewerbungsgespräch in einer Gesprächsnotiz festhalten und sich bestätigen lassen sollen.“ Etwa so: „Bei Bewährung ist beabsichtigt, für Torben Becker in einem Jahr eine Führungsaufgabe in dem und dem Bereich zu schaffen.“

Diesen Rat gibt auch Andreas Link, Experte für Employer Branding bei der Norderstedter Personalberatung HR Management Consultants, um spätere Enttäuschungen zu vermeiden. Dokumentieren sorge für Klarheit. Denn: „Es ist immer auch die Frage, wie kommt eine Aussage beim anderen an?“ In die Pflicht nimmt er dabei eher die Unternehmen als die Berufseinsteiger. „Personaler müssen im Bewerbungsgespräch deutlich machen, wie eine Ankündigung gemeint ist. Jemandem zu sagen, ‚Du wirst in einem Jahr Führungskraft‘, ist inzwischen eigentlich in keinem Unternehmen mehr möglich.“ Dann ist der Vorgesetzte ein anderer, die wirtschaftliche Lage hat sich geändert oder die Unternehmensstrategie wurde angepasst.

Arbeitgeber sollten aber auch wissen, dass Hochschulabsolventen heute andere Erwartungen haben als Berufseinsteiger noch vor zehn Jahren. „Das liegt am Arbeitsmarkt, der in vielen Bereichen für Absolventen aktuell sehr gut aussieht“, erklärt Link. Hohe Ansprüche an ihren Job und ihr Unternehmen in puncto Aufstieg und Entwicklungsmöglichkeiten zu haben, ist für diese Gruppe von Bewerbern völlig normal. „Doch viele Unternehmen glauben immer noch, dass sie sich auf einem Arbeitgebermarkt, also in der stärkeren Position befinden“, sagt Andreas Link. Sie machen einen Fehler, wenn sie von Berufseinsteigern Dankbarkeit und Bescheidenheit erwarten.

Stattdessen Frust. Doch wie schützt man sich beim Berufseinstieg nun dagegen? Vorbereitung, Bauchgefühl und Mut sind die Schlüsselbegriffe dafür. Sich über die Unternehmenswerte auf der Internetseite zu informieren reicht laut Andreas Link nicht aus. Soziale Netzwerke, Arbeitgeberbewertungsplattformen, Unternehmensblogs, aber auch Tage der offenen Tür oder Messeauftritte des Unternehmens – das alles können Foren sein, durch die man Infos und darüber hinaus ein Gespür bekommt, wie die Firma tickt.

Zum Abschluss des Interviews fragen, ob man einen Kollegen treffen kann

Genauso wie die Atmosphäre vor Ort. Wer ein bisschen zu früh zum Termin kommt, kann möglicherweise schon im Wartebereich ausloten, wie die Angestellten miteinander umgehen. Auch die Bitte zum Abschluss des Interviews, einen potenziellen Kollegen kennenlernen zu dürfen, ist legitim und wird von Unternehmen, wenn praktisch möglich, meist erfüllt.

„Man muss kritisch gegenüber Werbesprüchen sein und darf sich nicht blenden lassen“, sagt Claus Fehling, Rechtsanwalt und Geschäftsführer des Hamburger Consultingunternehmens GMC. Selbst wenn man in einen vermeintlich tollen Großkonzern einsteigt, werde nicht alles wunderbar sein, ist er überzeugt. Im Bewerbungsgespräch rät er den Kandidaten zu mutigen Fragen. „Damit kann man Position beziehen und versuchen, so auf Augenhöhe mit dem Interviewer zu kommen.“

Mit einem Augenzwinkern zu provozieren hält Personalberater Link für den richtigen Weg, um den Gesprächspartner auf Authentizität zu prüfen. „Mal ehrlich, kein Unternehmen ist doch perfekt – wo sehen Sie denn bei sich noch Entwicklungsbedarf?“, könnte so eine Frage lauten. „Das ist überhaupt nicht respektlos“, sagt Link. Auch Berufseinsteiger dürften durchaus schon ihre Kanten zeigen. „Das hat mit Offenheit und Ehrlichkeit zu tun und kommt meiner Erfahrung nach auch bei Unternehmen gut an.“ Wer hier mit seinem Selbstbewusstsein aneckt, würde ohnehin in diesem Unternehmen nicht glücklich werden.

Denselben Mut an den Tag zu legen empfiehlt er übrigens auch denjenigen, die keine Informatiker oder Ingenieure sind und dank Fachkräftemangels von Unternehmen kräftig umworben werden. Natürlich neige man dazu, im Bewerbungsgespräch anders zu agieren, wenn man statt zehn Interviews nur dies eine im Kalender stehen hat. Und das könne auch dazu führen, dass man versucht, sich möglichst glatt zu präsentieren, gesteht Andreas Link ein. „Aber dennoch: Nach einiger Zeit dann völlig frustriert zu sein, weil ein Unternehmen sich nicht als das entpuppt, was man sich von ihm ausgemalt hat, ist doch keine Alternative.“