Der Lebensmitteltechnologe Philip Bollhorn verantwortet bei Ratsherrn die Qualitäts-Checks

„Hefeflüsterer“ prangt auf der Tür zum Labor, in dem Philip Bollhorn sich gerade ein Bierchen genehmigt. Beruflich natürlich, und unter streng wissenschaftlichen Aspekten. Der 30-Jährige ist Braumeister und arbeitet seit drei Jahren bei der Braumanufaktur Ratsherrn in den Schanzenhöfen. „Anders als bei einer Weinverkostung müssen wir das Bier herunterschlucken, um auch die Bitterstoffe richtig schmecken zu können“, erklärt er. Ein Traumjob, mag man sogleich denken, und wenn es nach Bollhorn geht, dann ist seine Arbeit das auch – obwohl zu seinen Aufgaben natürlich noch viel mehr als Bier probieren gehört.

Bierfachleute wie Bollhorn zählen zu den Lebensmitteltechnologen, das sind Naturwissenschaftler, die den gesamten Prozess eines Lebensmittels vom Rohstoff bis zum Endprodukt analysierend begleiten. „Wir kennen alle physikalischen und biochemischen Vorgänge und deren Einflussfaktoren, haben das notwendige Wissen über die hoch spezialisierten Apparate und Maschinen und sind besonders sensorisch geschult“, sagt Bollhorn. In der Praxis heißt das: „Bevor ein Flaschenbier in der Kneipe verkauft werden kann, haben meine Kollegen und ich die Rezeptur entwickelt, die Rohstoffe zusammengestellt und die vielen Versuche im Labor und in der Brauerei verkostet und analysiert.“

Beruflich auf den Geschmack gekommen ist Bollhorn, als er während der Schulzeit in einer Gasthausbrauerei in seiner Heimat Soltau jobbte. „Neben der Gastronomie habe ich immer mehr Aufgaben in der Brauerei übernommen“, sagt er. Nach dem Abi folgte zunächst eine Ausbildung zum Brauer und Mälzer und anschließend ein Studium zum Diplom-Braumeister in Berlin.

Dabei kann der Weg zum Lebensmitteltechnologen (Einstiegsgehalt bei 30.000 Euro/Jahr; Quelle: personalmarkt.de) ganz unterschiedlich sein: „Jedes Jahr beginnen an rund 20 Hochschulen in Deutschland etwa 1000 junge Menschen ein Studium im Bereich der Lebensmitteltechnologie, des Lebensmittelmanagements oder der Lebensmittelwissenschaften“, sagt Jochen Hamatschek, Präsident der Gesellschaft Deutscher Lebensmitteltechnologen. In Hamburg kann man Lebensmittelchemie an der Uni studieren, außerdem bietet die HAW einen Bachelor in Ökotrophologie an, der durch einen Master in Food Science ergänzt werden kann.

„Jedes Studium hat dabei seinen individuellen Schwerpunkt“, sagt Hamatschek. Er selbst habe nach dem Studium in Stuttgart-Hohenheim im Vertrieb angefangen. „Und das kann ich nur jedem Absolventen empfehlen.“ Morgens ein Besuch in der Molkerei, mittags in der Brauerei und nachmittags im Stärkebetrieb. „Während man in dem typischen Einsteigerjob als Sachbearbeiter immer nur einen kleinen Ausschnitt aus dem Betrieb kennenlernt, arbeitet man als Vertriebler direkt auf dem Markt bei den Kunden und lernt so das gesamte Produktportfolio kennen.“ Auch seien in diesem Bereich die Einstiegschancen besonders hoch. „Die Vertriebler leiden immer noch unter dem Image der Klinkenputzer – und das vollkommen zu Unrecht.“

Auch Karl-Heinz Krämer, Vorstand von Block Foods, schätzt die Jobchancen für Absolventen sehr groß ein. „In der Regel haben sie drei bis vier Monate vor dem Abschluss ihren Vertrag in der Tasche“, sagt er. Wenn zwei- bis dreimal pro Woche ein Lkw vor dem Block House und Jim Block am Jungfernstieg oder am Gänsemarkt halt macht und auf rund 15 Rollis Steak, Spinat und Baked Potatoe geliefert werden, dann hat sich zuvor einer der 255 Mitarbeiter im Bereich Food der Block Gruppe von der einwandfreien Qualität überzeugt. „Wir haben sogar eigene Produkttester in Argentinien und Uruguay, die den Schlachtprozess begleiten.“

Für die Qualität in Hamburg sorgt unter anderem Mitarbeiterin Ina Faustmann. Die 29-Jährige hat ihren Bachelor in Lebensmitteltechnologie gemacht und ist stellvertretende Leiterin der Qualitätssicherung bei Block Foods. „Ich nehme zum Beispiel mikrobiologische Untersuchungen vor und bestimme das Mindesthaltbarkeitsdatum“, erklärt sie. Jeden Tag prüft sie optisch und geschmacklich die Produkte und nimmt einen Geruchstest vor. „Das ist ein bedeutender Teil an meinem Job: Bei der Verkostung auf alles zu achten.“

Apropos Verkostung. Kann Philip Bollhorn überhaupt noch ein Feierabendbier genießen? „Ja, und das sogar sehr gut“, sagt er entschieden und lacht. „Die Bierverkostung hier ist mein Beruf, das ist viel mehr als nur probieren. Das Bier nach Feierabend ist Genuss.“