Ein Kommentar von Mark Hübner-Weinhold

Selbst wer dem Fußball-Hype derzeit rein gar nichts abgewinnen mag, kann einige Erkenntnisse für das Arbeitsleben aus dem Weltturnier in Brasilien ziehen. Aus methodischer Sicht hat sich das System des Ballbesitz-Denkens überholt. Das mobile Kurzpassspiel des spanischen Tiki-Taka-Fußballs mit endlosen Ballstafetten ist tot. Lässt sich das in die Welt des Managements übersetzen? Ja.

Der Wettbewerb wird nicht mehr allein beherrscht durch hohe Marktanteile. Dominanz durch Größe führt nicht zwangsläufig zum Erfolg. Ständige Bewegung auf dem Markt ist gut, kann aber zum Selbstzweck werden, wenn ein Unternehmen es versäumt, sich auf veränderte Marktbedingungen und innovative Wettbewerber einzustellen. Das frühe Ausscheiden der spanischen Welt- und Europameister symbolisiert diesen Niedergang. Gesättigt von vergangenen Erfolgen, neigt eine Organisation zu Arroganz und Starrheit. Stur wird an alten Methoden festgehalten, bis sie scheitern.

Purer Ballbesitz hilft nicht weiter, wenn keine Abschlüsse erfolgen. Das Rezept heißt Geschwindigkeit: das blitzartige Umschalten von Abwehr auf Angriff, das schnelle Direktspiel nach vorn. Einfach und effektiv, ohne den Aufwand ständiger Quer- und Rückpässe. Erfolgreiche Unternehmen gerade in der digitalen Wirtschaft zeichnet genau diese Stärke aus. Oft beginnen sie als viel belächelte Start-up-Firmen und lehren dann die etablierten Konzerne das Fürchten. Dabei zählt vor allem Tempo, Tempo und nochmals Tempo. Geschwindigkeit ist entscheidend für Innovation, Produktionszeiten, Logistikprozesse und Kundenservice. Die Managementpraxis in vielen Betrieben hat mit diesem Tempo nicht Schritt gehalten, sondern hält sich im Kern an die bürokratischen Abläufe aus der Mitte des letzten Jahrhunderts.

Torgefährlich wie selten zuvor sind bei dieser WM übrigens Standardsituationen wie Eckbälle und Freistöße. Das zeigt, dass Organisationen gut beraten sind, ihre Standardprozesse sauber zu definieren und bis zur Perfektion zu üben. Denn die Geschwindigkeit lässt sich nicht über einen langen Zeitraum mit hoher Intensität aufrecht erhalten. Dann helfen Disziplin und klare Standards.