Geomatiker kommen Tätern auf die Spur, retten Denkmäler für die Nachwelt oder sorgen wie Tanja Graeger für den Innenausbau von Flugzeugen

Nur wenn ein Whirlpool oder eine offene Feuerstelle verlangt werden, kommt das Kabinenbau-Team bei Lufthansa Technik an seine Grenzen. Alle anderen Kundenwünsche machen die Mitarbeiter im Bereich VIP-Jets möglich. Geomatikerin Tanja Graeger ist Teil des Teams. Sie sorgt dafür, dass bei der Inneneinrichtung der Privatflugzeuge alles millimetergenau passt.

„Als erstes vermesse ich die Kabine mit einem Laserscanner und erstelle ein CAD-Modell, das alle räumlichen Erhebungen sichtbar macht und in dem jeder Kabelstrang vermerkt ist“, sagt die Vermessungsingenieurin (CAD = computer-aided design; computergestütztes Konstruieren). Dann wird virtuell möbliert. Das CAD-Modell gibt einen genauen Eindruck von der fertigen Kabine.

Im CAVE können die VIP-Kunden ihr bestelltes Flugzeug virtuell erkunden

Anschließend bildet sie die innere Struktur des Kundenflugzeugs samt Innenausstattung im CAVE ab (CAVE = „Cave Automatic Virtual Environment“), einem zwölf Quadratmeter großen Projektionsraum. Wie in einem 3-D-Kino können die Kunden dank einer speziellen Brille in Schränke oder unter das Bett schauen und sich mittels eines Steuergeräts in ihrem zukünftigen Flugzeug bewegen. „Und wir erkennen Probleme, die am CAD-Modell nicht so deutlich werden“, sagt Graeger. „Wie schräg zulaufende Spalten oder zu klein geplante Wartungszugänge.“

Beim Einbau prüft die 29-Jährige dann mit einem 3-D-Messarm, ob die Tischler exakt nach den Vorgaben gearbeitet haben. „In einem dritten Schritt checke ich mit einem speziellen Messgerät, dem Tachymeter, ob alle Möbel exakt da sind, wo sie hingehören.“ Schon aus Sicherheitsgründen müssen die Abstände im Flugzeug – „in einer sich bewegenden Druckkabine“ – genau stimmen.

Raumbezogene Daten (Geodaten) zu erfassen, analysieren und darzustellen ist Tanja Graegers Job. Ihr Handwerkszeug lernte sie an der HafenCity Universität (HCU). Dort hat sie nach einer Ausbildung zur Vermessungstechnikerin ihre Bachelor- und Masterabschlüsse in Geomatik gemacht.

Liegenschaftsvermessung, Landentwicklung und Standortplanung sind denn auch klassische Aufgabenfelder für Geomatiker, Ingenieurbüros typische Arbeitgeber. Doch die Einsatzmöglichkeiten sind noch weit vielfältiger. Geomatiker werden zum Beispiel bei der Polizei eingesetzt, wo sie Tatorte oder Verkehrsunfälle mittels Laserscanner aufzeichnen, um mit den darauf basierenden 3-D-Modellen zum Beispiel Flugbahnen von Projektilen zu berechnen oder den Verlauf von Bremsspuren zu rekonstruieren. Geomatiker sagen aber auch voraus, wohin bei einem Deichbruch das Wasser fließt oder in welche Richtung sich die giftige Rauchwolke bewegt, wenn ein Chemieunternehmen brennt. Und natürlich wirken sie mit an der Weiterentwicklung von Navigationsgeräten oder Google Earth.

Wer Geomatik studieren will, muss ein Faible für Mathe und Informatik haben

Im Studium Geomatik stehen dazu Methoden zum Erfassen, Verwalten, Analysieren und Präsentieren von Geodaten auf dem Lehrplan. In den ersten Semestern steht dementsprechend auch Mathematik auf dem Programm. „Dabei geht es darum, konkrete Lösungen von Vermessungsproblemen auszurechnen. Die Weihen der höheren Mathematik erwarten wir nicht“, beruhigt Studiendekan Professor Thomas Schramm.

Informatik ist ein weiterer Schwerpunkt des Studiums, also sollten angehende Geomatiker Spaß am Programmieren mitbringen. Und keine Angst vor schlechtem Wetter haben: Zur Vermessung geht es nach draußen, ganz egal was Petrus für Spielchen treibt. „Gerade diese Praxisnähe macht den Studiengang aus“, findet Lasse Christoph Thönnessen, 26, der im 4. Bachelorsemester Geomatik studiert. „Was wir in der Theorie lernen, wird draußen auf der Straße gleich angewandt.“ Das kann zum Beispiel die topografische Erfassung eines Waldstücks für eine in Harburg geplante Straße sein oder ein Projekt in Spanien: Dort haben die HCU-Studenten in einem internationalen Team ein vom Verfall bedrohtes Zisterzienserkloster dokumentiert, um der Nachwelt wenigstens eine virtuelle Begehung zu ermöglichen. „In solchen Projekten erzeugen wir wissenschaftliche Daten unter realen Bedingungen. Der Trend unseres Studiengangs geht weg von der Hilfswissenschaft, etwa für Architekten oder Stadtplaner, hin zur aktiven Teilhabe“, erläutert Professor Schramm. Die Projektarbeit sei zudem eine gute Übung für das Berufsleben, betont der Dekan. Viele Absolventen arbeiten auch später in internationalen oder interdisziplinären Teams.

Und in welche Richtung tendiert Student Lasse Thönnessen? „Ich plane meinen Master, Schwerpunkt Hydrografie“, sagt er. „Bis zum Abschluss versuche ich in möglichst viele Bereiche hineinzuschnuppern. Gerade bemühe ich mich um einen Platz auf einem Forschungsschiff: Ziel Arktis.“