Die Leserfrage: Ich bin entlassen worden und habe nach einem Gespräch mit dem Geschäftsführer schriftlich auf eine Kündigungsschutzklage verzichtet. Mit ein paar Tagen Abstand denke ich aber, nach 15 Jahren in der Firma stünde mir zumindest eine Abfindung zu. Kann ich irgendwie von meinem Verzicht zurücktreten?

Das sagt Rechtsanwalt Christian Wieneke-Spohler: Sie haben nach erfolgter Kündigung darauf verzichtet, Kündigungsschutzklage zu erheben. Das ist nach geltender Rechtsprechung zwar möglich, aber diese Verzichtserklärung ist als Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des Paragrafen 305 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu werten und muss deshalb auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden. In Ihrem Fall könnte der Paragraf 307 BGB greifen, wonach eine Regelung unwirksam ist, wenn sie denn den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.

Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 6.9.2007, 2 AZR 722/06) hat dazu entschieden, dass ein Verzicht auf eine Kündigungsschutzklage dann unwirksam ist, wenn keinerlei Gegenleistung des Arbeitgebers erfolgt. Im besagten Fall versuchte ein Arbeitgeber, ohne Rücksicht auf die Interessen des Arbeitnehmers, seine Rechtsposition durchzusetzen, indem er dem Arbeitnehmer dessen Recht, die Kündigung gerichtlich überprüfen zu lassen, absprach. Das Gericht urteilte, dass es eines angemessenen Ausgleichs dafür bedarf, dass der Arbeitnehmer auf sein Klagerecht verzichtet.

Das LAG Niedersachsen hat mit Urteil vom 27.3.2014 (5 Sa 1099/13) diese Rechtsprechung dahingehend ergänzt, dass als angemessene Kompensation bereits eine geringfügige Abfindung von 250 Euro ausreichen würde oder die Zusage eines Zeugnisses mit guter Beurteilung, auf das ein Arbeitnehmer nicht ohne Weiteres Anspruch hat. Da Sie von Ihrem Vorgesetzten keinerlei Gegenleistung zugesagt bekamen, ist folglich der von Ihnen unterschriebene Klageverzicht unwirksam, und Sie können Klage beim Arbeitsgericht erheben – aber nur binnen drei Wochen nach Erhalt der Kündigung.

Unser Autor Christian Wieneke-Spohler ist Fachanwalt für Arbeitsrecht. www.martens-vogler.de