Persönlichkeit haben heißt einfach nur, individuell zu sein. Aber nicht jeder wagt es, zu seinen Besonderheiten zu stehen

„Der hat Persönlichkeit“, sagt man über den Kollegen, der einen beeindruckt. Anerkennend ist das gemeint, der Mensch hat irgendetwas. Rückgrat oder Kanten, die er sich nicht abschleifen lässt. So ganz genau kann man das meist gar nicht definieren. Aber oft sind es erfolgreiche und beliebte Kollegen, die mit dem Titel bedacht werden.

Diplom-Psychologin Eva Wlodarek übersetzt „Persönlichkeit“ mit „Individualität“ oder „einzigartigen Eigenschaften, die jeder hat“. Und widerspricht damit der Interpretation, dass es Leute mit und Leute ohne Persönlichkeit gibt. „Oft ist es nur schwierig, seine Individualität herauszuarbeiten“, sagt sie. Erziehung („Nimm dich nicht so wichtig“) oder schlechte Erfahrungen (Wer auffällt, macht sich angreifbar) hätten vielen Leuten abgewöhnt, ihre Besonderheiten zu zeigen. „Dabei macht unsere persönliche Ausstrahlung, die sich in Körpersprache, Stimme, Gestik und Wortwahl zeigt, 50 Prozent unseres Erfolgs bei anderen aus“, sagt Wlodarek.

Auch im Job. „Wer seine Besonderheiten nicht versteckt, kann sich über sehr viele Benefits im Beruf freuen“, verspricht die Psychologin. „Man wird in Meetings nicht mehr überhört“, gibt sie ein Beispiel. „Und das Netzwerken fällt leichter, weil es anderen Spaß macht, sich mit einem zu unterhalten.“ Auch bei Vorträgen seien die Zuhörer aufmerksamer. Selbst der Vorgesetzte schenke eher dem charismatischen Mitarbeiter ein Ohr als dem glattgespülten.

Doch wie verstärkt man eigentlich seine Ausstrahlung? „Erst einmal muss man herausfinden, wo man mit der Veränderung ansetzen will“, sagt Eva Wlodarek. Wer souveräner wirken, eindrucksvollere Gesten zeigen oder lauter, langsamer oder modulierter sprechen möchte, muss genau das üben.

Weil Selbst- und Fremdbild oft auseinanderklaffen, rät Wlodarek, Freunde um Feedback zu bitten. Du bist immer so laut, könnte da kommen. Oder: Deine Kleidung sieht unprofessionell aus. Oder: Du kannst so viel und traust dich so wenig. „Das muss man aushalten, sonst bekommt man nie wieder eine ehrliche Rückmeldung.“

Ein selbstkritischer Blick in den Spiegel wäre aber auch schon einmal ein Anfang. Kommunikationstrainerin Britta Wenske von „speak up!“ empfiehlt, sich besser noch vor eine Kamera zu stellen und ein Gespräch oder einen Vortrag zu simulieren. Gestikuliert man wild herum? Steht man ganz steif? Der Mittelweg ist der beste. Gesten, erklärt Wenske, sollten immer eine gewisse Ruhe ausstrahlen, aber auch lebendig sein. „Vor allem sollten sie zum Sprecher passen.“ Sonst entstehe der Eindruck, das sei nur eingeübt.

Aber ist das nicht tatsächlich nur Kosmetik? Ein bisschen antrainierter Schein? Eva Wlodarek verneint. Sie ist überzeugt, dass die äußere Hülle und das veränderte Verhalten einen großen Einfluss aufs innere Gefühl haben. Das könne man schon daran merken, dass man sich in beruflichen Situationen, zum Beispiel im Kundengespräch, in einem Businessoutfit souveräner fühlt als in der schlabberigen Jeans. Wlodarek empfiehlt den Selbsttest: „Stellen Sie sich vor, Sie sind auf einer Party oder auf einem Kongress und kennen niemanden. Die meisten Menschen stehen dann mit verschränkten Armen da.“ Die Psychologin rät, die Arme einfach einmal zu öffnen „und dann in sich hineinzufühlen“. Man empfinde sich ein bisschen schutzlos, aber auch viel freier, sagt sie. „Da passiert etwas mit mir. Das auszuprobieren muss man sich einfach mal trauen.“

„Wenn wir an unserem Verhalten arbeiten, arbeiten wir immer auch an unserer Persönlichkeit“, sagt Wlodarek. Stimmtrainerin und Sprecherin Anne Kühl ist davon genauso überzeugt: „Die Stimme macht einen großen Teil der persönlichen Wirkung aus“, sagt sie. Man könne „durchhören“, wenn ein Mensch zu dem steht, was er sagt. „Und wir mögen eben Leute, bei denen wir das Gefühl haben, dass sie authentisch sind und wir ihnen vertrauen können.“ Mit ihren Klienten arbeitet sie an aufrechter Haltung, Atem, Stimmklang und der Aussprache – aber auch an der inneren Haltung. „Ich muss überzeugt sein, dass es wichtig ist, was ich zu sagen habe.“

Es braucht Durchhaltevermögen, um charismatischer zu werden. „Aber wenn man etwas 21 Tage lang regelmäßig tut, gehört es meist schon zum Verhaltensrepertoire“, sagt Psychologin Wlodarek. Egal, ob das Wortmeldungen im Morgenmeeting oder die gerade Körperhaltung ist. Und die Kollegen? Kommen die mit dem neuen, eindrucksvolleren Menschen überhaupt klar? „Das Umfeld wird erst einmal irritiert sein“, sagt Eva Wlodarek. Schließlich sei es an ein anderes Auftreten gewöhnt. „Aber erfahrungsgemäß wird das schnell akzeptiert – und dann positiv honoriert.“