Als Azubis sind Teamplayer gesucht. In den nächsten Jahren werden viele Ausgelernte Betriebe übernehmen können

Den Schriftzug „Das Phantom der Oper“ hat Raphael Jilkova in großen schwarzen Buchstaben mit einem Acrylspachtel auf eine rote Wand aufgetragen. Mit einem Overheadprojektor hatte er zuvor das Muster an die Wand geworfen, die Umrisse fein nachgezeichnet und das Ganze schließlich mit Wachs überzogen. Jilkova, 25, ist im dritten Lehrjahr seiner Ausbildung zum Maler und Lackierer. Die meiste Zeit arbeitet er in dem Malereibetrieb Die Farbgeber in Eimsbüttel, tapeziert, streicht und lackiert bei Privat- und Geschäftskunden.

Drei Wochen im Jahr lernt der Azubi im Rahmen der überbetrieblichen Ausbildung – einer Art Praktikum für besondere Ausbildungsinhalte, die ihm sein eigener Betrieb nicht vermitteln kann – besondere Feinheiten des Malerhandwerks. Dabei gestaltet er Wände, wie sie zum Beispiel Spielzeugläden, Sportgeschäfte oder Veranstaltungshäuser wie die Neue Flora brauchen könnten. „Das macht mir eigentlich am meisten Spaß, wenn ich nicht nur eine ganz normale Raufasertapete streichen, sondern auch künstlerisch tätig sein kann, Wände zum Beispiel mit der Wisch- oder Spachteltechnik bearbeiten darf“, sagt er. „Außerdem: Wenn ich schöne Wände mache, lerne ich auch einfach mehr.“

Die Ausbildung zum Kaufmann war nichts für Raphael Jilkova

Vor seiner Maler-Ausbildung hat Raphael Jilkova seinen Hauptschulabschluss gemacht und eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann begonnen. „Aber das war nichts für mich“, sagt er. „Ich habe den ganzen Tag die Ware in den Laden rein- oder rausgetragen, das war zu langweilig.“

In Hamburg werden derzeit 270 Nachwuchskräfte zum Maler und Lackierer ausgebildet. Holger Jentz ist Vorsitzender des Bildungsausschusses der Maler- und Lackierer-Innung Hamburg und kennt die Kriterien bei der Bewerberauswahl. „Wichtig ist das Abschlusszeugnis, wobei eine fünf in Mathe weniger wiegt als viele Fehlstunden“, sagt er. „Außerdem achte ich auf Hobbys. Wenn einer Fußball spielt oder in der Jugendfeuerwehr aktiv ist, kann ich davon ausgehen, dass er ein Teamplayer ist.“

Für Raphael Jilkova kommen zur alltäglichen Arbeit im Betrieb und zur überbetrieblichen Ausbildung viermal im Jahr je drei Wochen Blockunterricht an der Berufsschule Holz, Farbe und Textil an der Mundsburg hinzu. Dort paukt er die Theorie über Arbeitsabläufe und die Inhaltsstoffe von Farben und Lacken, lernt Fachenglisch und hat Fächer wie Wirtschaft und Sport. „Viele denken, dass man für den Malerberuf kein Hintergrundwissen braucht“, sagt er. „Aber das stimmt nicht, es ist total wichtig zu wissen, welche Eigenschaften unterschiedliche Farben haben, damit sie am Ende nicht abblättern.“

All das Lernen lohnt sich. Wer die Gesellenprüfung schafft, hat sehr gute Zukunftsperspektiven. „Viele Unternehmen suchen momentan dringend Nachwuchs für anstehende Betriebsübergaben“, sagt Holger Jentz. All jenen, die eines Tages ihren eigenen Malerbetrieb führen möchten, rät er, sich nach der Gesellenprüfung zum Vorarbeiter ausbilden zu lassen. „Da organisiert man dann beispielsweise schon die Materialbeschaffung, kalkuliert Mitarbeiterzeiten und behält den Überblick auf der Baustelle.“ Außerdem werde die Weiterbildung für die Ausbildung zum Meister angerechnet, für sie braucht man dann nur noch ein Jahr an die Gewerbeschule.

„Abiturienten haben darüber hinaus die Möglichkeit, mit dem dualen Studiengang Betriebswirtschaft KMU besonders schnell in eine Führungsposition aufzusteigen“, sagt Jentz (KMU = kleine und mittelständische Unternehmen). „Am besten ist es natürlich, wenn man schon als Jungmeister in den künftig eigenen Betrieb einsteigt und dann langsam in die Aufgaben hineinwächst.“

Für Raphael Jilkova stehen im Juli die Abschlussprüfungen an. Anschließend möchte er weiter zur Schule gehen und sein Fachabitur machen, um danach in Hannover auf Lehramt zu studieren. „Ich möchte unbedingt als Berufsschullehrer an meine heutige Schule zurück, auch wenn ich dafür noch einen langen Weg vor mir habe.“