Die Ausbildungen in der Branche sind vielfältig. Je unbekannter die Lehre, desto weniger Konkurrenz haben Bewerber

Wenn Kira Dahlkötter erzählt, welchen Beruf sie erlernt, dann steht hinter dem nächsten Satz ihres Gesprächspartners eigentlich immer ein Fragezeichen. „Ortho… was?“ Die 22-Jährige macht eine Ausbildung zur Orthoptistin. Das heißt, sie wirkt in der Augenheilkunde an der Vorsorge, Behandlung und Diagnostik von Sehstörungen mit. „Die meisten Menschen glauben, dass ich irgendwas mit der Orthopädie zu tun habe“, sagt sie lachend. Lediglich sieben Schüler gibt es in ihrem Jahrgang, fünf im Ausbildungsjahr darüber.

„Wir lernen direkt am UKE“, erzählt Dahlkötter, „sind von Anfang an in die Praxis miteingebunden.“ An zwei Tagen paukt sie Theorie, an drei Tagen ist sie im Kontakt mit den Patienten und erledigt seit ihrem zweiten Lehrjahr fast alles Untersuchen selbstständig. Weil die Ausbildung staatlich ist, zahlt die 22-Jährige keine Schulgebühr, verdient allerdings in den drei Jahren auch noch kein Geld.

Insgesamt gibt es in Hamburg 29 Ausbildungsberufe im Gesundheitswesen, darunter den Zahnmedizinischen Fachangestellten, die Diätassistentin, die Hebamme und eben Exoten wie die Orthoptistin. Auch Maria Schwenk macht eine Ausbildung, die nicht jedem geläufig ist. Nach ihrem Realschulabschluss hatte die 22-Jährige zunächst eine Ausbildung zur Kosmetikerin absolviert, anschließend die Ausbildung zur Masseurin und medizinischen Bademeisterin begonnen. Während ihrer Lehre hat sie Unterrichtseinheiten zu Anatomie, Krankheitslehre und Physiologie, erfährt, wie man Menschen mit Osteoporose massiert und welche Form der Krankengymnastik für ältere Patienten ideal ist. „Außerdem machen wir drei Praktika“, erzählt sie. „Eines im Krankenhaus, die anderen in der Reha und in einer Wellnesseinrichtung.“

Laut Angaben der Bundesagentur für Arbeit sind in Hamburg 130.000 Fachkräfte im Gesundheitsbereich tätig. „Damit bietet die Branche insgesamt sehr viele unterschiedliche, spannende, aber eben auch nicht bekannte Ausbildungsmöglichkeiten an“, sagt Sönke Fock, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit in Hamburg. „Die beruflichen Perspektiven sind hervorragend, aber viele Jugendliche und auch Eltern sind sich dessen einfach nicht bewusst.“

Gerade die Exoten unter den Gesundheitsberufen aber würden laut Fock ein große Chance bieten. „Bewerber können beweisen, dass sie sich wirklich mit der Branche und den Berufswegen auseinandergesetzt haben, wenn sie sich auf einen dieser Ausbildungsberufe bewerben.“ Außerdem sei die Anzahl der Bewerber in diesen Berufen meist weit geringer, da sie vielen Schulabgängern nicht bekannt seien.

Alina Grimm macht nach ihrem Hauptschulabschluss gerade eine Ausbildung zur Haus- und Familienpflegerin. „Nach der Schule hatte ich schon mal eine Ausbildung zur Fachkraft für Pflegeassistenz begonnen“, erzählt sie. „Die habe ich aber abgebrochen, als ich mit 18 Mutter geworden bin.“ Den Abbruch hat sie jedoch bald bereut. Jetzt steht sie kurz vor ihren Abschlussprüfungen, hat drei Jahre Schule und Praxiseinheiten im Krankenhaus, in der Kita, der Hauswirtschaft und Altenpflege absolviert. „Der Umgang mit Menschen macht mir unheimlich viel Spaß, ich werde gebraucht, und das macht mich glücklich“, sagt die 22-Jährige.

Mit schweren Schicksalen haben alle drei Frauen hin und wieder zu tun. Manche von Kira Dahlkötters Patienten hatten schwere Unfälle, haben eine Behinderung oder Tumorerkrankung, die zum Schielen führt. „Das Schlimmste ist, wenn ein dreijähriger Junge vom Augenarzt hergeschickt wird und es stellt sich heraus, dass er einen Hirntumor hat“, sagt sie. Auch Masseurin Schwenk findet, dass der Beruf manchmal nicht leicht für die Psyche sei. Trotzdem glauben alle drei, die richtige Wahl getroffen zu haben. „Man kann helfen, hat häufig Erfolgserlebnisse, und die Patienten sind so dankbar und glücklich“, sagt Schwenk. Im Sommer schließt sie ihre Ausbildung ab, sucht zurzeit nach einem Praktikumsplatz. Danach will sie ihre Nachqualifikation zur Physiotherapeutin angehen, weitere 18 Monate wird das dauern.

Kira Dahlkötter will nach ihrer Ausbildung in einer Augenarztpraxis arbeiten, dazu vielleicht Sonderpädagogik studieren. „Um später mit sehbehinderten Kindern zu arbeiten“, sagt sie. Und Alina Grimm möchte nach ihrem Abschluss im Sommer erst einmal arbeiten und dann eine Ausbildung zur Krankenschwester anschließen. „Bei dem Pflegenotstand muss ich mir keine Sorgen machen, mit dem Beruf jemals arbeitslos zu sein.“

Überblick über die Gesundheitsberufe bietet das Bundesinstitut für Berufsbildung: www.bibb.de